Schon das Label grenzt an Selbstsuggestion: "Stuttgart 21". Das unterstellt ja, die baden-württembergische Landeshauptstadt wäre hoffnungslos abgehängt von jeder Zukunftsentwicklung im 21.Jahrhundert, würde nicht jenes Projekt verwirklicht, das sich einst, 1993, die Herren Rommel, Dürr, Wissmann und Teufel ausgedacht haben, damals Stuttgarter OB, Bahn-Chef, Bundesverkehrsminister und Ministerpräsident.
Es sind verblichene Namen mit abgelaufener Legitimation, und sie werden noch verblichener sein, wenn 2019 (!) der Stuttgarter Hauptbahnhof um 180 Grad gedreht und unter die Erde verlegt sein wird. Auf einer Strecke von etwa 60 Kilometern wird man dann die Stadt untertunnelt haben, von Feuerbach oben bis herunter in den Stuttgarter Talkessel und dann wieder hoch nach Echterdingen zum Flughafen, damit aus einem Sackbahnhof ein Durchgangsbahnhof wird und die Geschäftsreisenden ein halbes Stündchen schneller von Frankfurt nach München kommen. Der für Stuttgart viel wichtigere Regionalverkehr dagegen wird durch die neue Streckenführung gravierend benachteiligt.
Das größenwahnsinnige Projekt ist ein Musterbeispiel dafür, wie Vorgaben von oben sich als angebliche Sachzwänge verselbständigen, obwohl das Volk das Ganze ersichtlich nicht will. 67tausend Unterschriften haben die Stuttgarter für einen Bürgerentscheid gegen "Stuttgart 21" gesammelt, der vom Regierungspräsidium dann mit windiger Juristerei ausgehebelt wurde; der Stuttgarter OB Schuster, der seinem Kontrahenten Boris Palmer einen Bürgerentscheid in die Hand versprochen hatte, behauptet nunmehr, die Stadt sei für diese Fragen gar nicht zuständig, federführend sei ja die Deutsche Bahn. Aber seit wann darf die Bahn ganze Stadtlandschaften umpflügen, ohne die Kommunen um Erlaubnis zu fragen?
Das 5 Milliarden Euro schwere Projekt wird verwirklicht werden, weil es einfach immer weiter getrieben wurde, weil es Finanzierungs-Vorvereinbarungen gibt, einen auf Bund, Land und Bahn verteilten Risiko-Topf, falls das Geld nicht reicht (und es wird nicht reichen, denn was können wir schon über die Finanzlage im Jahr 2019 sagen ... ?), weil der schwache Ministerpräsident Oettinger nach seiner Filbinger-Gedenkrede ein Fünkchen Wirtschaftskompetenz andeuten wollte - weil es halt so ist. Die Argumente der Kritiker verhallen irgendwo im Mediendschungel. Der Architekturhistoriker Wolfgang Voigt nennt den geplanten Abriß der (unter Denkmalschutz stehenden) Seitenflügel des Hauptbahnhofs "Fassadismus" - sprich: das Hauptgebäude bleibt nur als funktionslose Fassade stehen, eine "Kathedrale des Verkehrs" werde damit vernichtet. Der an der Uni Stuttgart lehrende Architekt Arno Lederer erinnert sich an Tricksereien im Preisgericht, mit denen die Amputation der Seitenflügel zur Vorgabe gemacht wurde; die Stadt brauche aber geschlossene Plätze. Die Architekturkritikerin Amber Sayah von der Stuttgarter Zeitung hält den städtebaulichen Gewinn durch die Tieferlegung des Bahnhofs für gering; in der Tat wird die Freifläche, die dann entsteht, vor allem der Spekulation die Tore öffnen. Die jetzt schon neben dem Bahnhof bestehende postmoderne Verwaltungsmeile der "Landesbank Baden-Württemberg" ist bereits nachmittags verwaist - pulsierendes städtisches Leben sieht anders aus.
Das in den 1920iger Jahren von dem Architekten Paul Bonatz gebaute riesige Bahnhofsgebäude mit seinem 56 Meter hohen Turm ist bislang Wahrzeichen und Zentrum Stuttgarts. Die klobige, hohe Architektur wirkt zunächst befremdlich, ordnungssüchtig, autoritär und kalt; aber sie strukturiert die urbane Fläche und ist Zeugnis kapitaler Aufbruchsstimmung am Schnittpunkt zwischen Wilhelminismus, Faschismus und Moderne. Ein Denkmal eben. Andere Sackbahnhöfe werden in Permanenz verbessert, renoviert und umgebaut; bestes Beispiel ist die Pariser Gare du Nord, die sich andauernd selber umwälzt - unter Beibehaltung der historischen Ankunftshallen aus dem 19.Jahrhundert. In Stuttgart aber schüttet man das Kind mit dem Bade aus.
Sackbahnhöfe funktionieren wunderbar, in Paris, in London, in Madrid; dort geht es gar nicht anders. Der Stuttgarter Sackbahnhof war einst auch Ausdruck residenzstädtischen Selbstbewußtseins: es war klar, dass hier Anfangs- und Endpunkt der württembergischen Strecken zu sein hatte. Im Turbokapitalismus ist aber schon der Wechsel der Lokomotive zu viel Zeitverlust: Ende November hat der Bundestag die Bundesanteile an der Finanzierung von "Stuttgart 21" beschlossen, am 21.Januar soll die endgültige Finanzierungs-Vereinbarung unterschrieben werden. Ob Stuttgart damit glücklich wird, ist sehr zu bezweifeln.
Es sind verblichene Namen mit abgelaufener Legitimation, und sie werden noch verblichener sein, wenn 2019 (!) der Stuttgarter Hauptbahnhof um 180 Grad gedreht und unter die Erde verlegt sein wird. Auf einer Strecke von etwa 60 Kilometern wird man dann die Stadt untertunnelt haben, von Feuerbach oben bis herunter in den Stuttgarter Talkessel und dann wieder hoch nach Echterdingen zum Flughafen, damit aus einem Sackbahnhof ein Durchgangsbahnhof wird und die Geschäftsreisenden ein halbes Stündchen schneller von Frankfurt nach München kommen. Der für Stuttgart viel wichtigere Regionalverkehr dagegen wird durch die neue Streckenführung gravierend benachteiligt.
Das größenwahnsinnige Projekt ist ein Musterbeispiel dafür, wie Vorgaben von oben sich als angebliche Sachzwänge verselbständigen, obwohl das Volk das Ganze ersichtlich nicht will. 67tausend Unterschriften haben die Stuttgarter für einen Bürgerentscheid gegen "Stuttgart 21" gesammelt, der vom Regierungspräsidium dann mit windiger Juristerei ausgehebelt wurde; der Stuttgarter OB Schuster, der seinem Kontrahenten Boris Palmer einen Bürgerentscheid in die Hand versprochen hatte, behauptet nunmehr, die Stadt sei für diese Fragen gar nicht zuständig, federführend sei ja die Deutsche Bahn. Aber seit wann darf die Bahn ganze Stadtlandschaften umpflügen, ohne die Kommunen um Erlaubnis zu fragen?
Das 5 Milliarden Euro schwere Projekt wird verwirklicht werden, weil es einfach immer weiter getrieben wurde, weil es Finanzierungs-Vorvereinbarungen gibt, einen auf Bund, Land und Bahn verteilten Risiko-Topf, falls das Geld nicht reicht (und es wird nicht reichen, denn was können wir schon über die Finanzlage im Jahr 2019 sagen ... ?), weil der schwache Ministerpräsident Oettinger nach seiner Filbinger-Gedenkrede ein Fünkchen Wirtschaftskompetenz andeuten wollte - weil es halt so ist. Die Argumente der Kritiker verhallen irgendwo im Mediendschungel. Der Architekturhistoriker Wolfgang Voigt nennt den geplanten Abriß der (unter Denkmalschutz stehenden) Seitenflügel des Hauptbahnhofs "Fassadismus" - sprich: das Hauptgebäude bleibt nur als funktionslose Fassade stehen, eine "Kathedrale des Verkehrs" werde damit vernichtet. Der an der Uni Stuttgart lehrende Architekt Arno Lederer erinnert sich an Tricksereien im Preisgericht, mit denen die Amputation der Seitenflügel zur Vorgabe gemacht wurde; die Stadt brauche aber geschlossene Plätze. Die Architekturkritikerin Amber Sayah von der Stuttgarter Zeitung hält den städtebaulichen Gewinn durch die Tieferlegung des Bahnhofs für gering; in der Tat wird die Freifläche, die dann entsteht, vor allem der Spekulation die Tore öffnen. Die jetzt schon neben dem Bahnhof bestehende postmoderne Verwaltungsmeile der "Landesbank Baden-Württemberg" ist bereits nachmittags verwaist - pulsierendes städtisches Leben sieht anders aus.
Das in den 1920iger Jahren von dem Architekten Paul Bonatz gebaute riesige Bahnhofsgebäude mit seinem 56 Meter hohen Turm ist bislang Wahrzeichen und Zentrum Stuttgarts. Die klobige, hohe Architektur wirkt zunächst befremdlich, ordnungssüchtig, autoritär und kalt; aber sie strukturiert die urbane Fläche und ist Zeugnis kapitaler Aufbruchsstimmung am Schnittpunkt zwischen Wilhelminismus, Faschismus und Moderne. Ein Denkmal eben. Andere Sackbahnhöfe werden in Permanenz verbessert, renoviert und umgebaut; bestes Beispiel ist die Pariser Gare du Nord, die sich andauernd selber umwälzt - unter Beibehaltung der historischen Ankunftshallen aus dem 19.Jahrhundert. In Stuttgart aber schüttet man das Kind mit dem Bade aus.
Sackbahnhöfe funktionieren wunderbar, in Paris, in London, in Madrid; dort geht es gar nicht anders. Der Stuttgarter Sackbahnhof war einst auch Ausdruck residenzstädtischen Selbstbewußtseins: es war klar, dass hier Anfangs- und Endpunkt der württembergischen Strecken zu sein hatte. Im Turbokapitalismus ist aber schon der Wechsel der Lokomotive zu viel Zeitverlust: Ende November hat der Bundestag die Bundesanteile an der Finanzierung von "Stuttgart 21" beschlossen, am 21.Januar soll die endgültige Finanzierungs-Vereinbarung unterschrieben werden. Ob Stuttgart damit glücklich wird, ist sehr zu bezweifeln.