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Deutsch-Israelische Gesellschaft
Volker Beck: Geplante Justizreform stellt Gewaltenteilung in Israel infrage

Der Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, Beck, äußert sich besorgt über das Programm der neuen rechts-religiösen Regierung in Israel - insbesondere was die Gewaltenteilung angeht. Der Israel-Experte Peter Lintl kritisiert, die Likud-Partei von Ministerpräsident Netanjahu sei "populistisch und illiberal" geworden.

30.12.2022
    Der Grünen-Politiker Volker Beck
    Volker Beck, Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft und ehemaliger Grünen-Abgeordneter im Bundestag (Imago/ IPON)
    DIG-Präsident Beck sagte im Deutschlandfunk, seine größte Sorge seien die Pläne für ein neues Gesetz, mit dem eine Mehrheit im israelischen Parlament Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes aushebeln könnte. Damit werde die strikte Gewaltenteilung infrage gestellt.
    Zu den Befürchtungen über Gesetzesänderungen zulasten von Schwulen, Lesben und Transgender sagte Beck, er setze darauf, dass das staatliche Establishment sowie die Zivilgesellschaft Dinge verhinderten, die durch die Rhetorik der rechts-religiösen Koalition nahegelegt würden. Die Zivilgesellschaft in Israel sei sehr lebendig, das habe sich auch in den vergangenen Tagen gezeigt.
    Das ganze Interview mit Volker Beck können Sie hier nachlesen.

    "Likud ist populistisch und illiberal geworden"

    Aus Sicht des Israel-Experten Peter Lintl von der Stiftung Wissenschaft und Politik hat die neue israelische Regierung "eine andere Qualität als alle Regierungen, die wir vorher gesehen haben". Dies habe nicht nur damit zu tun, dass in dem Bündnis eine moderierende Partei fehle und eine rechtsradikale relativ stark vertreten sei, sagte Lintl im Deutschlandfunk. Vielmehr liege es auch an der Entwicklung der Likud-Partei Netanjahus.
    Der Likud sei heute nicht mehr die Kraft, wie man sie in den 2000er-Jahren kannte, sondern eine "populistische, illiberale Partei", betonte der Experte. Dieser Wandlung habe sich auch Netanjahu angeschlossen.

    Furcht vor Aushöhlung der Demokratie

    Laut Nahost-Korrespondent Julio Segador machen vielen Menschen aus der Mitte der Gesellschaft die Gesetzesvorhaben der Regierung, aber auch die Personen, die nun im Amt und Würden sind, regelrecht Angst. Bei den Gesetzen sei dies vor allem die angekündigte Justizreform. Hier hätten viele "bis hinauf zum Staatspräsidenten" das Gefühl, dass möglicherweise die Demokratie ausgehöhlt werden solle.
    Was die Personen angehe, gebe es vor allem Befürchtungen beim neuen Minister für nationale Sicherheit, Itamar Ben-Gvir. Dieser sein ein ausgewiesener Rassist und Extremist, der mehrmals rechtskräftig verurteilt worden sei, unter anderem wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung.

    Die Lage könnte "richtig brenzlig" werden

    Der Korrespondent befürchtet zudem, dass es unter der neuen Regierung im Hinblick auf die Palästinensergebiete "richtig brenzlig" werden könnte. In den Leitlinien der Koalitionsvereinbarung stehe ganz oben, dass der Siedlungsbau ausgeweitet werden solle. Das heiße konkret, dass Siedlungen, die nach dem Völkerrecht illegal im Westjordanland gebaut worden seien, für legal erklärt und neue Siedlungen gebaut werden sollten. "Und das ist ein Punkt, der hier natürlich vor allem die Palästinenser auf die Palme bringt", so Segador. Eine derartige Politik lasse eine Zunahme der Gewalt und einen weiteren Stillstand des Friedensprozesses im Nahen Osten erwarten.
    Gestern wurde die Regierung unter Ministerpräsident Netanjahu vereidigt. Es ist die am weitesten rechts stehende Koalition, die Israel je hatte. Erstmals sind auch rechtsextreme Politiker im Kabinett vertreten.

    Weiterführende Links

    Israel - Rechts-religiöse Regierung wird vereidigt
    Diese Nachricht wurde am 30.12.2022 im Programm Deutschlandfunk gesendet.