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Vokabelbüffeln und Skifahren im Schlaf

Medizin. - Die nächtliche Ruhephase muss für einen Organismus von entscheidender Bedeutung sein, soviel weiß jeder nach einer durchwachten Nacht. Aber selbst in Morpheus Armen arbeitet das menschliche Gehirn auf Hochtouren, berichten Experten auf dem .

Von Volkart Wildermuth |
    In der Nacht überdenkt das Gehirn die Ereignisse des Tages. So weit würden heutige Forscher den Thesen von Sigmund Freud zustimmen. Allerdings vermuten sie nicht mehr, dass im Schlaf ein Kampf zwischen unbewussten Trieben und moralischen Vorstellungen abläuft. Die Aufgabe des Schlafes ist viel prosaischer, er bietet ungestörte Trainingszeit für das Gehirn. Am Tage müssen ständig Entscheidungen getroffen werden, dringen Sinneseindrücke lärmend und laut ins Bewusstsein, es fehlt an Ruhe für ein intensives Üben der ganz verschiedenen Fähigkeiten, die ein Mensch erlernen will, seien das nun Vokabeln oder Skischwünge. Dabei sind die unterschiedlichen Schlafphasen für unterschiedliche Fertigkeiten zuständig, wie Professor Jan Born vom Institut für Neuroendokrinologie an der Universität Lübeck herausgefunden hat.

    "Wenn wir ein Gedächtnis für motorische Fertigkeiten zum Beispiel ausbilden, wenn wir Skifahren lernen, wenn wir Schreibmaschine schreiben lernen, dass solche Gedächtnisformen vor allem vom Traumschlaf profitieren."

    Im Traumschlaf der zweiten Nachthälfte verfestigen sich auch die Emotionen, die ein Mensch mit den Ereignissen des Tages verknüpft. Wenn es dagegen um harte Fakten geht, um Vokabeln oder Matheformeln, dann ist der Tiefschlaf der ersten Schlafstunden unentbehrlich. In dieser Schlafphase werden die Informationen vom Kurzzeit- in das Langzeitgedächtnis übertragen. Von außen betrachtet ist davon nichts zu bemerken, der Schläfer träumt nicht, zuckt mit keinem Muskel, die Stoffwechselaktivität des Gehirns ist deutlich reduziert. In den Hirnströmen zeigen sich aber ein langsames Auf und Ab der Nervenimpulse.

    "Diese Wellen führen dazu, dass verschiedene Hirnregionen, die für die Einspeicherung des Materials relevant sind, im Takt anfangen, aktiv zu werden. Und in diesem synchronisierten Aktivitätszustand der verschiedenen Hirnregionen ist jetzt die Möglichkeit gegeben, dass sich tatsächlich weit ausgedehnte, ausgespannte Netzwerke bilden, die Gedächtnisrepräsentation darstellen."

    Nach Überzeugung von Jan Born ermöglicht erst die Ruhe des Tiefschlafes diese enge Zusammenarbeit der verschiedenen Gedächtnisregionen. In der Nacht werden aber nicht nur Fakten gepaukt, sie werden auch mit bestehendem Wissen abgeglichen. Im Schlaf kann das Gehirn dabei durchaus neue Erkenntnisse produzieren. Das zeigte sich in Experimenten, bei denen Versuchspersonen in Zahlenreihen ein verborgenes Muster entdecken sollten.

    "Vor dem Schlaf waren die Problanden nicht in der Lage, das Problem zu lösen, also die versteckte Struktur in den Zahlenreihen zu entdecken, nach einem Schlaf waren sie in der Lage. Sie waren aber nicht dazu in der Lage, wenn sie einfach nur wach blieben. Und das ist ein deutliches Zeichen dafür, dass der Schlaf tatsächlich zu einer veränderten Problemsicht führt. "

    Im Tiefschlaf konnte das Gehirn die Zahlen nicht nur abspeichern, sondern auch genauer als im Wachzustand vergleichen und so das Problem lösen. Dieser Befund untermauert Anekdoten wie die von Friedrich Kekule, dem die ringförmige chemische Struktur des Benzols nachts als Schlange erschien, die sich in den Schwanz beißt. Allerdings würde man aus heutiger Sicht vermuten, dass ihm diese Erkenntnis nicht im Traum, sondern im Tiefschlaf kam. Der ist eben weit mehr als nur ein Ruhezustand des Gehirns, sondern im Gegenteil ein unabdingbarer Teil der geistigen Maschinerie. Und den sollte man sich nach Meinung von Jan Born gezielt zunutze machen.

    "Es ist natürlich klar, dass morgens die Kinder wacher sind und bereiter sind Dinge aufzunehmen. Wenn es aber um das Behalten geht, wäre es schön, noch mal das, was man morgens frisch gelernt hat, abends zu wiederholen, zum Beispiel die Vokabeln noch mal kurz durchzulesen, sich zu vergegenwärtigen, das fördert tatsächlich den Vorgang, dass die Information auch in diesen Schlaf assoziierten Gedächtnisprozess Eingang findet."

    Mit einer guten Portion Tiefschlaf klappt die Prüfung in der Schule am nächsten Morgen messbar besser und in den Winterferien hilft ein guter Schlaf voller Träume, den Berg mit eleganteren Skischwüngen hinab zu kommen.