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Vom Bunsenbrenner zum Frequenzkamm

Physik. – Mit Theodor W. Hänsch wird nach langer Zeit wieder ein deutscher Wissenschaftler, der überdies noch in seiner Heimat tätig ist, mit dem Nobelpreis für Physik geehrt. Hänsch galt seit geraumer Zeit als viel versprechender Aspirant für die höchste Forscher-Auszeichnung.

Von Ralf Krauter, Hellmuth Nordwig, Frank Grotelüschen | 04.10.2005
    Ralf Krauter: Besonders groß war die Freude hierzulande natürlich, weil endlich einmal wieder ein deutscher Forscher auf dem Treppchen steht. Und diesmal sogar einer, der auch in Deutschland arbeitet. Zuletzt hatte 2001 der in den USA forschende Deutsche Wolfgang Ketterle den Physiknobelpreis bekommen. Herr Nordwig, in München war die Freude vermutlich ziemlich groß?

    Hellmuth Nordwig: "Natürlich haben die Sektkorken geknallt in der Universität in München, wo Professor Theodor Hänsch einen Lehrstuhl hat, und auch in Garching am Max-Planck-Institut für Quantenoptik. Man hat damit gerechnet, dass er ihn irgendwann kriegen wird, aber wenn es dann soweit ist, dann ist die Freude natürlich doch groß. Leider musste Theodor Hänsch heute direkt nach San Francisco, wo er einen lang vereinbarten Termin wahrnehmen muss. So war er gleich auf dem Weg zum Flughafen und konnte kaum am Sekt nippen. "

    Krauter: Wir haben schon gehört, Theodor Hänsch wurde in Heidelberg geboren. Was weiß man sonst noch über ihn?

    Nordwig: "Er hat nicht nur einen Bunsenbrenner geschenkt bekommen als Kind, er hat sogar in der Bunsenstraße gewohnt - und beides zusammen hat ihn wohl veranlasst, mit diesem Flammenwerfer zu experimentieren. Er hat nämlich die Flammenfärbung von Salzen schon als Kind studiert. Das kann jeder nachvollziehen, wenn man ein Kochsalzkristall in eine Flamme hält, dann leuchtet es ganz orange. Das hat ihn fasziniert und veranlasst, Physik zu studieren. Er muss da sehr zielstrebig gewesen sein: mit 28 war er bereits promoviert. Das ist für deutsche Verhältnisse sehr früh. Auch sonst ging die Karriere sehr geradlinig weiter. "

    Krauter: Wenn man sich die Liste seiner Auszeichnungen weiter anschaut, darunter Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Philipp Morris Forschungspreis, das Bundesverdienstkreuz - das klingt in der Tat alles nach einem Überflieger?

    Nordwig: "Ja, Hänsch muss wirklich ein Überflieger sein. Seine Mitarbeiter beschreiben ihn auch als genial. Dabei ist er persönlich ein eher scheuer Mensch. Wenn man einmal mit ihm warm geworden ist, kann er durchaus auch leutselig sein. Er sucht auch den Kontakt mit den Studenten. Daher auch der Universitätslehrstuhl. Aber er zieht sich gerne zurück in seine Wohnung in Florenz, die er mit Liebe selbst renoviert hat. Hier kann er seiner Bastelleidenschaft frönen, die er sonst natürlich in seinem Labor auslebt. Er hat mir dann im Gespräch dann gesagt, wissenschaftlich, denkt er, ist es eine phantastische Zeit im Moment. Er bemängelt aber, dass die Akzeptanz in der Öffentlichkeit nicht so da ist. Das ist etwas, das er bedauert. Ich habe ihn dann vor kurzem noch gefragt, was er eventuell noch an beruflichen Zielen hat. Dazu meinte er: "Mitarbeiter, die besser sind als ich!""

    Krauter: John Hall und Theodor Hänsch erhalten je ein Viertel des Nobelpreises für ihre Arbeiten zur Präzisionslaserspektroskopie und die Entwicklung der optischen Frequenzkammtechnik. Herr Grotelüschen, was muss man sich darunter vorstellen?

    Grotelüschen: "Das ist im Prinzip nichts anderes als ein optisches Lineal - ein Lineal für Licht. Die Physiker waren schon immer darauf aus, von einem Laserstrahl die Farbe möglichst genau zu messen. Das braucht man für zahlreiche Anwendungen in der Physik oder auch in der Technik. Dazu brauchte man früher große Hallen mit riesigen Experimenten. Hänsch und Hall haben einen sehr kompakten Versuchsaufbau entwickelt Ende der 90er Jahre, der im Prinzip in einen Schuhkarton passt."

    Krauter: Warum hat das denn so lange gedauert, so etwa zu entwickeln?

    Grotelüschen: "Grundlage der ganzen Geschichte ist ein Laser, der extrem kurze Pulse liefert, so genannte Femtosekunden-Pulse. Der Laser erzeugt die Lichtblitze, die durch eine speziell präparierte Glasfaser geschickt werden. Da kommt dann weißes Licht heraus, das man mit einem Gitter und einem Prisma zerlegen kann. Schaut man sich dieses Spektrum genau an, dann sieht man Hunderttausende von scharfen Laserlinien mit exakt gleichmäßigem Abstand. Das sieht aus wie ein Kamm, deswegen spricht man auch von einem Frequenzkamm, Wenn man einen Laserstrahl, denn man vermessen will, mit diesem Frequenzkamm vergleicht, dann kann man sozusagen wie mit einer Stimmgabel den Lichtstrahl einordnen und seine Farbe bestimmen. Knackpunkt ist eigentlich der Ausgangslaser - der Femtosekundenlaser. Das sind Apparate, die es eigentlich erst seit Ende der 90er Jahre gibt."

    Krauter: Ein Lineal für Licht - für dessen Entwicklung hat Hänsch auch schon den Philipp Morris Forschungspreis zusammen mit anderen erhalten. Was sind denn potenzielle Anwendungen dieses neuen Werkzeugs zur Vermessung von Licht.

    Grotelüschen: "Ganz interessant ist eine optische Atomuhr. Aber zum Beispiel auch die Glasfaserkommunikation. Da geht es darum, in Zukunft noch mehr Informationen durch eine einzige Glasfaser zu schicken, oder noch mehr Informationen in einem Handynetz unterzubringen. Da könnte der Frequenzkamm eben eine ganz prominente Rolle spielen. Oder auch eine andere Anwendung wäre, das Urmeter noch besser zu vermessen. Deswegen beschäftigen sich auch Physiker an der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt mit dieser Technologie - und die sind auch sehr begeistert.
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