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Vom dümmlichen General im fiktiven Gerolstein

Eine fiktive Geschichte rund um eine Großherzogin, die als Zeitvertreib ein wenig Krieg führt - und den neuen General Fritz weniger wegen seiner Intelligenz, vielmehr wegen seiner Schönheit aussucht. Der aber ist vergeben. Und das sorgt in diesem Hörspiel für Verwicklungen.

Von Florian Felix Weyh | 08.07.2010
    "Wir haben 17 Leute, die teile ich in drei Scharen"
    "Das ist doch unmöglich!"
    "Wieso? Drei mal fünf, und zwei sind zum Aufpassen."

    Hier waltet, man erkennt es gleich, strengste militärische Logik. Es spricht General Bumbum, der auf dem Feld wie bei einer höfischen Verschwörung immer die gleiche Figur macht: die eines tumben Haudraufs.

    "Sie wissen doch, warum Sie Krieg führen?"
    "Ich? Nein! Ich bin ja General!"
    "Ich will es Ihnen sagen."
    "Ich brauch das nicht zu wissen, das geniert mich."
    "Hören Sie nur –"
    "Nein, nein, was geht das mich an? Ich hau auf den Feind ein, siege oder werde geschlagen. So bin ich das seit 30 Jahren gewöhnt."

    Zum Glück dient Bumbum keiner Großmacht, sondern dem fiktiven Zwergstaat Gerolstein, der wenig Feinde hat, aber von einer launischen jungen Dame beherrscht wird. Eine Schlacht soll ihr Ablenkung bringen und ihrem Hauslehrer Baron Puck Erleichterung an der Erziehungsfront verschaffen.

    "Also – immer wenn sie grantig sein wird, dann machen wir Krieg?"
    "Ja, so lang sie klein war Puppen, jetzt einen Krieg. Und später, wenn's nötig sein wird, einen Mann."

    Nein, das ist natürlich keine historische Begebenheit, sondern eine Operette, Jaques Offenbachs "Großherzogin von Gerolstein" in der bissigen Textfassung von Karl Kraus. Und diese Urheberschaft lässt sich auch deutlich aus den Spitzen gegen Österreich heraushören.

    "Sie sollen durch ein Ehrendoktorat für Philosophie an der Universität Gerolstein entschädigt werden. Und falls die sich weigert, bleibt Ihnen noch immer die Wiener Fakultät."

    ... verfügt die Großherzogin im munteren Auf- und Abwertungsspiel, in dem General Bumbum vom attraktiven Gefreiten Fritz abgelöst wird, der frische Ideen fürs Kriegshandwerk mitbringt. Der tiefere Grund seines Aufstiegs liegt freilich eher an seiner Schönheit als an seinen geistigen Gaben, aber einerlei: Zunächst macht er als erfolgreicher Heeresführer von sich reden:

    "Ich füllte Rum der schlechtesten Sorte
    Eine Million Flaschen voll.
    Und legt sie heimlich an solche Orte,
    Wo sie der Feind leicht finden soll.
    Dass sie den Rum gleich werden kosten,
    Darauf baut ich den kühnen Plan!
    Und kaum erschien der Tag im Osten
    Da rückten wir zur Schlacht heran.
    Doch welch ein Anblick bot sich offen
    Unserm erstaunten Auge dar?
    Da stand sternhagelvoll besoffen
    Vor uns die ganze Feindesschar!"

    Natürlich klappt das mit dem Aufstieg des Gemeinen zum Adligen hinten und vorne nicht, weil Fritz die Grundbedingung großherzöglicher Liebedienerei nicht erfüllen will. Seine Wanda ist ihm wichtiger als der Marschallstab. Am Ende reüssiert das Ancien Regime, und der kurzfristige Kriegsheld wird wieder abserviert. Aber auf ein Happy End kommt es bei dieser sommerlich luftigen, leichten CD-Produktion auch gar nicht an.

    Verblüffend ist das Ensemble, das unser Ohr erobert. Es besteht nämlich aus nur einem Mann, der Stimme Wolfram Bergers, die mit gehörigem Wiener Schmäh den ganzen verschranzten Hofstaat von Gerolstein nach Kakanien versetzt. Der rundum vertrottelte Prinz Paul – nachmaliger Großherzog – klingt also wie aus der Hofburg ins Leben hinausgestoßen, wo er einer aufsteigenden neuen Macht ins Auge blicken muss:

    "Seit einiger Zeit taucht eine Rotte Menschen auf, die es sich zur Aufgabe gesetzt haben, über alles zu schreiben, zu kritisieren und Bemerkungen zu machen. Man nennt sie "Journalisten". Die wissen alles, verstehen alles, machen über alles Witze! Man hat verschiedene Mittel schon dagegen versucht ... das nützt alles nichts!"

    Wohl wahr, gegen die Yellowpress half nie etwas anderes denn pointierte geistige Überlegenheit. Die besitzen Prinzen selten, wohl aber Karl Kraus in der Sprache und Jacques Offenbach in der Musik. Zusammengebracht von Wolfram Berger und Theocharis Feslikidis am Klavier wird daraus ein köstliches Hörvergnügen mit blauem Auge. Das nämlich trägt Held Fritz davon, aber immerhin ... es ist nur ein blaues Auge und nicht sein Leben.

    "Nun Hoheit, da bin ich zurück ... hahaha ... jetzt hab ich die G'schichte zu dick ... ahhhaha ... Sie schicken zum Krieg mich hinaus und ich komme so gänzlich geschlagen nach Haus ... "

    Hörbuch: Jaques Offenbach/Karl Kraus: "Die Großherzogin von Gerolstein". Mandelbaum Verlag
    Gestaltet von Wolfram Berger, Teocharis Feslikidis am Klavier
    1 CD, Mandelbaum Verlag, 70 Minuten