Jens Thöner: So ungefähr ist auch der Titel eines Beitrags in unserem Kolloquium übermorgen. Professor Düwel aus Hamburg wird den Funktionalismus der Stalinallee genauer darstellen. Ich kann dazu nur so viel sagen: Richard Paulick hat Entscheidendes gelernt und Prägendes erfahren in seiner Zeit als Mitarbeiter des Baubüros Gropius. Im engen Sinne ist er kein Bauhäusler, er hat nie am Bauhaus gelehrt oder studiert, war aber aufs Engste in der Zeit von 1925 bis 1928 mit dem Leben am Bauhaus vertraut und hat ab 1927 im Büro von Gropius als dessen Leiter gearbeitet. Studiert hat er eigentlich woanders; da wird schon ein Widerspruch beziehungsweise eine Besonderheiten des Weges und der Methode, zu entwerfen von Paulick deutlich. Gelernt hat er bei Hans Poelzig in Berlin an der Technischen Hochschule und Poelzig ist ja ein Mann, der sozusagen zwischen den verschiedenen Lagern, auch der Moderne, oszillierte, kann man fast sagen und seinen ganz eigenen Weg ging und das hat eigentlich auch Richard Paulick gemacht. Er war von 1933 bis 1950 im Exil in China, in Shanghai und hat dort ganz Wesentliches geleistet an Planung. Er war ganz Entscheidendes am Bau der Eisenbahn von Shanghai nach Peking 1945 beteiligt, hat Innenarchitektur gemacht, hatte ein eigenes Büro, hat an einer amerikanischen Schule, der St. Johns University in Shanghai, gelehrt ab 1942, war also vielseitig tätig und dieses Vielseitige und nicht auf ein Gebiete eng Zugeschnittene, er war nicht nur Stadtplaner oder Architekt, das ist eigentlich auch etwas Typisches für ihn. Als er 1950 ganz bewusst in die gerade frisch gegründete DDR zurückkam, war seine Entscheidung aus seinem sozialistischen Ideal heraus, das er sein Leben lang behalten hat, in die DDR zu gehen. Er hatte auch Angebote aus anderen Ländern. Er hat zuerst modern geplant und gebaut und es gibt einen Bau, der leider nicht mehr steht, wo man das richtig ablesen konnte. Ein ganz konsequent moderner Bau, der dann in der letzten Phase noch sozusagen den sozialistischen Realismus und den beginnenden Formalismus aufgesetzt bekam, es war die Sporthalle der Stalinallee, die bis 1973 stand, dann leider abgerissen wurde. An der konnte man diese ganzen Widersprüche, dieses ideologische Umschwenken der frühen 50erjahre richtig architektonisch erkennen.
Karin Fischer: Musste er sich als Architekt, der ja für die Moderne stand, auch für den Kosmopolitismus der 20er-, 30er-Jahre sehr verbiegen in der DDR oder standen die Inhalte im Vordergrund, mit denen er sich ja auch sehr identifiziert hat?
Jens Thöner: Ja. Er hat die Inhalte in den Vordergrund gestellt und nie den Kontakt zu Gropius und anderen abreißen lassen, die Briefe sind heute alle noch erhalten. Diese Beziehung erkaltete ein wenig und das ist sozusagen im ideologischen Kampf des Kalten Kriegens das Gegenkonzept.
Karin Fischer: Sie legen in Dessau jetzt den Fokus vermutlich bewusst auch auf die frühen Jahre Paulicks. Die Frage ist, warum das, wo doch sein Lebensweg, wie Sie es gerade geschildert haben, für eine sehr allgemeine Entwicklung der ostdeutschen Architektur steht, gerade mit ihren Widersprüchen, die heute sehr stark diskutiert werden?
Jens Thöner: Das Kolloquium legt diesen Schwerpunkt eindeutig auf die DDR-Jahre, zwei Drittel der Beiträge beschäftigen sich mit seiner DDR-Zeit und die Hauptveranstaltung ist das Kolloquium. Es wird zwei Ausstellungen geben. Eine kleine in der Siedlung Törten im Süden Dessaus, an der Paulick mit Gropius gearbeitet hat und wo er auch Anfang der 30er-Jahre seine ersten Wohnhäuser gebaut hat und natürlich vor allem das Stahlhaus, das 1927 fertig wurde, entworfen und realisiert zusammen mit Georg Muche, einem Maler und Leiter der Textilwerkstatt am Bauhaus. In Roßlau wird es eine viel größere Ausstellung geben und die wird über Paulicks Gesamtwerk gehen und da sind auch wieder zwei Drittel seiner DDR-Zeit gewidmet.
Karin Fischer: Was sieht man denn heute in Richard Paulicks Arbeiten, wenn man jetzt mal die ganze Breite seiner Entwicklungen nimmt?
Jens Thöner: Er ist einer derjenigen, die ein Leben lang die Stadt der sozialistischen Moderne gesucht haben und der dabei auch immer ganzheitlich gehandelt hat. Er ist nie Technokrat gewesen und noch heute schwärmen ehemalige Mitarbeiter von ihm, die längst selbstständige Architekten sind, von der offenen und kreativen, nicht einengenden und leistungsfördernden Atmosphäre in seinem Büro, das er bis 1975 geleitete hat. Das ist eine wichtige Sache, die in den letzten Jahren gar nicht mehr selbstverständlich für die DDR war und er steht dafür, mit den Mitteln des industrialisierten Wohnungsbaus gute, bewohnbare Städte zu schaffen, die jetzt nicht nur beziehungslos die großen Kisten auf die Wiese setzen.
Karin Fischer: Musste er sich als Architekt, der ja für die Moderne stand, auch für den Kosmopolitismus der 20er-, 30er-Jahre sehr verbiegen in der DDR oder standen die Inhalte im Vordergrund, mit denen er sich ja auch sehr identifiziert hat?
Jens Thöner: Ja. Er hat die Inhalte in den Vordergrund gestellt und nie den Kontakt zu Gropius und anderen abreißen lassen, die Briefe sind heute alle noch erhalten. Diese Beziehung erkaltete ein wenig und das ist sozusagen im ideologischen Kampf des Kalten Kriegens das Gegenkonzept.
Karin Fischer: Sie legen in Dessau jetzt den Fokus vermutlich bewusst auch auf die frühen Jahre Paulicks. Die Frage ist, warum das, wo doch sein Lebensweg, wie Sie es gerade geschildert haben, für eine sehr allgemeine Entwicklung der ostdeutschen Architektur steht, gerade mit ihren Widersprüchen, die heute sehr stark diskutiert werden?
Jens Thöner: Das Kolloquium legt diesen Schwerpunkt eindeutig auf die DDR-Jahre, zwei Drittel der Beiträge beschäftigen sich mit seiner DDR-Zeit und die Hauptveranstaltung ist das Kolloquium. Es wird zwei Ausstellungen geben. Eine kleine in der Siedlung Törten im Süden Dessaus, an der Paulick mit Gropius gearbeitet hat und wo er auch Anfang der 30er-Jahre seine ersten Wohnhäuser gebaut hat und natürlich vor allem das Stahlhaus, das 1927 fertig wurde, entworfen und realisiert zusammen mit Georg Muche, einem Maler und Leiter der Textilwerkstatt am Bauhaus. In Roßlau wird es eine viel größere Ausstellung geben und die wird über Paulicks Gesamtwerk gehen und da sind auch wieder zwei Drittel seiner DDR-Zeit gewidmet.
Karin Fischer: Was sieht man denn heute in Richard Paulicks Arbeiten, wenn man jetzt mal die ganze Breite seiner Entwicklungen nimmt?
Jens Thöner: Er ist einer derjenigen, die ein Leben lang die Stadt der sozialistischen Moderne gesucht haben und der dabei auch immer ganzheitlich gehandelt hat. Er ist nie Technokrat gewesen und noch heute schwärmen ehemalige Mitarbeiter von ihm, die längst selbstständige Architekten sind, von der offenen und kreativen, nicht einengenden und leistungsfördernden Atmosphäre in seinem Büro, das er bis 1975 geleitete hat. Das ist eine wichtige Sache, die in den letzten Jahren gar nicht mehr selbstverständlich für die DDR war und er steht dafür, mit den Mitteln des industrialisierten Wohnungsbaus gute, bewohnbare Städte zu schaffen, die jetzt nicht nur beziehungslos die großen Kisten auf die Wiese setzen.