Zeichnen, sagt Thomas Schütte, sei für ihn jahrelang so eine Art abendliche Fingergymnastik gewesen, eine Freizeitbeschäftigung:
" Nach Feierabend, nach dem Essen, um 10 Uhr ne Platte auflegen, Flasche Rotwein, Papiere zerreißen, anfangen zu zeichnen. Und am nächsten Morgen liegt dann die Beute da, fünf sechs Blätter meistens oder zehn, und das jeden Tag. "
Und vor allem: über einen Zeitraum von fast 30 Jahren hinweg. Das Schöne ist, dass diese Zeichnungen und Aquarelle mit Schüttes ironischem skulpturalem Werk gar nicht so viel zu tun haben: Sie sind Tagebuch, politischer oder persönlicher Reflex, aber auch Entwicklung eines bildnerischen Zeichensystems. Schnell hingemalt, mehrfach variiert.
" Das ist wie bei musikalischen Geschichten. So ein Song dauert 3 bis 8 Minuten, und entweder es klappt oder nicht. Sogar die Lackbilder sind in einem Rutsch runtergemalt, da ist nicht viel vorgezeichnet." "
Diese Werke sind nun erstmals im großen Überblick zu sehen; die meisten der 400 Exponate hat der Baden-Badener Kurator Matthias Winzen aus den Schubladen des Künstler-Archivs ausgraben müssen. Natürlich nicht die theatralischen Großformate und grellbunten Lackbilder, die den Hauptsaal bespielen und wie Bühnenbilder mehrere Aufzüge stiller Dramen zeigen, kleine Menschen vor riesigen Bunkern oder Polke-Tapeten, Würmer vor Äpfeln. Aber die kleinen Portrait-Serien, die Teddy-Bären oder die aquarellierten Blumen.
Was malt man überhaupt und warum? Lohnt es sich noch zu malen? Solche Fragen waren virulent für jemanden, der in den siebziger Jahren bei Gerhard Richter an der Düsseldorfer Kunstakademie studierte. Die früheste ausgestellte Arbeit ist ein graues Relief aus dem Februar 1975 mit dem ironischen Titel "Amerika". Es folgen Variationen zu Ziegelstein-Mauern aus dem RAF-Jahr 1977 und eine Serie über UFOs von 1980 – wobei man UFOs seltsamerweise nicht real sehen, aber malen kann. Weiterhin bildwürdig sind Kartoffeln, Bonbons, Autobahnkreuze und Würstchen, Atomkraftwerke, Brücken und Stadtpläne. Daraus entwickelt Schütte Logos über die Bundesrepublik, ein eng begrenztes Bildrepertoire, das in seiner Modellhaftigkeit völlig absurd wirkt, aber eben nicht postmodern, nicht beliebig: es sind schon die 1980iger Jahre, die sich im "Dreiakter" genannten Triptychon aus leeren Flaschen, dem nazoid vorbelasteten VW-Firmenemblem und im Wind flatternden roten Fahnen niederschlagen. Eine der wenigen Skulpturen der Ausstellung zeigt einen Hund mit Stahlhelm (!), in den Bildtiteln veranstaltet Schütte die üblichen skurrilen Wortspiele ("Mankind ist not very kind"), und das Kriegstagebuch über den ersten Golfkrieg läuft in Anspielung auf ARD und ZDF als "Aufzeichnungen aus der 2.Reihe".
Schüttes Bilder sind Not-Lösungen: wie kann ich etwas auf einfachst mögliche Weise darstellen? Dass er kitschig knospende Blumen malerisch inszeniert, hat mehr mit der Geburt seiner Tochter zu tun als mit den Blumen selber. Angesichts der Blumenpräsente zur Entbindung fragte sich Schütte: wieso malt das keiner mehr?
" Bei den ersten Blumen, so 1980, da war ich noch etwas hilflos. Das Interessante ist, dass man technischen Fortschritt erkennt. Man kann das lernen...! "
Auch Schüttes Portrait- und Selbstportrait-Serien sind immer neue Annäherungen, Umkreisungen eines Themas, das schließlich in einer Vielzahl von Varianten verschwindet.
Schütte ist ein zurückgezogener Mensch. Man glaubt ihm sofort, dass das heroisch inszenierte Künstler-Studio für ihn der wichtigste Ort ist. Künstler sei er geworden, weil er für alles andere nicht geeignet gewesen sei, sagt er: nicht für die Musik, nicht für den Film, aber auch nicht für das normale Leben. Ganz klein sind die Menschen, die auf seinen Großformaten als schwarze Schatten erscheinen – und die trotzdem in einem streng geregelten Kosmos leben: in einer Modellwelt aus Basisbildern, aus abgelösten Zeichen.
" Nach Feierabend, nach dem Essen, um 10 Uhr ne Platte auflegen, Flasche Rotwein, Papiere zerreißen, anfangen zu zeichnen. Und am nächsten Morgen liegt dann die Beute da, fünf sechs Blätter meistens oder zehn, und das jeden Tag. "
Und vor allem: über einen Zeitraum von fast 30 Jahren hinweg. Das Schöne ist, dass diese Zeichnungen und Aquarelle mit Schüttes ironischem skulpturalem Werk gar nicht so viel zu tun haben: Sie sind Tagebuch, politischer oder persönlicher Reflex, aber auch Entwicklung eines bildnerischen Zeichensystems. Schnell hingemalt, mehrfach variiert.
" Das ist wie bei musikalischen Geschichten. So ein Song dauert 3 bis 8 Minuten, und entweder es klappt oder nicht. Sogar die Lackbilder sind in einem Rutsch runtergemalt, da ist nicht viel vorgezeichnet." "
Diese Werke sind nun erstmals im großen Überblick zu sehen; die meisten der 400 Exponate hat der Baden-Badener Kurator Matthias Winzen aus den Schubladen des Künstler-Archivs ausgraben müssen. Natürlich nicht die theatralischen Großformate und grellbunten Lackbilder, die den Hauptsaal bespielen und wie Bühnenbilder mehrere Aufzüge stiller Dramen zeigen, kleine Menschen vor riesigen Bunkern oder Polke-Tapeten, Würmer vor Äpfeln. Aber die kleinen Portrait-Serien, die Teddy-Bären oder die aquarellierten Blumen.
Was malt man überhaupt und warum? Lohnt es sich noch zu malen? Solche Fragen waren virulent für jemanden, der in den siebziger Jahren bei Gerhard Richter an der Düsseldorfer Kunstakademie studierte. Die früheste ausgestellte Arbeit ist ein graues Relief aus dem Februar 1975 mit dem ironischen Titel "Amerika". Es folgen Variationen zu Ziegelstein-Mauern aus dem RAF-Jahr 1977 und eine Serie über UFOs von 1980 – wobei man UFOs seltsamerweise nicht real sehen, aber malen kann. Weiterhin bildwürdig sind Kartoffeln, Bonbons, Autobahnkreuze und Würstchen, Atomkraftwerke, Brücken und Stadtpläne. Daraus entwickelt Schütte Logos über die Bundesrepublik, ein eng begrenztes Bildrepertoire, das in seiner Modellhaftigkeit völlig absurd wirkt, aber eben nicht postmodern, nicht beliebig: es sind schon die 1980iger Jahre, die sich im "Dreiakter" genannten Triptychon aus leeren Flaschen, dem nazoid vorbelasteten VW-Firmenemblem und im Wind flatternden roten Fahnen niederschlagen. Eine der wenigen Skulpturen der Ausstellung zeigt einen Hund mit Stahlhelm (!), in den Bildtiteln veranstaltet Schütte die üblichen skurrilen Wortspiele ("Mankind ist not very kind"), und das Kriegstagebuch über den ersten Golfkrieg läuft in Anspielung auf ARD und ZDF als "Aufzeichnungen aus der 2.Reihe".
Schüttes Bilder sind Not-Lösungen: wie kann ich etwas auf einfachst mögliche Weise darstellen? Dass er kitschig knospende Blumen malerisch inszeniert, hat mehr mit der Geburt seiner Tochter zu tun als mit den Blumen selber. Angesichts der Blumenpräsente zur Entbindung fragte sich Schütte: wieso malt das keiner mehr?
" Bei den ersten Blumen, so 1980, da war ich noch etwas hilflos. Das Interessante ist, dass man technischen Fortschritt erkennt. Man kann das lernen...! "
Auch Schüttes Portrait- und Selbstportrait-Serien sind immer neue Annäherungen, Umkreisungen eines Themas, das schließlich in einer Vielzahl von Varianten verschwindet.
Schütte ist ein zurückgezogener Mensch. Man glaubt ihm sofort, dass das heroisch inszenierte Künstler-Studio für ihn der wichtigste Ort ist. Künstler sei er geworden, weil er für alles andere nicht geeignet gewesen sei, sagt er: nicht für die Musik, nicht für den Film, aber auch nicht für das normale Leben. Ganz klein sind die Menschen, die auf seinen Großformaten als schwarze Schatten erscheinen – und die trotzdem in einem streng geregelten Kosmos leben: in einer Modellwelt aus Basisbildern, aus abgelösten Zeichen.