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Volksabstimmung über schnelle Abschiebungen
Schweizer lehnen Verschärfung des Ausländergesetzes ab

Die Schweizer haben die Einführung eines der europaweit schärfsten Gesetze gegen straffällig gewordene Ausländer abgelehnt. Laut vorläufigem Ergebnis betrug die Zustimmung nur 41 Prozent. Die rechtspopulistische Schweizerische Volkspartei (SVP) wollte erreichen, dass Ausländer auch nach Bagatelldelikten automatisch in ihre Heimatländer ausgewiesen werden können.

28.02.2016
    Die Schweiz stimmt mehrheitlich gegen die "Durchsetzungsinitiative"
    Die Schweiz stimmt mehrheitlich gegen die "Durchsetzungsinitiative" (dpa / picture-alliance / Ennio Leanza)
    Dem vorläufigen Ergebnis zufolge stimmten 59 Prozent mit Nein, 41 Prozent befürworteten die sogenannte Anti-Ausländer-Initiative der rechtspopulistischen Schweizerischen Volkspartei (SVP). Demnach hätten kriminelle Ausländer künftig ohne Einzelfallprüfung durch einen Richter abgeschoben werden können. Die Wahlbeteiligung erreichte mit 63 Prozent den vierthöchsten Wert bei in der Schweiz häufigen Volksbefragungen.
    Grünen-Abgeordnete: "Ein ermutigendes Signal"
    Amnesty International Schweiz zeigte sich am Sonntag erleichtert über die Ablehnung. Der "Frontalangriff" auf den Rechtsstaat und die Menschenrechte sei dank einer überaus breiten Mobilisierung abgewehrt worden, hieß es in einer Stellungnahme. Jetzt gelte es, weitere derartige Initiativen zu verhindern. "Wir haben genug von der Angstmacherei der SVP", sagte Flavia Kleiner von der Plattform "Nein zur Durchsetzungsinitiative".
    Auch deutsche Politiker begrüßten das Ergebnis. "Schweizer zeigen eindrucksvoll, dass es eben zwischen Stammtischparolen und Volkes Meinung einen Unterschied gibt", schrieb Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) auf Twitter. Die Grünen-Abgeordnete Franziska Brantner sagte, die Ablehnung sei ein "ermutigendes Signal in Zeiten zunehmender ausländerfeindlicher Kampagnen in ganz Europa". Die Schweiz habe sich zur Aufrechterhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien bekannt. Dies zeige, dass es möglich sei, "den Vereinfachern, Populisten und geistigen Brandstiftern Einhalt zu gebieten".
    Alle anderen Parteien nennen die Initiative unverhältnismäßig
    Die sogenannte Durchsetzungsinitiative der SVP sollte eine bereits angenommene "Ausschaffungsinitiative" zur Abschiebung krimineller Ausländer noch verschärfen. Die Praxis sollte zwingend für schwere Delikte wie Mord oder Einbruch gelten. Doch auch schon die Beteiligung an einer Schlägerei sollte eine automatische Ausweisung nach sich ziehen, sofern der Delinquent in den zehn Jahren zuvor zu einer Geld- oder Haftstrafe verurteilt worden war. Regierung, Parlament und die Parteien links der SVP lehnten den Vorstoß als unverhältnismäßig ab.
    Die Regierung warnte, dass bei einer Annahme der Initiative die zwei Millionen Ausländer unter den mehr als acht Millionen Einwohnern der Schweiz zu Menschen zweiter Klasse gemacht würden. Auch Einwanderer der zweiten und dritten Generation wären von solchen Gesetzen betroffen gewesen. Zudem befürchtete das Kabinett eine Verschlechterung der Beziehungen zur EU.
    Weitere Abstimmungen zu Nahrungsmittelspekulationen und Tunnelbau
    Darüber hinaus votierten die Eidgenossen über ein Verbot von Spekulationsgeschäften mit Nahrungsmitteln sowie über den Bau einer zweiten Röhre für den Gotthard-Straßentunnel. Bei den Spekulationen zeichnete sich keine Zustimmung für ein Verbot ab, die Pläne für den Tunnel dürften dagegen wohl durchkommen.
    Auch die sogenannte "Heiratsstrafe"-Initiative stand zur Abstimmung. Sie fordert, dass die Ehe gegenüber anderen Lebensformen nicht benachteiligt werden darf, besonders nicht bei Steuern und Sozialversicherungen. Hier zeichnete sich zunächst kein Trend ab.
    (nch/tzi)