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Vom Airbus ins Auto

Technik. - Mobilität ist ein entscheidender Faktor für Lebensqualität: Wer reisen kann, hat mehr Möglichkeiten, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Ausgefeilte Technik gewährleistet, dass auch behinderte Menschen manche Einschränkung ausgleichen können. Die Fachmesse Rehacare zeigt dazu viele Beispiele, darunter etwa PKW mit Joysticksteuerung.

Von Mirko Smiljanic |
    Auf den ersten Blick sieht der Innenraum des Wagens normal aus. Ein Lenkrad, ein paar Knöpfe und Schalter, selbst das Autoradio fehlt nicht. Bei genauem Hinsehen fallen dann doch ein paar Besonderheiten auf. Ein kleines neben dem Sitz angebrachtes Rad, ein Joystick und aus der Fahrertür ragt ein Schieber.

    "So, wir sind hier im Paravan-Fahrschul- und Prüfwagen. Der Wagen hat die Besonderheit, dass er mit dem so genannten Spacedrive-System ausgestattet ist. Dabei handelt es sich um eine elektronisch-digitale Lenk- und Fahrhilfe, das bedeutet, wir können den Wagen über Joystick, Minilenkrad oder den Gas-Brems-Schieber bewegen,..."

    …sagt Tobias Schönleber von der Firma Paravan im süddeutschen Pfronstetten-Aichelau. Bevor der behinderte Fahrer respektive Fahrerin den Wagen per Computer steuert, muss er oder sie natürlich zunächst einsteigen. Dafür müssen Behinderte den Rollstuhl nicht mehr verlassen. Der Wagen ist ausgestattet…

    "…mit einer Heberampe und hat hinten noch eine Auffahrrampe, die zum Fahrzeugende rausragt. Ferner gibt es die Möglichkeit, den Fahrschüler hinter das Lenkrad fahren zu lassen und der wird dort automatisch arretiert."

    Sitzt der Behinderte in seinem Rollstuhl vor dem Lenkrad, kann er losfahren. Natürlich startet er den Motor nicht mit einem schlichten Schlüssel, sondern mit einer Tastenkombination.

    "Nachdem der Motor gestartet ist, fährt das System hoch, es wird hoch gebootet, wir hören jetzt die Testversion, einen Signalton, wir hören jetzt hier den Gas-Brems-Schieber, da kann ich Gas geben oder lenken."

    Nach hinten geschoben, beschleunigt der Wagen, nach vorne gedrückt bremst er ab. Mit der rechten Hand lässt sich der Wagen lenken, indem der Behinderte an einem kleinen Rad dreht.

    "Da wird jetzt hier über ein Minilenkrad die Lenksäule angesteuert, wir haben unterhalb des Lenkrads an der Lenksäule einen Lenkmotor adaptiert,…"

    …der den Wagen wie von Geisterhand steuert. Empfindlichkeit und Verzögerungszeiten lassen sich in den beiden Zentralrechnern individuell einstellen, so dass unbeabsichtigte Bewegungen nicht gleich zum Unfall führen. Trickreich ist zudem, dass die Software alle Fahrparameter auf Plausibilität überprüft. Befehle, die mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Unfall zur Folge haben, werden nicht ausgeführt. Eine Philosophie übrigens aus der Luft- und Raumfahrt.

    "Es ist ähnlich wie beim Airbus, nur dass wir kürzere Lieferzeiten haben,…"

    …die aber trotzdem noch lang genug sind. Hard- und Software müssen für jeden Behinderten individuell angepasst werden – inklusive eines Fahrtrainings mit anschließender Prüfung. Grundsätzlich lässt sich jeder PKW umbauen, möchte der Behinderte vom Rollstuhl aus den Wagen lenken, muss der Wagen aber entsprechend groß sein. Zukünftig, vielleicht in zehn Jahren, sagt Tobias Schönleber, stehen Behinderten übrigens noch bessere Techniken zur Verfügung.

    "Der nächste Schritt ist, dass der Joystick dieses E-Rollstuhls sich mit dem Fahrzeug kurzschließt und wir dann den Fahrer in seinem Rollstuhl haben, er kann mit dem gewohnten Joystick sowohl seinen Rollstuhl bedienen als auch, sobald er im Fahrzeug drin sitzt, über denselben Rollstuhl das Fahrzeug bedienen. Der nächste Schritt ist dann, aber das ist noch Zukunftsmusik, ähnlich wie bei Steven Hawking, der seinen Rollstuhl oder seinen Computer über Gehirnströme bewegt, man dann über Hirnströme, Augenbewegungen oder sonstiges ein Fahrzeug steuern könnte."

    REHACARE
    Paravan-GmbH