" Ich habe offen gestanden noch nicht an sehr vielen derartigen Veranstaltungen teilgenommen. In Erlangen bin ich zum ersten Mal. Es kann da zwei Möglichkeiten geben: Entweder es entsteht ein Rausch des Zuhörens und des Sich-Begeisterns. Oder es entsteht ein Überdruss an dem bunten Programm. "
Martin Mosebach, diesjähriger Büchner-Preisträger und somit "Stargast" beim 27. Erlanger Poetenfest, brachte es auf den Punkt: vier Tage Literatur pur, unter freiem Himmel im Schlosspark oder im dunklen Theatersaal, in Kino, Galerie oder Orangerie; 80 Schriftsteller, Kritiker, Übersetzer; 220 Titel auf den Büchertischen, davon allein 30 druckfrische, bislang kaum in den Feuilletons besprochene literarische Herbst-Novitäten; zwei ganze Nachmittage lang Lesungen auf dem Hauptpodium im Halb-Stunden-Wechsel mit nahtlos anschließenden biografischen Tiefenforschungen in Publikumsgesprächen; Experten-besetzte Foren über Gott - in diesem Fall speziell über den aus dem Koran - und die Welt, die diesmal geografisch etwas unkorrekt nur von der DDR bis Europa reichte; dazu ein Genre-Spektrum, das kaum Interessen und Neigungen unberücksichtigt ließ - von der Kunst und Plage der Übersetzung, von der der kluge und uneitle Georges-Arthur Goldschmidt so wunderbar sprach, bis zur Leichtigkeit der Kinderwelt in Büchern der 100-jährigen Astrid Lindgren.
Wer da, im Sinne von Mosebachs Skepsis, kein Wort-Süchtiger war, bei dem musste sich doch schon bald ein leichtes Völlegefühl einstellen.
So ist es angesichts dieses überbordenden Programm-Angebots - Kritiker sprechen schon von der "größten Deutschstunde der Welt" - eigentlich nur folgerichtig, wenn heute Abend zum Abschluss in einer Diskussionsrunde eine "notwendige Debatte über die Folgen der Event-Kultur" (so der Titel) eröffnet wird. Aber ist es am Ende solch eines Festivals, das selber alle Facetten eines kulturellen Groß-Ereignisses bietet, dann nicht auch schon zu spät dafür? Bodo Birk vom Erlanger Kulturamt:
" Ich glaube schon, dass wir bei dieser Debatte das Poetenfest nicht ausnehmen können. Es wäre völlig naiv, das zu verneinen, auch wenn wir natürlich versuchen, was den Kern anbelangt mit den Lesenachmittagen und Autorenporträts, es nicht zu über-eventisieren, sondern relativ altmodische und klassische Veranstaltungen zu machen. Aber natürlich ist das Poetenfest auch Teil so eines Literaturbetriebs. Natürlich gucken wir auch auf die Nominierungen zum Deutschen Buchpreis, freuen uns, wenn viele davon in Erlangen dann da sind, gucken auf die anderen Preise, achten darauf, wer wird wohl im Gespräch sein um die Jahreszeit und sind natürlich genauso Bestandteil dieses ganzen Betriebes und dieser vielleicht auch problematischen Eventisierung von Kultur. "
Längst ist das literarische Fest mitten im kulturellen Sommerloch daher auch zu einer festen ökonomischen Größe geworden in Erlangen: die Hotels sind ausgebucht, in den Gaststätten der Altstadt sind die Plätze rar - und der örtliche Buchhandel reibt sich die Hände wie sonst nur noch im Weihnachtsgeschäft:
"Für den Buchhandel ist es natürlich wichtig, weil wir innerhalb kürzester Zeit, sowohl im Vorfeld als auch während des Poetenfestes, die Neuerscheinungen des Herbstes verkaufen. Es kommen ungefähr 50, 60 Autoren, die ja nicht nur ihre Neuheiten vorstellen, sondern auch andere Titel. Das ist überhaupt keine Frage, dass das für uns eine wirtschaftlich bedeutende Veranstaltung ist,"
sagt Buchhändler Albert Krapf, der alljährlich extra fünf Saisonkräfte beschäftigt, um die Bücherberge unter den Bäumen im Park umzusetzen. Von manchen Titeln verkauft er in diesen vier Tagen mehr als sonst im ganzen Jahr.
Im Kern jedoch, abseits all der kultur- und gesellschaftspolitischen Diskurse und der Umsatz-Rechnerei, ist das Poetenfest sich und seinem so romantisch-gestrig klingenden Namen, seiner irgendwie vergeistigt-idyllischen Atmosphäre zwischen Germanistikseminar und Märchenstunde, treu geblieben. Bodo Birk:
"Beim Poetenfest lesen keine prominenten Schauspieler, da lesen die Autoren selbst. Teilweise können die das auch gar nicht gut. Es gibt Autoren, die lesen großartig, aber es gibt viele tolle Autoren, die überhaupt nicht gut lesen können - und trotzdem funktioniert das beim Poetenfest. Weil einfach diese, ja die Authentizität, dass man denjenigen, aus dem das herauskommt, auch kennen lernen kann, sehen kann, wenn er das liest. Und ein anderes Verständnis für den Text entwickeln kann, wenn man mitbekommt, wie der Autor das liest. "
Es scheint eben seine eigenen Gesetze zu haben. Autoren unterbrechen ihre Urlaube, reisen von weither an, um 30 Minuten vorlesen zu können; die Zuhörer lagern und räkeln wie im Freibad auf der grünen Wiese, lassen sich von Texten berieseln und erquicken. Die Schriftsteller aber entgehen hier ihren Lesern nicht und können ganz unmittelbar an deren Gesichtern ablesen, ob ihnen selber in diesem Herbst, welcher zumindest thematisch eine einzige große Glücks-Suche zu werden verspricht, der große Wurf gelungen ist. Für Martin Mosebach übrigens eine völlig neue Erfahrung:
"Ich hab eigentlich gar keine rechte Vorstellung, wer meine Leser sind. Und deswegen hab ich da auch keine Scheu entwickelt, ich hab gar kein klares Bild entwickelt. "
An diesem Wochenende wird der hochdekorierte Literat ihn wohl endlich einmal gesehen haben, "seinen" ganz normalen Leser. Und der hatte "seinen" Autor zum Greifen und Begreifen nah vor sich. Aber nur der Buchhändler wird sagen können, ob sich die beiden auch wirklich leiden konnten.
Martin Mosebach, diesjähriger Büchner-Preisträger und somit "Stargast" beim 27. Erlanger Poetenfest, brachte es auf den Punkt: vier Tage Literatur pur, unter freiem Himmel im Schlosspark oder im dunklen Theatersaal, in Kino, Galerie oder Orangerie; 80 Schriftsteller, Kritiker, Übersetzer; 220 Titel auf den Büchertischen, davon allein 30 druckfrische, bislang kaum in den Feuilletons besprochene literarische Herbst-Novitäten; zwei ganze Nachmittage lang Lesungen auf dem Hauptpodium im Halb-Stunden-Wechsel mit nahtlos anschließenden biografischen Tiefenforschungen in Publikumsgesprächen; Experten-besetzte Foren über Gott - in diesem Fall speziell über den aus dem Koran - und die Welt, die diesmal geografisch etwas unkorrekt nur von der DDR bis Europa reichte; dazu ein Genre-Spektrum, das kaum Interessen und Neigungen unberücksichtigt ließ - von der Kunst und Plage der Übersetzung, von der der kluge und uneitle Georges-Arthur Goldschmidt so wunderbar sprach, bis zur Leichtigkeit der Kinderwelt in Büchern der 100-jährigen Astrid Lindgren.
Wer da, im Sinne von Mosebachs Skepsis, kein Wort-Süchtiger war, bei dem musste sich doch schon bald ein leichtes Völlegefühl einstellen.
So ist es angesichts dieses überbordenden Programm-Angebots - Kritiker sprechen schon von der "größten Deutschstunde der Welt" - eigentlich nur folgerichtig, wenn heute Abend zum Abschluss in einer Diskussionsrunde eine "notwendige Debatte über die Folgen der Event-Kultur" (so der Titel) eröffnet wird. Aber ist es am Ende solch eines Festivals, das selber alle Facetten eines kulturellen Groß-Ereignisses bietet, dann nicht auch schon zu spät dafür? Bodo Birk vom Erlanger Kulturamt:
" Ich glaube schon, dass wir bei dieser Debatte das Poetenfest nicht ausnehmen können. Es wäre völlig naiv, das zu verneinen, auch wenn wir natürlich versuchen, was den Kern anbelangt mit den Lesenachmittagen und Autorenporträts, es nicht zu über-eventisieren, sondern relativ altmodische und klassische Veranstaltungen zu machen. Aber natürlich ist das Poetenfest auch Teil so eines Literaturbetriebs. Natürlich gucken wir auch auf die Nominierungen zum Deutschen Buchpreis, freuen uns, wenn viele davon in Erlangen dann da sind, gucken auf die anderen Preise, achten darauf, wer wird wohl im Gespräch sein um die Jahreszeit und sind natürlich genauso Bestandteil dieses ganzen Betriebes und dieser vielleicht auch problematischen Eventisierung von Kultur. "
Längst ist das literarische Fest mitten im kulturellen Sommerloch daher auch zu einer festen ökonomischen Größe geworden in Erlangen: die Hotels sind ausgebucht, in den Gaststätten der Altstadt sind die Plätze rar - und der örtliche Buchhandel reibt sich die Hände wie sonst nur noch im Weihnachtsgeschäft:
"Für den Buchhandel ist es natürlich wichtig, weil wir innerhalb kürzester Zeit, sowohl im Vorfeld als auch während des Poetenfestes, die Neuerscheinungen des Herbstes verkaufen. Es kommen ungefähr 50, 60 Autoren, die ja nicht nur ihre Neuheiten vorstellen, sondern auch andere Titel. Das ist überhaupt keine Frage, dass das für uns eine wirtschaftlich bedeutende Veranstaltung ist,"
sagt Buchhändler Albert Krapf, der alljährlich extra fünf Saisonkräfte beschäftigt, um die Bücherberge unter den Bäumen im Park umzusetzen. Von manchen Titeln verkauft er in diesen vier Tagen mehr als sonst im ganzen Jahr.
Im Kern jedoch, abseits all der kultur- und gesellschaftspolitischen Diskurse und der Umsatz-Rechnerei, ist das Poetenfest sich und seinem so romantisch-gestrig klingenden Namen, seiner irgendwie vergeistigt-idyllischen Atmosphäre zwischen Germanistikseminar und Märchenstunde, treu geblieben. Bodo Birk:
"Beim Poetenfest lesen keine prominenten Schauspieler, da lesen die Autoren selbst. Teilweise können die das auch gar nicht gut. Es gibt Autoren, die lesen großartig, aber es gibt viele tolle Autoren, die überhaupt nicht gut lesen können - und trotzdem funktioniert das beim Poetenfest. Weil einfach diese, ja die Authentizität, dass man denjenigen, aus dem das herauskommt, auch kennen lernen kann, sehen kann, wenn er das liest. Und ein anderes Verständnis für den Text entwickeln kann, wenn man mitbekommt, wie der Autor das liest. "
Es scheint eben seine eigenen Gesetze zu haben. Autoren unterbrechen ihre Urlaube, reisen von weither an, um 30 Minuten vorlesen zu können; die Zuhörer lagern und räkeln wie im Freibad auf der grünen Wiese, lassen sich von Texten berieseln und erquicken. Die Schriftsteller aber entgehen hier ihren Lesern nicht und können ganz unmittelbar an deren Gesichtern ablesen, ob ihnen selber in diesem Herbst, welcher zumindest thematisch eine einzige große Glücks-Suche zu werden verspricht, der große Wurf gelungen ist. Für Martin Mosebach übrigens eine völlig neue Erfahrung:
"Ich hab eigentlich gar keine rechte Vorstellung, wer meine Leser sind. Und deswegen hab ich da auch keine Scheu entwickelt, ich hab gar kein klares Bild entwickelt. "
An diesem Wochenende wird der hochdekorierte Literat ihn wohl endlich einmal gesehen haben, "seinen" ganz normalen Leser. Und der hatte "seinen" Autor zum Greifen und Begreifen nah vor sich. Aber nur der Buchhändler wird sagen können, ob sich die beiden auch wirklich leiden konnten.