Für Michelangelo war die Zeichnung das Medium, das alle anderen miteinander verband. Zeit seines Lebens zeichnete er, fast obsessiv, mit Kreide, Feder, Blei. Im Mittelpunkt stand für ihn der menschliche Körper, vor allem der männliche Akt - in Bewegung, kämpfend, sich windend; Körper voller Anstrengung, fallend. Seltener andere Motive - eine Heuschrecke, ein sich aufbäumendes Pferd, der Kopf einer jungen Frau. Und nur ein namentlich bekanntes Porträt - sein junger Schüler und möglicherweise Liebhaber Andrea Quaratesi.
Oft wird Michelangelos etwas abschätzige Einstellung zur Malerei zitiert. Nach Bildhauerei, Architektur und Poesie kam sie für ihn erst auf Platz vier der künstlerischen Rangordnung. Schwer zu verstehen bei dem Künstler, der beinahe eigenhändig die Fresken der Sixtinischen Kapelle in Rom schuf. Und doch: seine Zeichnungen streben immer nach der Dritten Dimension. Der Zeichner geht mit seinem Stift um die Figur herum, auf der Suche nach den 360 Grad. Daher rühren auch die oft fantastischen Posen - Drehungen, Streckungen, Dehnungen. Etwa die des Adam in der "Schöpfung” der Kappelle im Petersdom: unmöglich, sie nachzustellen. Doch Michelangelos tiefe Kenntnis der menschlichen Anatomie ermöglicht es ihm, die Haltung überzeugend darzustellen.
Eine der kleinsten Zeichnungen der Schau enthält eine Studie für sein Wahrzeichen: die Hand Gottes, von der aus der Leben spendende Funke auf Adams Finger überspringt. Für diese Hand, nur wenige Zentimeter groß, muss er eine lebendige Vorlage gehabt haben, vielleicht die eigene Hand. Doch wie immer bei ihm denkt man nur eine Sekunde lang an einen wirklichen Menschen - sofort wird aus Realität eine Idee.
An diesem Blatt lässt sich auch gut studieren, wie der als geizig verschriene Künstler meist arbeitete: Papier war im 16. Jahrhundert ein recht teures Material, also drehte und wendete er das Blatt, um so viel wie möglich darauf unterbringen zu können - neben die Hand zeichnete er einen Oberarm, eine Rückenansicht und zwei sich drehende Körper. Auch benutzte er viele Blätter beidseitig und überzeichnete solche, auf die er Verse geschrieben hatte - er war ja auch Dichter.
Bei all seiner technischen Virtuosität ist aber selbst der große Meister nicht fehlerlos. So gab er einem sitzenden Jüngling, auf einem eindeutig ihm zuzuschreibenden Blatt, einen völlig schief angesetzten Unterleib. Was hatte er sich wohl dabei gedacht?
Einer seiner Schüler beschrieb, wie der fast 90-Jährige, kurz vor seinem Tod, stundenlang barfuß stehend mit größter Konzentration zeichnete, bis er ohnmächtig wurde. Die letzten drei, in einer gesonderten Sektion gezeigten Kreidezeichnungen, immer und immer wieder überarbeitet, zeigen den Tod Christi am Kreuz. Sie sind von einer solchen Intimität, fast wie gemurmelte Gebete, dass man sich fragt, warum Michelangelo sie nicht verbrannte. Denn in seinen letzten Lebensmonaten vernichtete er die meisten seiner Zeichnungen. Man sagt, er wollte nicht preisgeben, wieviel Vorarbeit für seine Kunst nötig war. Doch das ist nicht, was die Blätter in dieser Schau aussagen. Ihre aussergewöhnliche Kraft und ihre gedankliche Klarheit machen es wahrscheinlicher, dass er verhindern wollte, dass, wie das früher oft geschah, Konkurrenten seine Ideen kopierten. Wie gut, dass die hier gezeigten Arbeiten nicht auch den Flammen zum Opfer fielen.
Sehr schön in der Schau auch die Computerbildschirme im Zentrum des Raums. Hier nicht technischer Firlefanz - sondern man kann mit den Zeichnungen intelligent und gewinnbringend spielen. Man berührt etwa mit dem Finger die verschiedenen Elemente der Vorzeichnung zu "Gott und die ihn umgebenden Engel” - hier ein Torso oder Kopf, dort ein Arm oder Bein. Und diese schweben nacheinander über den Schirm, vereinen sich zu einer Figur, die dann an die richtige Stelle auf der Decke der Sixtinischen Kappelle fliegt.
Oft wird Michelangelos etwas abschätzige Einstellung zur Malerei zitiert. Nach Bildhauerei, Architektur und Poesie kam sie für ihn erst auf Platz vier der künstlerischen Rangordnung. Schwer zu verstehen bei dem Künstler, der beinahe eigenhändig die Fresken der Sixtinischen Kapelle in Rom schuf. Und doch: seine Zeichnungen streben immer nach der Dritten Dimension. Der Zeichner geht mit seinem Stift um die Figur herum, auf der Suche nach den 360 Grad. Daher rühren auch die oft fantastischen Posen - Drehungen, Streckungen, Dehnungen. Etwa die des Adam in der "Schöpfung” der Kappelle im Petersdom: unmöglich, sie nachzustellen. Doch Michelangelos tiefe Kenntnis der menschlichen Anatomie ermöglicht es ihm, die Haltung überzeugend darzustellen.
Eine der kleinsten Zeichnungen der Schau enthält eine Studie für sein Wahrzeichen: die Hand Gottes, von der aus der Leben spendende Funke auf Adams Finger überspringt. Für diese Hand, nur wenige Zentimeter groß, muss er eine lebendige Vorlage gehabt haben, vielleicht die eigene Hand. Doch wie immer bei ihm denkt man nur eine Sekunde lang an einen wirklichen Menschen - sofort wird aus Realität eine Idee.
An diesem Blatt lässt sich auch gut studieren, wie der als geizig verschriene Künstler meist arbeitete: Papier war im 16. Jahrhundert ein recht teures Material, also drehte und wendete er das Blatt, um so viel wie möglich darauf unterbringen zu können - neben die Hand zeichnete er einen Oberarm, eine Rückenansicht und zwei sich drehende Körper. Auch benutzte er viele Blätter beidseitig und überzeichnete solche, auf die er Verse geschrieben hatte - er war ja auch Dichter.
Bei all seiner technischen Virtuosität ist aber selbst der große Meister nicht fehlerlos. So gab er einem sitzenden Jüngling, auf einem eindeutig ihm zuzuschreibenden Blatt, einen völlig schief angesetzten Unterleib. Was hatte er sich wohl dabei gedacht?
Einer seiner Schüler beschrieb, wie der fast 90-Jährige, kurz vor seinem Tod, stundenlang barfuß stehend mit größter Konzentration zeichnete, bis er ohnmächtig wurde. Die letzten drei, in einer gesonderten Sektion gezeigten Kreidezeichnungen, immer und immer wieder überarbeitet, zeigen den Tod Christi am Kreuz. Sie sind von einer solchen Intimität, fast wie gemurmelte Gebete, dass man sich fragt, warum Michelangelo sie nicht verbrannte. Denn in seinen letzten Lebensmonaten vernichtete er die meisten seiner Zeichnungen. Man sagt, er wollte nicht preisgeben, wieviel Vorarbeit für seine Kunst nötig war. Doch das ist nicht, was die Blätter in dieser Schau aussagen. Ihre aussergewöhnliche Kraft und ihre gedankliche Klarheit machen es wahrscheinlicher, dass er verhindern wollte, dass, wie das früher oft geschah, Konkurrenten seine Ideen kopierten. Wie gut, dass die hier gezeigten Arbeiten nicht auch den Flammen zum Opfer fielen.
Sehr schön in der Schau auch die Computerbildschirme im Zentrum des Raums. Hier nicht technischer Firlefanz - sondern man kann mit den Zeichnungen intelligent und gewinnbringend spielen. Man berührt etwa mit dem Finger die verschiedenen Elemente der Vorzeichnung zu "Gott und die ihn umgebenden Engel” - hier ein Torso oder Kopf, dort ein Arm oder Bein. Und diese schweben nacheinander über den Schirm, vereinen sich zu einer Figur, die dann an die richtige Stelle auf der Decke der Sixtinischen Kappelle fliegt.