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Vom Aussterben bedroht

Derzeit sind Zinsen beim Hausbau und Immobilienkauf niedrig. Derweil sorgen sich die Händler an der Börse um die Kapitallebensversicherung. Für sie wird es immer schwieriger, Zinsversprechen gegenüber Kunden einzulösen. Lohnen sich Lebensversicherungen heute noch?

Von Michael Braun | 20.08.2010
    Das Geldvermögen der Deutschen liegt bei 4,7 Billionen Euro. Die Schulden abgezogen, hat jeder Haushalt rund 76.000 Euro auf der hohen Kante. Ein Drittel davon liegt bei Kapitalversicherungen. Dieser Anteil wird wohl sinken. Denn angesichts der niedrigen Zinsen fürchtet selbst die Versicherungsaufsicht, dass die Lebensversicherung kaum noch Zukunft hat. Der Präsident der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, Jochen Sanio:

    "Das Geschäftsmodell der deutschen Lebensversicherer ist darauf gegründet, dass es am Markt immer Kapitalanlagen mit ausreichender Rendite gibt. Kann man das heute noch unterstellen ? Angesichts des gegenwärtigen Zinsniveaus sind Zweifel angebracht."

    Die Zweifel werden im Markt bestätigt. Denn wenn Anleihen mit gutem Ruf und hoher Sicherheit, wie etwa die Bundesanleihen mit zehn Jahren Restlaufzeit, weniger als 2,3 Prozent Rendite aufweisen, dann wird es schwierig, die versprochenen Leistungen aufzubringen. Manfred Westphal, Leiter der Abteilung Finanzdienstleistungen bei der Verbraucherzentrale Bundesverband:

    "Es erwachsen aus dieser Niedrigzinsphase, aus dieser lange andauernden Niedrigzinsphase, zwei Probleme: Einmal fällt es den Versicherern zunehmend schwerer, den Zins, der garantiert ist in einem Vertrag, von 2,25 Prozent zu erwirtschaften. Allerdings sollte das immer noch für alle Versicherer möglich sein. Aber: Weiteres Problem ist, dass abgesehen von diesem verbindlichen Garantiezins dem Versicherungsnehmer eine Überschussbeteiligung versprochen wird. Und die speist sich aus der Nettoverzinsung aller Kapitalanlagen. Und wenn alle Kapitalanlagen oder doch der wesentliche Teil von den Niedrigzinsen betroffen sind, dann droht dieser Überschussbeteiligung doch eine sehr erhebliche Abschmelzung."

    Dieser Prozess läuft schon seit langem: Die Garantieverzinsung jeder neuen Lebensversicherung ist seit 1995 von vier Prozent auf nun 2,25 Prozent gesunken. Und die Gesamtverzinsung, also Garantieverzinsung plus Beteiligung an den Überschüssen des Versicherers, hat sich in der gleichen Zeit von acht auf rund vier Prozent halbiert. Die sinkende Verzinsung macht die Lebensversicherung also unattraktiver. Zumindest können sie einen anderen Nachteil nicht mehr ausgleichen. In der Beratungspraxis von Kurt Hüttl im Frankfurter "fairsicherungsladen" erweist sich die Lebensversicherung jedenfalls als Auslaufmodell:

    "Ein großer Hauptgrund ist natürlich, dass die Verbraucher eigentlich Todesfallabsicherung und Altersvorsorge voneinander trennen möchten und nicht ein Kombiprodukt haben, bei dem ein Teil der Beiträge in die Todesfallleistung geht, ein anderer Teil gespart wird und letztlich immer ein bisschen weniger rausgekommen ist."

    Das Todesfallrisiko wird also bei Bedarf, etwa wenn ein Alleinverdiener mit seiner Familie in einem noch mit Hypotheken belasteten Haus wohnt, durch eine Risikolebensversicherung, abgedeckt. Und für die Altersvorsorge kommen dann Rentenversicherungen in Betracht, die Rürup-Rente für Selbständige, die Riester-Rente für Arbeiter, Angestellte und Beamte. Das sind die staatlich geförderten Formen. Natürlich gibt es auch private Rentenversicherungen, die man entweder jahrelang ansparen oder mit einem Einmalbetrag kaufen kann. Die haben, so Hüttl, vor allem einen steuerlichen Vorteil:

    "Da ist das Interessante, dass, wenn es zur Auszahlung der Rente kommt, man eben nicht auf die volle Höhe der Rente Steuern bezahlen muss, sondern eben nur auf einen Ertragsanteil von 18 Prozent, wenn man mit 65 in Rente geht."

    Rentenversicherungen zahlen für die ganze Lebenszeit einen festen monatlichen Betrag. Dauert das Rentnerleben lange, hat der Versicherte gewonnen. Währt es nur kurz, liegt der Vorteil bei der Versicherung. Den kann man aber - gegen einen gewissen Verzicht beim monatlichen Rentenbetrag - mindern, um den nicht verbrauchten Betrag den Erben zukommen zu lassen.