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Volkskrankheit Diabetes

Medizin. - Im Jahr 2030 wird mehr als jeder Dritte in Deutschland zuckerkrank sein, wenn der Trend so weiter geht wie bisher. Dabei ist Diabetes weitgehend vermeidbar. Neue Methoden der Früherkennung zeigen, wer besonders gefährdet ist. Eine zentrale Rolle spielt dabei die Leber. Auf der Konferenz der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsforschung, die gerade in Halle zu Ende geht, waren diese Indikatoren ein Thema.

Von William Vorsatz |
    Immer dicker und zunehmend älter wird die Bevölkerung. Das bedeutet: mehr und mehr Zuckerkranke. Professor Hans Hauner von der Technischen Universität München:

    "Wir gehen davon aus, dass es derzeit in Deutschland etwa 6,5 Millionen bekannte Diabetiker gibt, davon sind rund 6 Millionen Typ-II-Diabetiker, und wir müssen davon ausgehen, dass die Zahl der Menschen mit Diabetes in Deutschland weiter wächst, und zwar um etwa vier bis fünf Prozent pro Jahr, und dann kann man grob hochrechnen."

    Wenn der Trend ungebremst so weiter geht, wird im Jahr 2030 mindestens jeder Dritte zuckerkrank sein. Vor allem wegen falscher Ernährung: zu viel, fettreich, vor allem zu viele gesättigte Fette. Und die schlagen auf die Leber. Professor Michael Müller von der von der Wageningen Universiteit in den Niederlanden sucht nach frühen Indikatoren für Diabetes. Schon lange vor der Krankheit kommt es zu ersten Veränderungen im Körper. Müllers Team experimentiert mit Mäusen, um die Mechanismen besser zu verstehen:

    "Das sind also Mäuse, die in vier Monaten Diabetes entwickeln, das sind sensitive Mäuse, normale Mäuse kriegt man sehr schwer so dick, und da haben wir auch in den Zwischenzeiten geschaut. Und man sieht sehr schön eigentlich, dass das ganze System eigentlich erst nach ein paar Monaten insulinresistent ist, also Diabetes hat, aber dass man bei der Leber schon nach einer Woche insulinresistent ist."

    Die Leber entwickelt also schon sehr früh Diabetessymptome, das heißt, sie produziert zuviel Zucker. In grauer Vorzeit war das durchaus sinnvoll. Wenn es mal ein paar Tage lang keine Nahrung gab, hat die Leber trotzdem genügend Energie bereitgestellt, um die Körperfunktionen aufrecht zu erhallten. Mit dem ständigen Nahrungs-Überangebot kann sie jedoch nicht umgehen. Sie überschwemmt den Körper mit Zucker. Und überfordert damit auf die Dauer die Bauchspeicheldrüse, die ständig zu viel Insulin produzieren muss, um den Zucker abzubauen. Bis die Bauchspeicheldrüse kapituliert, verstreicht jedoch wertvolle Zeit, in der die Krankheit noch zu verhindern wäre. Diabetes wird fast immer erst entdeckt, wenn es schon zu spät ist. Also geht es darum, die ersten Anzeichen zu erkennen. Beispielsweise mit einem Glukosetoleranztest. Müller:

    "Dass heißt, man gibt, sagen wir, 50 oder 75 Gramm Glukose, also Traubenzucker, als Lösung, und schaut, wie schnell ist die Blutzuckerkonzentration wieder auf dem Normalwert. Und beim gesunden Menschen ist das in zwei Stunden und beim kranken nicht, oder es dauert viel länger. Also man setzt das System unter Druck, und schaut dann also, wie ist es in der Lage, damit umzugehen."

    Bildgebende Verfahren helfen, die Leber anzuschauen und einzuschätzen, ob sie schon verfettet ist. Früher war eine Fettleber vor allem unter Alkoholikern verbreitet. Heute leiden auch immer mehr Übergewichtige darunter. Auch ohne die Tests lässt sich das Risiko, an Diabetes zu erkranken, minimieren. Das zeigt zum Beispiel eine Studie mit 600 Finnen, die bereits eine Vorstufe von Diabetes entwickelt hatten. Ernährungswissenschaftler Hans Hauner:

    "Dann hat man die eine Hälfte in ein Interventionsprogramm eingeschleust, mit gesundem Lebensstil, mehr Bewegung, und gesunder Ernährung, und die andere Hälfte wurde nur beobachtet und diente als Kontrollgruppe, und da hat sich gezeigt, dass diese Maßnahmen die Diabetesrate um 60 Prozent gesenkt haben, also ein gewaltiger Effekt."

    Aktuelle Nachuntersuchungen machen außerdem deutlich: Viele der Teilnehmer haben den veränderten Lebensstil auch nach Ablauf der Studie freiwillig beibehalten.