"Die Banken sind die Stahlindustrie der neunziger Jahre" - als Ulrich Cartellieri von der Deutschen Bank 1990 diese denkwürdige Warnung formulierte, nahm ihn kaum jemand Ernst. Die Bewältigung der deutschen Einheit und der weitere Aufschwung der deutschen Kreditwirtschaft ließen die Mahnung auch bald in Vergessenheit geraten. Ebenso wie in der Wirtschaftspolitik unterblieben die notwendigen strukturellen Maßnahmen. Erst zu Beginn des 21. Jahrhunderts brach das Unheil mit der anhaltenden Konjunkturschwäche gleich von mehreren Seiten über die deutsche Finanzindustrie herein. Mit einem Jahrzehnt Verspätung geriet sie tatsächlich in deutliche Schwierigkeiten. Christian Achilles, Kommunikationschef des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes, erläutert:
"Es sind, glaube ich, vier Dinge zusammengekommen. Das eine ist, wir haben noch nie einen so geringen Zinsüberschuss gehabt, wie im letzten Jahr, also ein sehr niedriges Zinsniveau. Das sind ja eh die Zeiten, wo Kreditinstitute in den Zinsüberschüssen eher schlecht aussehen. Das zweite ist, dass die Kostenentwicklung zu spät in Angriff genommen worden ist. Jetzt kommen zwei aktuelle Faktoren hinzu, die eben sehr, sehr schwierig sind: Das eine ist, dass die Aktienmärkte in einem Maße zurückgefallen sind, wie das vorher keiner vermutet hat. Und dies führt dazu, dass auf die Eigenbestände bei den Kreditinstituten massiv Abschreibungen vorgenommen werden müssen. Und die kommen zur gleichen Zeit, wo wir auch noch in hohem Masse Abschreibungen auch aufs Kreditgeschäft haben."
Allerdings von einer Bankenkrise - analog zur seinerzeitigen Stahlkrise - will in der Branche niemand reden. Und Edgar Meister, für die Bankenaufsicht zuständiger Direktor bei der Deutschen Bundesbank, bekräftigt, dass derzeit keinerlei Veranlassung bestehe, von einer Bankenkrise in Deutschland zu sprechen:
"Wir glauben fest daran, dass das europäische Bankensystem stark genug ist, um alle weiteren Schocks in seinem konjunkturellen Umfeld und im Umfeld der Finanzmärkte zu überstehen."
Aber das Jahr 2002 war nach Ansicht aller Beteiligten unbestritten ein schwieriges Jahr für den Bankensektor, die Höhe der Wertberichtigungen wird auf rund 30 Milliarden Euro geschätzt, und die Aussichten für 2003 sind - vorsichtig formuliert - auch nicht gerade rosig. Offensichtlich sind die Ertrags- und Strukturprobleme der Branche, die besonders an den Gewinneinbrüchen der publizitätspflichtigen Großbanken deutlich wurden. Der Präsident des Bundesverbandes Deutscher Banken, Rolf Breuer stellt dazu nüchtern fest:
"Was die Situation der Kreditwirtschaft anbelangt, so kommt es jetzt in erster Linie darauf an, dass die Banken wieder Geld verdienen. Die Kosten müssen gesenkt, die Ertragssituation verbessert werden. Erst wenn die Banken wieder hinreichend profitabel sind, können sie nicht nur wettbewerbsfähig sein, sondern auch ihrer volkswirtschaftlichen Aufgabe in vollem Umfang nachkommen."
Bei der Unternehmensberatung Ernst & Young sieht man im dichten Filialnetz der Kreditinstitute einen der Hauptgründe für die derzeitigen Probleme. Der Wettbewerb zwischen den Großbanken, aber auch zwischen den schon im 19. Jahrhundert entstandenen drei Bankensektoren - Privatbanken, Sparkassen und Genossenschaftsbanken - hat zum Ausbau des Filialnetzes bis in das vergangene Jahrzehnt hinein geführt. Der Sprecher des Bankenverbandes Heiner Herkenhoff erklärte dazu:
"1992 hatten wir noch 49.000 Institute, 2002 waren es noch 41.000, d.h. im Laufe der 90er Jahre ist die Zahl der Institute zurückgegangen. Das hat auch mit verschiedenen anderen Entwicklungen zu tun, die z.B. im Bereich des Vertriebs liegen. Die Banken haben in den letzten Jahren, und da sind die privaten Banken sehr früh auf dem Markt gewesen, neue Vertriebswege erschlossen über das Internet, also Online-Banking, Homebanking, was dazu geführt hat, das die Filiale als solche nicht mehr für jede Bankdienstleitung die Bedeutung hat wie in der Vergangenheit. Viele Kunden nutzen heute das Internet für alle möglichen Standard-Dienstleistungen, für Überweisungen, Kontostandsabfragen und anderes und gehen relativ seltener in die Filiale. Der Trend geht dahin, dass bestimme Filialen als Zentren ausgebaut werden, in denen dann Beratung zu komplexeren Dienstleitungen stattfindet, wo dann auch wirklich die Fachleute eine hochqualifizierte Beratung geben und viele der Standard-Dienstleistungen, die man in der Vergangenheit in der Filiale bekommen hat, man heute über das Internet bekommen kann und das wird auch stark genutzt."
Überkapazitäten und die gleichzeitig nicht mehr so gut laufenden Geschäfte haben aber in den letzten Jahren das Verhältnis von Aufwand und Ertrag in allen Bankengruppen kontinuierlich verschlechtert. Aber noch immer weist Deutschland damit einen hohen Versorgungsgrad auf. Das heißt: Im Durchschnitt werden 1 450 Einwohner von einer Bankstelle versorgt, womit Deutschland in der Bankstellendichte deutlich über dem EU-Durchschnitt liegt. Angesichts der angespannten Ertragslage sind die Kosten für ein derartig aufgeblähtes Zweigstellennetz einfach zu hoch geworden. Der Präsident des Bundesverbands Deutscher Banken, Rolf Breuer, konstatiert im Bankenjargon:
"Im internationalen Vergleich ist unser Bankenmarkt nach wie vor hoffnungslos overbanked und overbranched. Wir leisten uns immer noch einen Luxus, der an sich nicht mehr bezahlbar ist. Kapazitätsabbau bedeutet aber auch - und diese bittere Wahrheit muss ebenfalls angesprochen werden - einen weiteren Personalabbau in der deutschen Kreditwirtschaft."
Beim Bankenverband relativiert man den eingangs erwähnten Vergleich zwischen der Stahlindustrie und dem Bankgewerbe auch im Hinblick auf die Personalentwicklung, weil diese in den 90er Jahren sogar noch einen Aufwärtstrend aufwies. Die Gesamtzahl der Beschäftigten ist im vergangenen Jahrzehnt angestiegen, weil Einsparungen im Filialnetz durch neue Beschäftigungsfelder wie Online-Banking oder Investment-Banking überkompensiert wurden.
Somit ist im Gegensatz zu den Zweigstellen die Zahl der Beschäftigten im Kreditgewerbe sogar in den letzten Jahren weitgehend unverändert geblieben. Im Jahre 2001 ging sie erstmals seit 1993 merklich zurück, womit die Branche mit erheblicher Verzögerung auf die Verschlechterung der Ertragslage reagierte. Immerhin haben allein die vier Großbanken - Deutsche und Dresdner Bank sowie HypoVereins- und Commerzbank - inzwischen 30 000 Stellen abgebaut, weitere 10 000 dürften noch folgen. Experten rechnen damit, dass insgesamt bis zu 100 000 Arbeitsplätze in der gesamten Branche gefährdet sind. Denn, so Rolf Breuer , die Strukturprobleme lassen sich nur durch eine umfassende Konsolidierung bereinigen:
"Selbstkritisch müssen wir feststellen, dass es auch das private Bankgewerbe in den guten Jahren versäumt hat, diesen Strukturwandel entschlossen einzuleiten. In den 90er Jahren wären viele notwendige Schritte leichter zu verkraften gewesen als dies heute der Fall ist. Der deutschen Bankenlandschaft stehen weitere tiefgreifende Veränderungen bevor. In fünf bis zehn Jahren werden wir alles in allem rund die Hälfte weniger Filialen in Deutschland haben, wie dies schon heute in unseren Nachbarländern der Fall ist. Dort haben die Kunden keineswegs den Eindruck , dass sie mit Banken und Bankdienstleistungen unterversorgt sind."
In der Diskussion über die Konsolidierung der deutschen Bankwirtschaft setzen die anderen Institutsgruppen allerdings auch noch andere Akzente. Beim Bundesverband der deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken sieht man beispielsweise im Filialnetz nur einen Teil der Kostenproblematik. Zwar geht man auch in diesem Verbund davon aus, dass sich die Zahl der rechtlich selbständigen Institute von gegenwärtig fast 1 500 auf nur noch 800 bis 1000 reduzieren wird - und damit einhergehend eine Verringerung der Filialen. Deren Zahl sei aber mitnichten ursächlich für die negativen Schlagzeilen der letzten Zeit über die deutsche Bankwirtschaft. Der Verbands-Präsident Christopher Pleister verweist auf strategische Fehlentscheidungen - und meint damit vor allem die Großbanken:
"Die einseitige Ausrichtung in Richtung Investmentbanking und internationales Geschäft zu einer Zeit, wo die Kapitalmärkte dramatisch verfallen sind, war natürlich eine Fehlentscheidung. Man hat die Kosten, man hat die entsprechenden Strukturen, aber man hat nicht die Erträge."
In die gleiche Kerbe haute der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes, Dietrich Hoppenstedt, anlässlich eines parlamentarischen Abends in Berlin. Nachhaltige Probleme hätten vor allem Institute, die in den letzten Jahren ständige Strategiewechsel als Ausdruck von Modernität und Innovation verstanden . Es seien Institute, die sich durch Ausgliederung und Aussortierung von wichtigen Teilen ihrer Kunden verabschiedet hatten, weil sie diese als nicht ertragreich genug ansahen. Statt dessen hätten sie dem internationalen Geschäft und dem Investmentbanking einen größeren Stellenwert eingeräumt als dem inländischen Breitengeschäft, dem sogenannten Retailmarkt. Jetzt besinne man sich in vielen Häusern wieder auf die Vorteile des Retailgeschäfts. Dort fehle allerdings heute vielen Instituten die Breite, um rentabel arbeiten und Risiken durch Streuung vermeiden zu können, so Hoppenstedt.
Das klingt nach Retourkutsche. Denn innerhalb der Kreditwirtschaft bestehen erhebliche Spannungen zwischen den drei Bank-Sektoren. Die privaten Banken beklagen seit langem die Benachteiligung gegenüber den öffentlich-rechtlichen Sparkassen, die bisher durch Staatsgarantien abgesichert sind. Diese führen zu Spitzenbonität, erlauben bessere Refinanzierungskonditionen und bringen damit geschäftliche Vorteile. Was den privaten Banken vor allem im Hinblick auf die ebenfalls im internationalen Geschäft tätigen öffentlich-rechtlichen Landesbanken ein Dorn im Auge war. Breuer erläuterte:
"Schon vor über 10 Jahren sind wir mit unserer Beilhilfebeschwerde bei der Europäischen Kommission in Brüssel gegen heftige Widerstände für einen fairen Wettbewerb eingetreten. Die Politik hat diesen Prozess nach Kräften zu konterkarieren versucht, und sich der dringend erforderlichen Neuordnung der deutschen Kreditwirtschaft in den Weg gestellt."
Inzwischen haben die Privatbanken erreicht, dass die staatlichen Haftungsgrundlagen auf Brüsseler Druck bis zum Jahr 2005 drastisch geändert werden. "Dadurch wird für die Sparkassen der Schutzzaun eingerissen, der sie noch ein ganzes Stück vom Wettbewerb abgeschirmt hat", sagt Stefan Stein, Geschäftsführer des Bochumer Instituts für Kredit- und Finanzwirtschaft. Die Haftung des Staats wird also künftig eingeschränkt, zudem müssen die Institute ihr Eigenkapital marktgerecht verzinsen.
Rolf Breuer vom Bankenverband fordert nunmehr ein Umdenken der Politik, sich nicht länger dem Strukturwandel entgegenzustellen, sondern ihn aktiv zu fördern. Gemeint ist damit die Überwindung der Sektoren-Aufteilung des deutschen Bankgewerbes, die in europäischen Nachbarländern schon keine Rolle mehr spiele. Selbst wenn die Banken ihre Hausaufgaben zur Verbesserung der Kosten- und Ertragssituation erstklassig erfüllten, würde die deutsche Kreditwirtschaft im internationalen Wettbewerb weiter zurückfallen, wenn die Politik die drängenden Strukturprobleme nicht endlich anpacke, betonte Breuer und ergänzte:
"Angesichts der großen Probleme, vor denen alle Bankengruppen gleichermaßen stehen, sind aber Zusammenarbeit, Kooperationen und letztlich Fusionen und Übernahmen unumgänglich. Dies ist deshalb wichtig, weil auch eine grenzüberschreitende Konsolidierung in Europa bevorsteht. Wenn wir die notwendigen Strukturreformen jetzt weiter blockieren, werden wir in den nächsten Jahren keine gute Ausgangsposition für einen Konsolidierungsprozess in Europa erreichen. Wir müssen Gestalter des Prozesses sein und nicht Getriebene. Um die nationale Konsolidierung überhaupt zu ermöglichen, müssen zunächst die rechtlichen Beschränkungen in den Landesgesetzen abgeschafft werden. Privatinvestoren muss die Möglichkeit eröffnet werden, sich gleichberechtigt und ohne Einschränkungen an Landesbanken und Sparkassen zu beteiligen. Gleiches sollte auch für Kooperationen über die Institutsgruppen hinweg gelten."
Doch die Widerstände sind beachtlich. Erste politische Initiativen im Saarland und in Rheinland-Pfalz sind bei Lokalpolitikern und bei den öffentlichen-rechtlichen Sparkassen auf entschiedene Ablehnung gestoßen. Dietrich Hoppenstedt sieht auch keinen Grund, wie er wörtlich formulierte, "etwas sehr Erfolgreiches in Frage zu stellen". Die Sparkassen hätten gezeigt, dass sie reformfähig und reformwillig seien. Die Marktbearbeitung werde verstärkt, zusätzliche Ertragspotentiale würden erschlossen und die Kosten gesenkt. Hoppenstedts Kommunikationschef Christian Achilles unterstreicht: "Der große Vorteil dieses Systems ist aus unserer Sicht, dass wir Bankengruppen haben mit ganz unterschiedlichen Geschäftsphilosophien. Und gerade die jetzige, auch sehr schwierige Zeit der Kreditwirtschaft, zeigt, dass es gut ist, dass man Banken hat, die mehr auf den inländischen Markt konzentriert sind, und sicherlich auch andere, die mehr auf internationale Geschäfte konzentriert sind, aber man stelle sich mal vor, wir hätten jetzt alle dieselbe Geschäftsphilosophie wie die privaten Banken, vermute ich mal, dass die Krise in Deutschland erheblich gravierender ausfallen würde."
Beim Genossenschafts- wie beim Sparkassenverbund gibt es immerhin über die organisationsintern sich verstärkende Zusammenarbeit hinaus bereits erste Anzeichen für gemeinsame Aktivitäten. So ist fest geplant, das Wertpapiergeschäft nur noch von einem Institut abzuwickeln zu lassen. In beiden Bankengruppen sieht man durchaus die Möglichkeit zu weiteren Kooperationen in jenen Bereichen, die nicht wettbewerbsrelevant sind. Christopher Pleister vom Zentralverband der Genossenschaftsbanken gibt sich in dieser Hinsicht auch gegenüber den privaten Banken offener als die Sparkassenseite:
"Das kann sehr, sehr viele Bereiche betreffen; das ganze Transaktionsgeschäft, also Zahlungsverkehr, Wertpapierabwicklung, wesentliche Teile des Auslandsgeschäfts kann man sektorenübergreifend organisieren, Teile der Kreditbearbeitung, die ganze Back-Office-Funktion im Kreditgeschäft kann man sektorenübergreifend organisieren. Wir haben in all diesen Geschäften als Sektor allein mit einem Marktanteil um die 20 Prozent genug kritische Masse, dass wir auch bei uns selber noch Optimierungs- und Rationalisierungspotentiale heben können. Aber wir würden noch besser werden, wenn wir das mit anderen zusammenmachen, und deshalb suchen wir da auch die Zusammenarbeit."
Dennoch : An der Dreiteilung des deutschen Bankgewerbes will auch Pleister nicht rütteln lassen. Solange die öffentlich-rechtlichen Banken ihre Eigentümerstruktur beibehalten, werden sie nach seiner Einschätzung als eigenständige Säule bestehen bleiben. Und die Genossenschaftsbanken hätten ihre besonderen satzungsgemäßen und auch von der Eigentümerstruktur vorgegebene Aufgabenstellung, die sie auch weiterhin erfüllen würden. Pleister weiter:
"Alle drei Sektoren haben ihre Notwendigkeit bis heute unter Beweis gestellt. Wobei natürlich die Fähigkeiten aller dieser drei Sektoren, über ihre Ursprungsklientel hinaus Kundenbedürfnisse zu befriedigen, gewachsen ist, so dass es hier zu Überschneidungen und auch Wettbewerbssituationen kommt. Aber gerade dieser scharfe Wettbewerb, der dadurch in Deutschland gegeben ist, ist ja etwas, was sich zum Wohle der Verbraucher und letztlich auch zum Wohle der Effizienz der Gesamtwirtschaft ausgesprochen positiv auswirkt."
Auch Bundesbank-Direktor Edgar Meister glaubt nicht, dass eine Aufweichung der drei Säulen die aktuellen Ertragsprobleme der Banken lösen könnte. Eine grundsätzliche Debatte über eine Neuorganisation des Finanzmarktes sollte wohlüberlegt und nicht von kurzfristigen Interessen getrieben sein. Übereinstimmung besteht unterdessen darüber, dass die Margen im Kreditgeschäft zu niedrig sind und die Kreditrisiken künftig stärker berücksichtigt werden müssen. Insbesondere die mittelständischen unternehmen sind von den von Rekord zu Rekord eilenden Insolvenzen am stärksten betroffen. Über 40 000 Firmenpleiten erwartet die Wirtschaftsauskunftei Creditreform in diesem Jahr; hinzu kommen noch weit mehr Insolvenzen von Privatverbrauchern. Unter den dadurch entstandenen und weiter drohenden Kreditausfällen leidet natürlich das gesamte Bankengewerbe. Dietrich Hoppenstedt wiegelte allerdings ab: Die Sparkassengruppe kenne aufgrund der Konzentration auf Privatkunden und mittelständische Unternehmen ihre Klientel genau und habe deshalb rechtzeitig Vorsorge getroffen. Die erhöhten Wertberichtigungen hätten bisher vollständig durch Risikovorsorgereserven aus den Vorjahren aufgefangen werden können. Christian Achilles ergänzte:
"Wir sind uns aber sicher, dass unsere Organisation schon jetzt ein stabilisierender Anker im deutschen Finanzmarkt ist. Wir übernehmen ja im Moment massiv Mittelstandsengagements etwa von anderen Institutsgruppen. Die Großbanken haben sich im letzten Jahr, haben ihr Kreditvolumen für Unternehmen in Deutschland um 19 Milliarden Euro vermindert. Die Genossenschaftsbanken haben’s um 3,5 Milliarden Euro vermindert. Wir sind die einzige Bankengruppe, die es ausgeweitet hat, nämlich um drei Milliarden Euro."
Trotz aller Gegensätze zeichnet sich nun aber doch eine gemeinsame Initiative des Bankgewerbes zur Verminderung der Kreditrisiken und zur Bereitstellung größerer Finanzierungs-Volumina ab. Nach anfänglichem Zögern und verbandsinternem Streit hat sich die Sparkassen-Gruppe jetzt dafür entschieden, am Verbriefungs-Projekt unter Federführung der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) teilzunehmen. Nach Angaben des Sparkassen- und Giroverbandes werden sich zunächst die Bayerische Landesbank, die Helaba, die WestLB sowie das Zentralinstitut, die Deka-Bank, beteiligen. Die Planung zur Gründung einer gemeinsamen Abwicklungsgesellschaft war bisher von den vier Großbanken, Deutsche Bank, Dresdner Bank, Commerzbank und HypoVereinsbank, sowie vom genossenschaftlichen Zentralinstitut, der DZ-Bank, vorangetrieben worden, KfW-Chef Hans Reich erläutert die Idee:
"Mit der Verbriefung übertragen wir die Ausfallrisiken von Mittelstandskrediten an den Kapitalmarkt. Dadurch kommt es bei den Kreditinstituten zu einer Risiko- und Eigenkapitalentlastung, so dass es ihnen wiederum ermöglicht wird, kleinen und mittelständischen Unternehmen neue Kredite zu gewähren."
Bundesbankdirektor Edgar Meister sieht unterdessen die Kreditwirtschaft auf gutem Wege, mit den eingeleiteten Maßnahmen zur Kostensenkung und zur Verringerung des Risikopotentials die Ertragslage zu verbessern. Selbst beim Bankenverband ist man zuversichtlich, dass sich die aktuellen Probleme schnell überwinden lassen, wenn sich die gesamtwirtschaftliche Situation wieder verbessert. Rolf Breuer sieht auch keinerlei Anlass, an der Solvenz des bestehenden Systems zu zweifeln, mag andererseits Pleiten aber nicht ausschließen. Um ihre Einlagen besorgte Kunden kann da der Hinweis von Mark Wahrenburg, Professor für Bankbetriebslehre an der Universität Frankfurt, vielleicht beruhigen:
"Eine Bank kann durchaus insolvent gehen und vor dem Insolvenzrichter landen. Gleichzeitig brauchen sich die Spareinleger aber keine Sorgen zu machen, weil eine Einlagensicherungsinstitution für ihre Forderungen gerade steht."
"Es sind, glaube ich, vier Dinge zusammengekommen. Das eine ist, wir haben noch nie einen so geringen Zinsüberschuss gehabt, wie im letzten Jahr, also ein sehr niedriges Zinsniveau. Das sind ja eh die Zeiten, wo Kreditinstitute in den Zinsüberschüssen eher schlecht aussehen. Das zweite ist, dass die Kostenentwicklung zu spät in Angriff genommen worden ist. Jetzt kommen zwei aktuelle Faktoren hinzu, die eben sehr, sehr schwierig sind: Das eine ist, dass die Aktienmärkte in einem Maße zurückgefallen sind, wie das vorher keiner vermutet hat. Und dies führt dazu, dass auf die Eigenbestände bei den Kreditinstituten massiv Abschreibungen vorgenommen werden müssen. Und die kommen zur gleichen Zeit, wo wir auch noch in hohem Masse Abschreibungen auch aufs Kreditgeschäft haben."
Allerdings von einer Bankenkrise - analog zur seinerzeitigen Stahlkrise - will in der Branche niemand reden. Und Edgar Meister, für die Bankenaufsicht zuständiger Direktor bei der Deutschen Bundesbank, bekräftigt, dass derzeit keinerlei Veranlassung bestehe, von einer Bankenkrise in Deutschland zu sprechen:
"Wir glauben fest daran, dass das europäische Bankensystem stark genug ist, um alle weiteren Schocks in seinem konjunkturellen Umfeld und im Umfeld der Finanzmärkte zu überstehen."
Aber das Jahr 2002 war nach Ansicht aller Beteiligten unbestritten ein schwieriges Jahr für den Bankensektor, die Höhe der Wertberichtigungen wird auf rund 30 Milliarden Euro geschätzt, und die Aussichten für 2003 sind - vorsichtig formuliert - auch nicht gerade rosig. Offensichtlich sind die Ertrags- und Strukturprobleme der Branche, die besonders an den Gewinneinbrüchen der publizitätspflichtigen Großbanken deutlich wurden. Der Präsident des Bundesverbandes Deutscher Banken, Rolf Breuer stellt dazu nüchtern fest:
"Was die Situation der Kreditwirtschaft anbelangt, so kommt es jetzt in erster Linie darauf an, dass die Banken wieder Geld verdienen. Die Kosten müssen gesenkt, die Ertragssituation verbessert werden. Erst wenn die Banken wieder hinreichend profitabel sind, können sie nicht nur wettbewerbsfähig sein, sondern auch ihrer volkswirtschaftlichen Aufgabe in vollem Umfang nachkommen."
Bei der Unternehmensberatung Ernst & Young sieht man im dichten Filialnetz der Kreditinstitute einen der Hauptgründe für die derzeitigen Probleme. Der Wettbewerb zwischen den Großbanken, aber auch zwischen den schon im 19. Jahrhundert entstandenen drei Bankensektoren - Privatbanken, Sparkassen und Genossenschaftsbanken - hat zum Ausbau des Filialnetzes bis in das vergangene Jahrzehnt hinein geführt. Der Sprecher des Bankenverbandes Heiner Herkenhoff erklärte dazu:
"1992 hatten wir noch 49.000 Institute, 2002 waren es noch 41.000, d.h. im Laufe der 90er Jahre ist die Zahl der Institute zurückgegangen. Das hat auch mit verschiedenen anderen Entwicklungen zu tun, die z.B. im Bereich des Vertriebs liegen. Die Banken haben in den letzten Jahren, und da sind die privaten Banken sehr früh auf dem Markt gewesen, neue Vertriebswege erschlossen über das Internet, also Online-Banking, Homebanking, was dazu geführt hat, das die Filiale als solche nicht mehr für jede Bankdienstleitung die Bedeutung hat wie in der Vergangenheit. Viele Kunden nutzen heute das Internet für alle möglichen Standard-Dienstleistungen, für Überweisungen, Kontostandsabfragen und anderes und gehen relativ seltener in die Filiale. Der Trend geht dahin, dass bestimme Filialen als Zentren ausgebaut werden, in denen dann Beratung zu komplexeren Dienstleitungen stattfindet, wo dann auch wirklich die Fachleute eine hochqualifizierte Beratung geben und viele der Standard-Dienstleistungen, die man in der Vergangenheit in der Filiale bekommen hat, man heute über das Internet bekommen kann und das wird auch stark genutzt."
Überkapazitäten und die gleichzeitig nicht mehr so gut laufenden Geschäfte haben aber in den letzten Jahren das Verhältnis von Aufwand und Ertrag in allen Bankengruppen kontinuierlich verschlechtert. Aber noch immer weist Deutschland damit einen hohen Versorgungsgrad auf. Das heißt: Im Durchschnitt werden 1 450 Einwohner von einer Bankstelle versorgt, womit Deutschland in der Bankstellendichte deutlich über dem EU-Durchschnitt liegt. Angesichts der angespannten Ertragslage sind die Kosten für ein derartig aufgeblähtes Zweigstellennetz einfach zu hoch geworden. Der Präsident des Bundesverbands Deutscher Banken, Rolf Breuer, konstatiert im Bankenjargon:
"Im internationalen Vergleich ist unser Bankenmarkt nach wie vor hoffnungslos overbanked und overbranched. Wir leisten uns immer noch einen Luxus, der an sich nicht mehr bezahlbar ist. Kapazitätsabbau bedeutet aber auch - und diese bittere Wahrheit muss ebenfalls angesprochen werden - einen weiteren Personalabbau in der deutschen Kreditwirtschaft."
Beim Bankenverband relativiert man den eingangs erwähnten Vergleich zwischen der Stahlindustrie und dem Bankgewerbe auch im Hinblick auf die Personalentwicklung, weil diese in den 90er Jahren sogar noch einen Aufwärtstrend aufwies. Die Gesamtzahl der Beschäftigten ist im vergangenen Jahrzehnt angestiegen, weil Einsparungen im Filialnetz durch neue Beschäftigungsfelder wie Online-Banking oder Investment-Banking überkompensiert wurden.
Somit ist im Gegensatz zu den Zweigstellen die Zahl der Beschäftigten im Kreditgewerbe sogar in den letzten Jahren weitgehend unverändert geblieben. Im Jahre 2001 ging sie erstmals seit 1993 merklich zurück, womit die Branche mit erheblicher Verzögerung auf die Verschlechterung der Ertragslage reagierte. Immerhin haben allein die vier Großbanken - Deutsche und Dresdner Bank sowie HypoVereins- und Commerzbank - inzwischen 30 000 Stellen abgebaut, weitere 10 000 dürften noch folgen. Experten rechnen damit, dass insgesamt bis zu 100 000 Arbeitsplätze in der gesamten Branche gefährdet sind. Denn, so Rolf Breuer , die Strukturprobleme lassen sich nur durch eine umfassende Konsolidierung bereinigen:
"Selbstkritisch müssen wir feststellen, dass es auch das private Bankgewerbe in den guten Jahren versäumt hat, diesen Strukturwandel entschlossen einzuleiten. In den 90er Jahren wären viele notwendige Schritte leichter zu verkraften gewesen als dies heute der Fall ist. Der deutschen Bankenlandschaft stehen weitere tiefgreifende Veränderungen bevor. In fünf bis zehn Jahren werden wir alles in allem rund die Hälfte weniger Filialen in Deutschland haben, wie dies schon heute in unseren Nachbarländern der Fall ist. Dort haben die Kunden keineswegs den Eindruck , dass sie mit Banken und Bankdienstleistungen unterversorgt sind."
In der Diskussion über die Konsolidierung der deutschen Bankwirtschaft setzen die anderen Institutsgruppen allerdings auch noch andere Akzente. Beim Bundesverband der deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken sieht man beispielsweise im Filialnetz nur einen Teil der Kostenproblematik. Zwar geht man auch in diesem Verbund davon aus, dass sich die Zahl der rechtlich selbständigen Institute von gegenwärtig fast 1 500 auf nur noch 800 bis 1000 reduzieren wird - und damit einhergehend eine Verringerung der Filialen. Deren Zahl sei aber mitnichten ursächlich für die negativen Schlagzeilen der letzten Zeit über die deutsche Bankwirtschaft. Der Verbands-Präsident Christopher Pleister verweist auf strategische Fehlentscheidungen - und meint damit vor allem die Großbanken:
"Die einseitige Ausrichtung in Richtung Investmentbanking und internationales Geschäft zu einer Zeit, wo die Kapitalmärkte dramatisch verfallen sind, war natürlich eine Fehlentscheidung. Man hat die Kosten, man hat die entsprechenden Strukturen, aber man hat nicht die Erträge."
In die gleiche Kerbe haute der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes, Dietrich Hoppenstedt, anlässlich eines parlamentarischen Abends in Berlin. Nachhaltige Probleme hätten vor allem Institute, die in den letzten Jahren ständige Strategiewechsel als Ausdruck von Modernität und Innovation verstanden . Es seien Institute, die sich durch Ausgliederung und Aussortierung von wichtigen Teilen ihrer Kunden verabschiedet hatten, weil sie diese als nicht ertragreich genug ansahen. Statt dessen hätten sie dem internationalen Geschäft und dem Investmentbanking einen größeren Stellenwert eingeräumt als dem inländischen Breitengeschäft, dem sogenannten Retailmarkt. Jetzt besinne man sich in vielen Häusern wieder auf die Vorteile des Retailgeschäfts. Dort fehle allerdings heute vielen Instituten die Breite, um rentabel arbeiten und Risiken durch Streuung vermeiden zu können, so Hoppenstedt.
Das klingt nach Retourkutsche. Denn innerhalb der Kreditwirtschaft bestehen erhebliche Spannungen zwischen den drei Bank-Sektoren. Die privaten Banken beklagen seit langem die Benachteiligung gegenüber den öffentlich-rechtlichen Sparkassen, die bisher durch Staatsgarantien abgesichert sind. Diese führen zu Spitzenbonität, erlauben bessere Refinanzierungskonditionen und bringen damit geschäftliche Vorteile. Was den privaten Banken vor allem im Hinblick auf die ebenfalls im internationalen Geschäft tätigen öffentlich-rechtlichen Landesbanken ein Dorn im Auge war. Breuer erläuterte:
"Schon vor über 10 Jahren sind wir mit unserer Beilhilfebeschwerde bei der Europäischen Kommission in Brüssel gegen heftige Widerstände für einen fairen Wettbewerb eingetreten. Die Politik hat diesen Prozess nach Kräften zu konterkarieren versucht, und sich der dringend erforderlichen Neuordnung der deutschen Kreditwirtschaft in den Weg gestellt."
Inzwischen haben die Privatbanken erreicht, dass die staatlichen Haftungsgrundlagen auf Brüsseler Druck bis zum Jahr 2005 drastisch geändert werden. "Dadurch wird für die Sparkassen der Schutzzaun eingerissen, der sie noch ein ganzes Stück vom Wettbewerb abgeschirmt hat", sagt Stefan Stein, Geschäftsführer des Bochumer Instituts für Kredit- und Finanzwirtschaft. Die Haftung des Staats wird also künftig eingeschränkt, zudem müssen die Institute ihr Eigenkapital marktgerecht verzinsen.
Rolf Breuer vom Bankenverband fordert nunmehr ein Umdenken der Politik, sich nicht länger dem Strukturwandel entgegenzustellen, sondern ihn aktiv zu fördern. Gemeint ist damit die Überwindung der Sektoren-Aufteilung des deutschen Bankgewerbes, die in europäischen Nachbarländern schon keine Rolle mehr spiele. Selbst wenn die Banken ihre Hausaufgaben zur Verbesserung der Kosten- und Ertragssituation erstklassig erfüllten, würde die deutsche Kreditwirtschaft im internationalen Wettbewerb weiter zurückfallen, wenn die Politik die drängenden Strukturprobleme nicht endlich anpacke, betonte Breuer und ergänzte:
"Angesichts der großen Probleme, vor denen alle Bankengruppen gleichermaßen stehen, sind aber Zusammenarbeit, Kooperationen und letztlich Fusionen und Übernahmen unumgänglich. Dies ist deshalb wichtig, weil auch eine grenzüberschreitende Konsolidierung in Europa bevorsteht. Wenn wir die notwendigen Strukturreformen jetzt weiter blockieren, werden wir in den nächsten Jahren keine gute Ausgangsposition für einen Konsolidierungsprozess in Europa erreichen. Wir müssen Gestalter des Prozesses sein und nicht Getriebene. Um die nationale Konsolidierung überhaupt zu ermöglichen, müssen zunächst die rechtlichen Beschränkungen in den Landesgesetzen abgeschafft werden. Privatinvestoren muss die Möglichkeit eröffnet werden, sich gleichberechtigt und ohne Einschränkungen an Landesbanken und Sparkassen zu beteiligen. Gleiches sollte auch für Kooperationen über die Institutsgruppen hinweg gelten."
Doch die Widerstände sind beachtlich. Erste politische Initiativen im Saarland und in Rheinland-Pfalz sind bei Lokalpolitikern und bei den öffentlichen-rechtlichen Sparkassen auf entschiedene Ablehnung gestoßen. Dietrich Hoppenstedt sieht auch keinen Grund, wie er wörtlich formulierte, "etwas sehr Erfolgreiches in Frage zu stellen". Die Sparkassen hätten gezeigt, dass sie reformfähig und reformwillig seien. Die Marktbearbeitung werde verstärkt, zusätzliche Ertragspotentiale würden erschlossen und die Kosten gesenkt. Hoppenstedts Kommunikationschef Christian Achilles unterstreicht: "Der große Vorteil dieses Systems ist aus unserer Sicht, dass wir Bankengruppen haben mit ganz unterschiedlichen Geschäftsphilosophien. Und gerade die jetzige, auch sehr schwierige Zeit der Kreditwirtschaft, zeigt, dass es gut ist, dass man Banken hat, die mehr auf den inländischen Markt konzentriert sind, und sicherlich auch andere, die mehr auf internationale Geschäfte konzentriert sind, aber man stelle sich mal vor, wir hätten jetzt alle dieselbe Geschäftsphilosophie wie die privaten Banken, vermute ich mal, dass die Krise in Deutschland erheblich gravierender ausfallen würde."
Beim Genossenschafts- wie beim Sparkassenverbund gibt es immerhin über die organisationsintern sich verstärkende Zusammenarbeit hinaus bereits erste Anzeichen für gemeinsame Aktivitäten. So ist fest geplant, das Wertpapiergeschäft nur noch von einem Institut abzuwickeln zu lassen. In beiden Bankengruppen sieht man durchaus die Möglichkeit zu weiteren Kooperationen in jenen Bereichen, die nicht wettbewerbsrelevant sind. Christopher Pleister vom Zentralverband der Genossenschaftsbanken gibt sich in dieser Hinsicht auch gegenüber den privaten Banken offener als die Sparkassenseite:
"Das kann sehr, sehr viele Bereiche betreffen; das ganze Transaktionsgeschäft, also Zahlungsverkehr, Wertpapierabwicklung, wesentliche Teile des Auslandsgeschäfts kann man sektorenübergreifend organisieren, Teile der Kreditbearbeitung, die ganze Back-Office-Funktion im Kreditgeschäft kann man sektorenübergreifend organisieren. Wir haben in all diesen Geschäften als Sektor allein mit einem Marktanteil um die 20 Prozent genug kritische Masse, dass wir auch bei uns selber noch Optimierungs- und Rationalisierungspotentiale heben können. Aber wir würden noch besser werden, wenn wir das mit anderen zusammenmachen, und deshalb suchen wir da auch die Zusammenarbeit."
Dennoch : An der Dreiteilung des deutschen Bankgewerbes will auch Pleister nicht rütteln lassen. Solange die öffentlich-rechtlichen Banken ihre Eigentümerstruktur beibehalten, werden sie nach seiner Einschätzung als eigenständige Säule bestehen bleiben. Und die Genossenschaftsbanken hätten ihre besonderen satzungsgemäßen und auch von der Eigentümerstruktur vorgegebene Aufgabenstellung, die sie auch weiterhin erfüllen würden. Pleister weiter:
"Alle drei Sektoren haben ihre Notwendigkeit bis heute unter Beweis gestellt. Wobei natürlich die Fähigkeiten aller dieser drei Sektoren, über ihre Ursprungsklientel hinaus Kundenbedürfnisse zu befriedigen, gewachsen ist, so dass es hier zu Überschneidungen und auch Wettbewerbssituationen kommt. Aber gerade dieser scharfe Wettbewerb, der dadurch in Deutschland gegeben ist, ist ja etwas, was sich zum Wohle der Verbraucher und letztlich auch zum Wohle der Effizienz der Gesamtwirtschaft ausgesprochen positiv auswirkt."
Auch Bundesbank-Direktor Edgar Meister glaubt nicht, dass eine Aufweichung der drei Säulen die aktuellen Ertragsprobleme der Banken lösen könnte. Eine grundsätzliche Debatte über eine Neuorganisation des Finanzmarktes sollte wohlüberlegt und nicht von kurzfristigen Interessen getrieben sein. Übereinstimmung besteht unterdessen darüber, dass die Margen im Kreditgeschäft zu niedrig sind und die Kreditrisiken künftig stärker berücksichtigt werden müssen. Insbesondere die mittelständischen unternehmen sind von den von Rekord zu Rekord eilenden Insolvenzen am stärksten betroffen. Über 40 000 Firmenpleiten erwartet die Wirtschaftsauskunftei Creditreform in diesem Jahr; hinzu kommen noch weit mehr Insolvenzen von Privatverbrauchern. Unter den dadurch entstandenen und weiter drohenden Kreditausfällen leidet natürlich das gesamte Bankengewerbe. Dietrich Hoppenstedt wiegelte allerdings ab: Die Sparkassengruppe kenne aufgrund der Konzentration auf Privatkunden und mittelständische Unternehmen ihre Klientel genau und habe deshalb rechtzeitig Vorsorge getroffen. Die erhöhten Wertberichtigungen hätten bisher vollständig durch Risikovorsorgereserven aus den Vorjahren aufgefangen werden können. Christian Achilles ergänzte:
"Wir sind uns aber sicher, dass unsere Organisation schon jetzt ein stabilisierender Anker im deutschen Finanzmarkt ist. Wir übernehmen ja im Moment massiv Mittelstandsengagements etwa von anderen Institutsgruppen. Die Großbanken haben sich im letzten Jahr, haben ihr Kreditvolumen für Unternehmen in Deutschland um 19 Milliarden Euro vermindert. Die Genossenschaftsbanken haben’s um 3,5 Milliarden Euro vermindert. Wir sind die einzige Bankengruppe, die es ausgeweitet hat, nämlich um drei Milliarden Euro."
Trotz aller Gegensätze zeichnet sich nun aber doch eine gemeinsame Initiative des Bankgewerbes zur Verminderung der Kreditrisiken und zur Bereitstellung größerer Finanzierungs-Volumina ab. Nach anfänglichem Zögern und verbandsinternem Streit hat sich die Sparkassen-Gruppe jetzt dafür entschieden, am Verbriefungs-Projekt unter Federführung der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) teilzunehmen. Nach Angaben des Sparkassen- und Giroverbandes werden sich zunächst die Bayerische Landesbank, die Helaba, die WestLB sowie das Zentralinstitut, die Deka-Bank, beteiligen. Die Planung zur Gründung einer gemeinsamen Abwicklungsgesellschaft war bisher von den vier Großbanken, Deutsche Bank, Dresdner Bank, Commerzbank und HypoVereinsbank, sowie vom genossenschaftlichen Zentralinstitut, der DZ-Bank, vorangetrieben worden, KfW-Chef Hans Reich erläutert die Idee:
"Mit der Verbriefung übertragen wir die Ausfallrisiken von Mittelstandskrediten an den Kapitalmarkt. Dadurch kommt es bei den Kreditinstituten zu einer Risiko- und Eigenkapitalentlastung, so dass es ihnen wiederum ermöglicht wird, kleinen und mittelständischen Unternehmen neue Kredite zu gewähren."
Bundesbankdirektor Edgar Meister sieht unterdessen die Kreditwirtschaft auf gutem Wege, mit den eingeleiteten Maßnahmen zur Kostensenkung und zur Verringerung des Risikopotentials die Ertragslage zu verbessern. Selbst beim Bankenverband ist man zuversichtlich, dass sich die aktuellen Probleme schnell überwinden lassen, wenn sich die gesamtwirtschaftliche Situation wieder verbessert. Rolf Breuer sieht auch keinerlei Anlass, an der Solvenz des bestehenden Systems zu zweifeln, mag andererseits Pleiten aber nicht ausschließen. Um ihre Einlagen besorgte Kunden kann da der Hinweis von Mark Wahrenburg, Professor für Bankbetriebslehre an der Universität Frankfurt, vielleicht beruhigen:
"Eine Bank kann durchaus insolvent gehen und vor dem Insolvenzrichter landen. Gleichzeitig brauchen sich die Spareinleger aber keine Sorgen zu machen, weil eine Einlagensicherungsinstitution für ihre Forderungen gerade steht."