"Plebejer! Patrizier! Narrenvolk, wühlend im eigenen Fleisch!" - das ruft der Doge von Genua, Simon Boccanegra, seinen Landsleuten entgegen. Bürgerkrieg im Stadtstaat. Adel gegen Volk, Volk gegen Adel. Aber auch die italienischen Stadtstaaten und Fürstentümer befehden sich untereinander. Das Vaterland im Selbstzerfleischungsprozess. Politische Turbulenzen im späten Mittelalter, um 1340, als in Genua die Fiescos, Dorias, Adornos und Grimaldis sich vom gemeinen Volk einen Bürgerlichen, den Korsaren Simon Boccanegra als Herrscher vor die Nase setzen lassen mussten.
Für Giuseppe Verdi waren die historischen Ereignisse Metapher für die schmerzvolle Einigungsbewegung im zersplitterten Italien des 19. Jahrhunderts, seine Oper "Simon Boccanegra" ein Pamphlet für die nationalen Versöhnung.
"Ich weine, weil Liebe, Glück und Ruh euch nie beschieden sind" klagt der Volkstribun, verlässt singend die Bühne am Orchestergraben vorbei Richtung Publikum. Der Regisseur Lorenzo Fioroni hat die Szenerie den Intentionen des Komponisten entsprechend ins späte 19. Jahrhundert mit befrackten bärtigen Herren verlegt. Aber jetzt lässt er mit den Chorsängern das Volk von heute, die neue Unterschicht, das Hartz IV-Proletariat die Bühne stürmen, und Simon beschwört in der ersten Parkettreihe das Publikum:
"Frieden rufe ich euch zu! Liebe rufe ich euch zu!" Das ist eigentlich keine schlechte Idee, die auch schon Michael Haneke in seiner Don Giovanni-Inszenierung an der Pariser Oper Garnier kürzlich hatte, außerdem ein alter Bert Brecht-Effekt. Aber bei Lorenzo Fioroni ist diese Aktualisierung ästhetisch überhaupt nicht motiviert. Die wenigen Zeichen der Gegenwart im 19. Jahrhundert-Ambiente bleiben während des ganzen Abends aufgesetzte Elemente.
Außerdem hat er die Handlung nicht in die Villen der Gründerzeit verlegt, sondern auf die Bahnhöfe und in die Abteils der Dampflokomotivenzeit, was dem Libretto ständig widerspricht. Damit das Fin-de-Siècle aber nicht zu realistisch wirkt, lässt er mal einen Walt Disney-Zeichentrickfilm projizieren, den sich Simon im TV anschaut, oder auf dem Lokomotivkessel den Heizer eine menschengroßen Brautpuppe vergewaltigen, weil es in der Oper ja neben der politischen auch um eine Liebes-Geschichte geht.
Nimmt man die Personenführung hinzu, muss man von einer durch und durch dilettantischen Inszenierung sprechen, die einen abgestandenen stilistischen Ramschladen präsentiert. Gegen deren ästhetischen Abwärtssog kommen Sänger, Chor und Orchester nur unter großen Mühen an. Roberto Scandiuzzi in der Rolle von Boccanegras Gegenspieler Fiesco singt einen volltönenden Bass, Tamar Iveri aus Georgien gib den Sopran von Boccanegras Tochter Maria mit lyrischer Hingabe. Und der kanadische Dirigent Yves Abel zeigte, zu welch feinen und vitalen Klängen das Orchester der Deutschen Oper in der Lage ist - ein Verdi- und Wagnerklangkörper der Spitzenklasse, wenn es nicht gegen eine unsinnige Regie ankämpfen muss.
So steht es in diesen Tagen nicht gut um die Deutsche Oper. Letzte Woche die Drohung zu einem Stagione-Betrieb abgewickelt zu werden, zuvor die unglückliche Wahl und Inszenierung der Franchetti-Oper "Germania" von Intendantin Kirsten Harms. Und davor die hilflose Absetzung von Mozarts Oper "Idomeneo" aus Angst vor einer islamistischen Bedrohung. Da kann Kirsten Harms noch froh sein, dass gestern Abend das Publikum sich lautstark zur musikalischen Leistung ihrer Leute bekannte.
Für Giuseppe Verdi waren die historischen Ereignisse Metapher für die schmerzvolle Einigungsbewegung im zersplitterten Italien des 19. Jahrhunderts, seine Oper "Simon Boccanegra" ein Pamphlet für die nationalen Versöhnung.
"Ich weine, weil Liebe, Glück und Ruh euch nie beschieden sind" klagt der Volkstribun, verlässt singend die Bühne am Orchestergraben vorbei Richtung Publikum. Der Regisseur Lorenzo Fioroni hat die Szenerie den Intentionen des Komponisten entsprechend ins späte 19. Jahrhundert mit befrackten bärtigen Herren verlegt. Aber jetzt lässt er mit den Chorsängern das Volk von heute, die neue Unterschicht, das Hartz IV-Proletariat die Bühne stürmen, und Simon beschwört in der ersten Parkettreihe das Publikum:
"Frieden rufe ich euch zu! Liebe rufe ich euch zu!" Das ist eigentlich keine schlechte Idee, die auch schon Michael Haneke in seiner Don Giovanni-Inszenierung an der Pariser Oper Garnier kürzlich hatte, außerdem ein alter Bert Brecht-Effekt. Aber bei Lorenzo Fioroni ist diese Aktualisierung ästhetisch überhaupt nicht motiviert. Die wenigen Zeichen der Gegenwart im 19. Jahrhundert-Ambiente bleiben während des ganzen Abends aufgesetzte Elemente.
Außerdem hat er die Handlung nicht in die Villen der Gründerzeit verlegt, sondern auf die Bahnhöfe und in die Abteils der Dampflokomotivenzeit, was dem Libretto ständig widerspricht. Damit das Fin-de-Siècle aber nicht zu realistisch wirkt, lässt er mal einen Walt Disney-Zeichentrickfilm projizieren, den sich Simon im TV anschaut, oder auf dem Lokomotivkessel den Heizer eine menschengroßen Brautpuppe vergewaltigen, weil es in der Oper ja neben der politischen auch um eine Liebes-Geschichte geht.
Nimmt man die Personenführung hinzu, muss man von einer durch und durch dilettantischen Inszenierung sprechen, die einen abgestandenen stilistischen Ramschladen präsentiert. Gegen deren ästhetischen Abwärtssog kommen Sänger, Chor und Orchester nur unter großen Mühen an. Roberto Scandiuzzi in der Rolle von Boccanegras Gegenspieler Fiesco singt einen volltönenden Bass, Tamar Iveri aus Georgien gib den Sopran von Boccanegras Tochter Maria mit lyrischer Hingabe. Und der kanadische Dirigent Yves Abel zeigte, zu welch feinen und vitalen Klängen das Orchester der Deutschen Oper in der Lage ist - ein Verdi- und Wagnerklangkörper der Spitzenklasse, wenn es nicht gegen eine unsinnige Regie ankämpfen muss.
So steht es in diesen Tagen nicht gut um die Deutsche Oper. Letzte Woche die Drohung zu einem Stagione-Betrieb abgewickelt zu werden, zuvor die unglückliche Wahl und Inszenierung der Franchetti-Oper "Germania" von Intendantin Kirsten Harms. Und davor die hilflose Absetzung von Mozarts Oper "Idomeneo" aus Angst vor einer islamistischen Bedrohung. Da kann Kirsten Harms noch froh sein, dass gestern Abend das Publikum sich lautstark zur musikalischen Leistung ihrer Leute bekannte.