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Vom Brain Drain zum Brain Gain

Um dem "Brain Drain", der Abwanderung deutscher Wissenschaftler ins Ausland, etwas entgegenzusetzen, arbeitet der Deutsche Akademische Austauschdienst DAAD in New York seit zwei Jahren an einem Projekt namens GAIN - German Academic International Network - mit dem Ziel, eine Datenbank über Deutsche in den USA aufzubauen, sie mit Informationen über die Hochschul- und Forschungslandschaft in Deutschland zu versorgen und so vielleicht zur Rückkehr zu bewegen. Doch ob aus dem "Brain Drain" ein "Brain Gain" wird, steht in den Sternen.

Von Max Böhnel | 18.08.2005
    Der New Yorker DAAD-Leiter Ulrich Grothus schätzt die Zahl der in den USA arbeitenden deutschen Wissenschaftler grob auf zehn- bis zwanzigtausend. Das Problem beginnt mit ihrer Erfassung, da es keine Abwanderungslisten, keine Ab- oder Anmeldestatistiken
    gibt. Ulrich Grothus:

    " Wir versuchen es ein bisschen nach dem Schneeballprinzip. Wir haben ja selbst, wie auch die anderen Wissenschaftsorganisationen, einige von ihnen nach Amerika gebracht mit Stipendien, und einige sind dann geblieben, die meisten sind zurückgegangen. Und ein bisschen über die und andere Kontakte und die Öffentlichkeit versuchen wir, den Schneeball ins Rollen zu bringen. Wir sind inzwischen mit über 1000 deutschen Wissenschaftlern, die in den USA arbeiten, in Kontakt. "

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    Zum Beispiel mit Jan Schmoranzer, einem der deutschen Wissenschaftler in den USA, die sich dem Netzwerk GAIN angeschlossen haben. Schmoranzer arbeitet seit zehn Jahren in den USA und betreibt Grundlagenforschung an der Columbia University. Das GAIN-Network habe ihn über einen Zufallskontakt ausfindig gemacht. Doch seinem Rückkehrbedürfnis stehe ein großes "Aber" entgegen:
    " Ich würde schon gern nach Deutschland zurückgehen, die Möglichkeiten sind allerdings begrenzt, also von Förderungsmitteln, von Flexibilitäten, da gibt's das Stichwort "tenure track" oder Juniorprofessur, das alles heiß diskutiert wird, und das ist alles etwas unsicher, würde ich sagen, in Deutschland. "

    Fehlende Karrieresicherheit in Deutschland - das heißt zum Beispiel, dass für den promovierten Nachwuchs keine Zusicherung auf eine Planstelle existiert. Was auf der GAIN-Webseite immerhin offen angesprochen - und wenn sich neue Aspekte in der deutschen Debatte ergeben - sofort aktualisiert wird. Eine weitere Serviceleistung, die der DAAD neuerdings anbietet, besteht in der Vernetzung von Wissenschaftlern im Exil untereinander, um dem Bedürfnis nach Gemeinschaft nachzukommen. Der Leiter des New Yorker DAAD-Büros Ulrich Grothus sagt dazu:

    " Wir haben eine Online-Wissenschaftler-Datenbank, wo sich Chemiker oder Physiker oder Maschinenbauingenieure, die aus demselben Bereich kommen oder im selben Bereich forschen oder nahe beieinander wohnen, in Verbindung kommen können. Wir machen Veranstaltungen, um sie untereinander und mit uns bekannt zu machen. Wir machen einen Newsletter. "

    Der Biologe Jan Schmoranzer zum Beispiel besucht auch die DAAD-Veranstaltungen. Er hat sich vor Monaten in die Datenbank eintragen lassen und diskutiert kräftig mit. Trotzdem bleibt bei ihm die Skepsis. Zu stark sind ihm die Klagen im Ohr, die er von seine Freunden hört, die nach Deutschland zurückgegangen sind.

    " Größtenteils höre ich, dass es schwer ist, sich wieder einzuleben, dass es alles recht starr ist, die Forschungslandschaft und die Strukturen, und dass Leute da jetzt nicht unbedingt bleiben wollen, und vielleicht sogar wieder zurück wollen nach USA. An einer deutschen Universität sind die Strukturen halt recht altmodisch und starr. Und so etwas ist dann schwer verdaulich, nachdem man hier gewesen ist. "

    Was die Verdienstmöglichkeiten, aber auch die Ausstattung mancher Labore angeht, müsse sich Deutschland vor den USA nicht verstecken, lenkt Ulrich Grothus ein. Gerade in dieser Hinsicht gebe es bei deutschen Auslandswissenschaftlern Informationsdefizite, die der DAAD mit dem GAIN-Network beheben will. Ulrich Grothus:

    " Es gibt in Amerika viele Wissenschaftler, die schlechter verdienen als Wissenschaftler in Deutschland. Auch die meisten amerikanischen Wissenschaftler arbeiten nicht am MIT, auch die meisten deutschen Wissenschaftler arbeiten nicht am MIT. Es gibt durchaus eine differenzierte Landschaft auf beiden Seiten, und es gibt immer wieder Fälle, wo deutsche Wissenschaftler sagen, nicht nur aus persönlichen Gründen, sondern auch aus wissenschaftlichen, sie haben bessere Arbeitsmöglichkeiten an einem Institut in Deutschland, was sie haben will, gegenüber dem Institut in Amerika, wo sie tatsächlich sind oder wo sie hinkommen könnten. "