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Vogelschutz und Wasserqualität

Erdgas gilt als relativ saubere Energieform, aber bei Jemgum in Ostfriesland laufen Naturschützer jetzt gegen diese Energieform Sturm. Dort soll in den kommenden Jahren ein riesiges unterirdisches Erdgaslager gebaut werden. Das Problem: Ökologen befürchten, dass das Vogelschutzgebiet Rheiderland in Mitleidenschaft gezogen werden könnte, in dem jedes Jahr rund 70.000 arktische Wildgänse überwintern.

Von Folkert Lenz |
    "Die Ems ist vertieft worden wie verrückt. Wir kämpfen hier um diesen Schlick, beziehungsweise gegen ihn. Die Tiere sterben. Das ist nicht mehr tragbar. Und dieses Salz verschlechtert die Situation immens. "

    Die Wogen schlagen hoch in dem ansonsten eher beschaulichen Landstrich nahe der holländischen Grenze. Nicht nur Birgit Rutenberg von der Bürgerinitiative IG-Ems ist beunruhigt, seitdem bekannt ist, dass die Energieversorger EWE und Wingas bei Jemgum ein unterirdisches Erdgaslager bauen wollen.

    Ein Salzstock, bananenförmig, vier Kilometer mächtig, liegt unter dem Emsland. Ideal, um aus dem löslichen Gestein große Hohlräume zu spülen und in die so genannten Kavernen dann Erdgas zu pumpen. Die Zwischenspeicher seien dringend nötig, um für die Zeit zwischen hohem und niedrigem Bedarf einen Puffer zu haben, erklärt Ralf Riekenberg, Projektleiter der oldenburgischen EWE:

    "Jeder weiß: Im Winter hat er die Heizung an, im Sommer nicht. Das heißt, im Winter wird sehr, sehr viel Gas verbraucht. Das kann der Produzent gar nicht liefern. Wir brauchen hier direkt vor Ort Möglichkeiten, um selber Gas ins Netz zu bringen im Winter. Das machen wir über die Kavernenspeicher. Und im Sommer, wenn wenig Gas verbraucht wird, dann werden diese Speicher gefüllt. "

    33 Speicherhöhlen wollen die beiden Energieunternehmen im kommenden Jahrzehnt in anderthalb Kilometer Tiefe schaffen. 80 Meter Durchmesser sollen die Röhren haben, 400 Meter sind sie hoch: Kathedralen unter der Erde. Die Industriepartner werden dazu Wasser von der Ems abzapfen und damit das Salzgestein ausspülen. Die salzhaltige Brühe, die am Ende herauskommt - die Sole - , wird durch eine unterirdische Rohrleitung zurück in den Fluss gepumpt: Ein paar Kilometer nördlich bei Ditzum, wo die Ems schon fast in die Nordsee mündet.
    Die Pipeline und die Zapfstelle sind beinahe fertig. Im Anschluss sollen die Bohrstellen gebaut werden, so Riekenberg:

    "Um eine Bohrung abzuteufen - wie wir sagen -, also um eben in das Erdreich zu bohren, brauche ich erstmal einen Kavernenplatz. Das ist eine große Fläche mit einem Betonfundament. Wenn dieser Platz fertig ist, dann kommt die Bohranlage. Das sind sehr große, bis 35 Meter hohe Stahlgerüste. Und da ist eine ganze Menge Technik noch: Pumpen und Elektroaggregate. "

    Lärm, Verkehr und Licht der Baustellen aber machen manchen Anwohnern im niedersächsischen Landkreis Leer Sorgen. Denn über den geplanten Kavernen liegt das Rheiderland: Feuchtes, unzerschnittenes Grünland und Quartier für Zehntausende von Rastvögeln. 70.000 arktische Wildgänse überwintern hier: Graugänse und Nonnengänse fallen in der kalten Jahreszeit ein und fressen auf den Wiesen. Ein Spektakel, das auch zahllose Touristen lockt. Kiebitz, Rotschenkel und der Große Brachvogel nutzen das Areal zum Brüten. Doch noch ist das Rheiderland kein offizielles EU-Vogelschutzgebiet, kritisiert Elke Meier vom Naturschutzbund Niedersachsen:

    "Das ist ein gemeldetes Vogelschutzgebiet. Es gibt aber keine Schutzgebietsverordnung von Niedersachsen. Von daher gibt es auch keinen rechtlichen Status im nationalen Sinne. Wir sagen daher, das ist ein faktisches Vogelschutzgebiet. Und es darf daher überhaupt kein Eingriff erfolgen. "

    Denn neben den acht Bohrplätzen, die nach dem Bau wieder verschwinden würden, blieben ein knappes Dutzend großer Gebäude für den Betrieb des Gasspeichers im Rheiderland stehen.

    Der Naturschutzbund klagt jetzt vor dem Oberverwaltungsgericht Oldenburg gegen das Rahmenbetriebsplan des Projekts, mit dem das Vorhaben generell genehmigt ist. Denn die salzigen Abwässer würden der Fischwelt in der Ems den Garaus machen. Meerneunauge und Flussneunauge seien bedroht, fürchtet Nabu-Frau Elke Meier:

    "Die Sole, die eingeleitet wird, wenn jetzt hier neue Kavernen entstehen: Das sind etwa 300 Gramm Salz pro Liter. Wenn sehr große Mengen davon eingeleitet werden, dann bilden sich immer "Solelinsen". Und da wir über das Verhalten von den wandernden Fischarten noch gar keine Informationen haben, wissen wir gar nicht, ob die Fische dann nicht vielleicht aussterben. "

    Um einen teuren und langwierigen Prozess zu vermeiden, strebt der Nabu jetzt aber ein "gerichtsnahes Mediationsverfahren" an. Die Hoffnung: EWE und Wingas lenken ein und verkleinern das Projekt, so dass auch die Umweltschützer mit seinen Auswirkungen leben können. Dass die Konzerne vergleichbare Ausgleichsflächen für die Eingriffe beim Vogelschutz nachweisen können, bezweifeln die Naturschützer allerdings.

    Ein weiteres Problem: Auch andere Energieunternehmen haben schon Interesse an der Nutzung des Emslandsalzstockes angemeldet und wollen zusätzliche Kavernen bauen.