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Vom Demokraten zum Feudalherren

Er wird bereits der "Berlusconi Asiens" genannt – wegen ähnlich gelagerter Verquickungen zwischen politischem Amt und geschäftlichen Interessen: Thailands Premier Thaksin ist schwer in die Kritik geraten. Seit Wochen halten die Demonstrationen in Bangkok an – und die Zahl seiner Gegner wächst.

Von Nicola Glass |
    Der Slogan ist seit Wochen der gleiche: "Raus mit dir, Thaksin" fordern die Demonstranten. Der Protest gegen Thailands Premier Thaksin Shinawatra lässt nicht nach – im Gegenteil. Bei der jüngsten Großkundgebung vor wenigen Tagen haben sich nach Meinung von Beobachtern mehr als 100.000 Menschen in der Hauptstadt Bangkok versammelt.

    Diejenigen, die aus den Provinzen angereist sind, übernachten im Hotel oder kampieren unter freiem Himmel auf dem "Sanam Luang", dem großen Platz in der Nähe des königlichen Palastes. Von dort aus gab es bereits mehrere Demonstrationsmärsche in Richtung Regierungssitz. Die Empörung sitze tief, sagen zwei Teilnehmerinnen:

    "Mein Premierminister ist korrupt, und zwar sehr, er verkauft mein Land, da kann ich doch nicht zuhause sitzen, ich muss einfach hierher kommen."

    "Er verkauft unser Land an Singapur, dabei können wir doch nicht weiter zuschauen. Wir sind beide Ärztinnen, meine Freundin hier ist Zahnärztin, und beide haben wir beschlossen, nicht eher wieder zur Arbeit zu gehen, bis er zurückgetreten ist."

    Die erste Großkundgebung gegen den Premier fand Anfang Februar statt. Der Grund: Seine Familie hatte im Januar ihren Anteil von knapp 50 Prozent des einst von Thaksin gegründeten Kommunikationskonzerns "Shin Corp" an eine staatliche Investmentgesellschaft namens "Temasek" in Singapur verkauft. Für den Deal erhielt sie umgerechnet 1,6 Milliarden Euro.

    Die Kritiker werfen Thaksin den Ausverkauf wichtiger thailändischer Wirtschaftszweige vor. Denn die "Shin Corp" war bis dato der größte Mobilfunkanbieter in Thailand, beherrschte das Satellitengeschäft und hielt Anteile an den meisten Rundfunk- und Fernsehkanälen. Die Protestler ärgern sich zudem darüber, dass der Clan des Premiers für das Milliardengeschäft keine Steuern zahlen musste.

    Thaksin Shinawatra sieht sich zunehmend unter Druck. Kürzlich drohte er gar damit, den Ausnahmezustand über das Land zu verhängen, sollten die Proteste in Gewalt ausarten. Führende Militärs erklärten jedoch, dass sie eine solch drakonische Maßnahme keineswegs unterstützen würden. Dies würde dem Ansehen Thailands schaden.

    Vor der Opposition kapitulieren will Thaksin nicht. Es wird zwar gemunkelt, dass der Premier überlege, von seinem Amt zurückzutreten. Das jedoch bestreitet der Regierungschef öffentlich.

    "Thaksin, kämpfe, kämpfe!" riefen seine Anhänger auf einer Gegendemonstration Anfang März. Gerüchte machten die Runde, dass viele von ihnen dafür bezahlt worden seien, um aus den Provinzen nach Bangkok zu reisen und Thaksin und seine Partei "Thais lieben Thais" zu hofieren. Das aber bestreiten manche. Sie sind von der Integrität ihres Regierungschefs überzeugt:

    "Für diesen Moment ist er der beste, das ist meine Meinung, es gibt keinen besseren."

    "Ich will hiermit meine Unterstützung für Thaksin Shinawatra zeigen. Ich finde, er ist ein fähiger Premierminister und unsere Landsleute sollten ihm eine Chance geben, zu erklären, was wirklich passiert ist. Aber die Oppositionsparteien und ihre Verbündeten hören ihm doch gar nicht zu. Ich aber vertraue auf Premier Thaksin Shinawatra."

    Mittlerweile ist ganz Thailand polarisiert: Bei der Landbevölkerung im Norden und Nordosten, die die Mehrheit im Land ausmacht, ist Thaksin immer noch ziemlich populär. Doch in der Hauptstadt Bangkok sowie in den muslimisch dominierten Südprovinzen wollen ihn viele am liebsten sofort aus dem Amt gejagt sehen.

    Seit Thaksins Amtsantritt vor fünf Jahren verschärfte er immer wieder den Druck auf seine Kritiker. Journalisten, die zum Beispiel seinen populistischen Führungsstil anprangerten, wurden auf andere Posten versetzt oder entlassen. Den seit Januar 2004 andauernden blutigen Konflikt im muslimischen Süden Thailands versuchte Thaksin mit harter Hand zu beenden:

    Immer wieder wurden Menschen, denen man vorwarf, mit Separatisten unter einer Decke zu stecken, verhaftet oder verschleppt. All das steht im Gegensatz zur der 1997 neu formulierten Verfassung, die eigentlich die Bürgerrechte stärken sollte.

    Vor allem nach dem Verkauf des Kommunikationsunternehmens "Shin Corp" trauen ihm viele Thailänder jetzt gar nicht mehr. Der Demonstrant Tong, der bei den Anti-Thaksin-Kundgebungen mitmacht, erklärt, warum aus seiner Sicht ein Kompromiss ausgeschlossen ist und eine Neuwahl keinen Sinn macht:

    "Er weiß, und wir wissen, dass, wenn man Kopf für Kopf durchzählen würde, er wahrscheinlich gewinnen würde. Doch ein Comeback würde ein totalitäres Regime bedeuten, er würde jede Protestbewegung unterdrücken. Viele Leute fragen uns, warum wir keinen Kompromiss eingehen wollen und wir sagen immer wieder, dass wir das nicht machen können.

    Thaksin sucht doch nach einer Möglichkeit, dass die Leute zurückweichen und er die Kontrolle wiedererlangen kann. Er wartet darauf, dass Gewalt ausbricht, denn dann will er den Ausnahmezustand verhängen und das würde für uns sehr problematisch werden."

    Thaksins Gegner verlangen einen öffentlichen, live im Fernsehen übertragenen Schlagabtausch. Das aber lehnt der Premier ab. Bei jeder großen Demonstration gegen ihn hat er es außerdem vorgezogen, in eine seiner Hochburgen zu reisen.

    Erschwerend kommt für Thaksin hinzu, dass sein einstiges Unternehmen, die "Shin Corp" gerade einen Aufsehen erregenden Gerichtsprozess verloren hat. Der Konzern hatte die Medienrechtlerin Supinya Klangnarong wegen Verleumdung verklagt: Supinya hatte vor knapp drei Jahren in einem Interview erklärt, dass die Profite der "Shin Corp" deutlich angestiegen seien, seit Thaksin 2001 an die Macht gekommen war.

    Das aber gefiel dem Konzern überhaupt nicht: Schließlich könnten die Kommentare der Medienrechtlerin den Eindruck erwecken, dass die "Shin Corp" auf unfaire Weise von Thaksins politischem Amt profitiert habe. Ein Bangkoker Gericht hat die junge Frau jetzt freigesprochen. Das Urteil dürfte der Anti-Thaksin-Bewegung weiteren Auftrieb verleihen, meint Supinya Klanganrong:

    "Ich war zu einem Zeitpunkt verklagt worden, als Thaksins Popularität immer weiter zunahm. Wenn ich das Ganze heute sagen würde, würde ich nicht verklagt werden. Ich möchte, dass aus diesem Fall Lehren gezogen werden, nämlich dass mächtige Gruppierungen, egal ob es sich um Politiker oder Unternehmen handelt, so etwas nicht leichtfertig tun sollten. Letztlich gerät so etwas für sie zum Bumerang und fällt auf sie selbst zurück."

    Mittlerweile ist fraglich, ob die von Thaksin kurzfristig angesetzten Neuwahlen überhaupt Anfang April stattfinden können. Denn in vielen Wahlbezirken mussten Kandidaten disqualifiziert werden, weil sie sich nicht korrekt registriert hatten. Zudem will die Opposition die Wahl boykottieren. Ein Ende der Krise ist nicht absehbar. Unterdessen gehen die Proteste gegen Thaksin weiter. Viele Demonstranten haben beschlossen, so lange vor dem Regierungssitz auszuharren, bis der Premier zurücktritt.