Morgenappell im Hauptquartier der Marine von Guinea-Bissau: Die Marineinfanteristen, etwa 100 Mann, laufen ein und Konteradmiral José Americo Bubo Na Tchuto, der Oberkommandierende, gibt den Tagesbefehl aus. Dann sitzt der hünenhafte alte Kämpfer hinter dem Schreibtisch in seinem Büro. Er schwitzt, die Klimaanlage ist aus, es gibt keinen Strom. Bubo schiebt einen Aktenstapel von einer Seite zu anderen. Viel mehr kann er nicht tun, seine Marine besteht vor allem auf dem Papier.
"Unsere Hoheitsgewässer sind groß und wir können sie nicht kontrollieren. Da treiben sich viele Drogenhändler rum und ich kann nichts dagegen machen. Unser Land ist arm, meine Marine kann ihre Aufgaben nicht erfüllen. Wir brauchen Küstenwachschiffe, Schnellboote und mehr Material um unser Hoheitsgebiet zu schützen."
Guinea-Bissau, der fünftärmste Staat der Welt, sei dabei, sich in einen Narko-Staat zu verwandeln, schlagen internationale Organisationen und auch die Medien Alarm. Südamerikanische Drogenkartelle nutzten das Land als Drogendrehscheibe für Europa, seien dabei, den Staat zu übernehmen. Hätten Politiker, Polizisten und Militärs bereits gekauft, seien die eigentlichen Herren im Land. Esteban Verástegui, Leiter einer EU-Delegation, die Guinea-Bissau dabei helfen soll, sein Sicherheits- und Justizsystem neu zu organisieren, relativiert:
"Ich habe meine eigene Meinung, was Drogen in Guinea-Bissau betrifft. Wir sind zwar noch nicht lange hier, aber ich hätte mehr Hinweise auf Drogenschmuggel im täglichen Leben erwartet. Es ist fast unmöglich, dass es nicht auffällt, wenn Drogengeld in einem Land zirkuliert. Natürlich gibt es hier Drogenkonsum, wie überall auf der Welt. Und alles deutet darauf in, dass die kolumbianischen Drogenkartelle das Land auf ihren Transportwegen benutzen. Aber die brauchen keine Hilfe von offizieller Seite. Denn Guinea hat im Augenblick keine Kontrolle über seine Grenzen. Es kann also von den Drogenbaronen als Basis genutzt werden, ohne Unterstützung irgendwelcher Regierungsstellen oder der Bevölkerung."
Verásteguis Delegation, europäische Spezialisten aus den Bereichen Polizei, Militär und Justiz, arbeitet seit einigen Monaten in der Hauptstadt Bissau. Der baskische General, ein besonnener, sympathischer Mann, kennt die Probleme Guinea-Bissaus: Mehrere Staatsstreiche und Bürgerkriege haben das kleine Land an der Westküste Afrikas in den Ruin getrieben. Die Wirtschaft ist zerstört, selbst in der Hauptstadt Bissau fällt oft der Strom aus, Müllberge türmen sich am Straßenrand. Selbst höhere Beamte - sie müssen oft monatelang auf ihr Gehalt warten - verdienen Hungerlöhne um die 200 Euro im Monat. Der Staatsapparat funktioniert nicht, Korruption grassiert. Das muss sich als erstes ändern, meint Verastégui:
"Korruption entsteht, weil die Menschen irgendwie überleben müssen. Wenn die Beamten nicht genug verdienen um zu überleben, besteht die Gefahr, dass sie der Versuchung erliegen, sich anders Geld zu verschaffen. Bekommen die Staatsdiener dagegen ein menschenwürdiges Gehalt, fallen sowohl die Versuchung, als auch die Notwendigkeit der Korruption weg."
Die Realität jedoch sieht - zumindest noch - anders aus. In Bissau geht so gut wie nichts ohne Vitamin B, ist ohne Bestechungsgeld kaum ein Behördenstempel, kaum eine offizielle Genehmigung zu erhalten. Irgendwie kein Wunder, wenn man Orlando da Cunha von der Hafenverwaltung klagen hört:
"Wir Staatsdiener haben schon zwei Monate lang keinen Lohn bekommen. Das ist hart. Manchmal haben wir nicht einmal Geld für Essen. Oder für die Kinder, die Schule, die Gesundheit. Das Leben ist sehr schwer."
Klapprige Lastwagen laden Cashew-Nuss-Säcke ab, das einzige Exportgut Guinea-Bissaus, das den Produzenten zudem immer weniger Geld bringt. Zwischen Mangroven verrotten alte Fischdampfer. Der Hafen von Bissau, zu Kolonialzeiten ein Schmuckstück des portugiesischen Imperiums, ist versandet und wird nur noch von wenigen, kleineren Frachtern angelaufen. Am Kai liegen vier Schlauchboote mit Außenbordern. Der Stolz der guineensischen Marine von Konteradmiral Bubo. Zwei davon sollen sogar funktionieren, aber es gibt kein Benzin.
Er hat irgendwie ein paar Kanister aufgetrieben. Jetzt kann Braz de Pina, der Gouverneur der Provinz Bolama, seinen Amtsbereich inspizieren: 88 Inseln, große und kleine, bewohnte und unbewohnte, gehören zum Bijagós-Archipel vor der Küste des Mini-Staates Guinea-Bissau. Eigentlich ein Paradies: unberührte Natur, seltene Tierarten, Mangroven und Dschungel. Schwer vorstellbar, aber genau hier soll die neue Drogendrehscheibe sein. Hier würden Kokainlieferungen umgeladen heißt es, von Schiffen auf Flugzeuge oder umgekehrt. Oder von Frachtern auf Yachten, die die Drogen dann nach Europa bringen. Durchaus möglich, gibt der Gouverneur zu:
"Wir haben keinerlei Mittel, diese Inseln zu kontrollieren. Da sind wir völlig auf unsere internationalen Partner angewiesen. Die Lage ist schlecht, auch wenn wir hoffen, dass es einmal besser wird."
Dass etwas getan werden muss, habe die guineensische Regierung längst erkannt, erklärt General Verastégui. Doch weil die kein Geld hat und die Nachrichten über den Drogenschmuggel immer besorgniserregender werden, will die EU jetzt endlich helfen:
"Die Regierung hat ja schon 2006 einen Plan ausgearbeitet, die Sicherheit und die Verteidigung von Guinea-Bissau neu zu organisieren. Dabei geht es vor allem um das Militär, die Polizei und die Justiz. Unsere Aufgabe wird sein, mit diesem Strategiedokument konkrete Pläne auszuarbeiten, die in relativ kurzer Zeit in die Praxis umgesetzt werden können."
Eile tut Not: Der Kokainschmuggel ist zwar ein Tabu-Thema in Guinea-Bissau. Doch es halten sich hartnäckig Gerüchte, dass Polizisten, Soldaten, ja selbst hohe Offiziere und Minister in ihn verwickelt sein sollen. Fest steht, dass im vergangenen Jahr 600 Kilo Kokain, die von der Kriminalpolizei sichergestellt wurden, spurlos aus der Asservatenkammer verschwunden sind. Ganz offensichtlich haben die Drogenbarone einflussreiche Helfer.
Auf der Insel Bubaque, dort, wo die Drogen aus Südamerika ankommen sollen, empfängt Gouverneur Braz de Pina in einem halbverfallenen, ehemaligen portugiesischen Kolonialgebäude derweil die örtlichen Würden- und Amtsträger. Er will sich ein Bild der Lage machen. Im Augenblick sind sowohl er, als auch Militär und Polizei hilflos. Aus Geldmangel kann niemand die kleinen Dschungelpisten auf den Inseln überwachen, den endlosen Atlantik sowieso nicht. Drogenschmuggler können tun und lassen, was sie wollen, meint der Gouverneur resigniert. Gouverneursbesuche sind selten auf Bubaque, der am dichtesten besiedelten Insel des Bijagos-Archipels. Die wird jetzt - vor allem von Franzosen - allmählich als Ferienparadies entdeckt, worüber Gouverneur Braz de Pina sich einerseits freut. Andererseits nimmt dadurch der Verkehr von kleinen Privatflugzeugen zu. Und wer kann schon wissen, ob eine Maschine Touristen oder Rauschgift transportiert, klagt Gouverneur Braz de Pina:
"In einem so gottverlassenen Gebiet ohne staatliche Kontrolle ist das unmöglich. Daher haben Rauschgiftschmuggler leichtes Spiel. Die Regierung will das natürlich ändern, aber dafür brauchen wir auch die Mittel. Es mag schwer sein, diese Inseln zu überwachen, aber es wäre möglich. Wenn wir die Mittel dafür hätten."
"Unsere Hoheitsgewässer sind groß und wir können sie nicht kontrollieren. Da treiben sich viele Drogenhändler rum und ich kann nichts dagegen machen. Unser Land ist arm, meine Marine kann ihre Aufgaben nicht erfüllen. Wir brauchen Küstenwachschiffe, Schnellboote und mehr Material um unser Hoheitsgebiet zu schützen."
Guinea-Bissau, der fünftärmste Staat der Welt, sei dabei, sich in einen Narko-Staat zu verwandeln, schlagen internationale Organisationen und auch die Medien Alarm. Südamerikanische Drogenkartelle nutzten das Land als Drogendrehscheibe für Europa, seien dabei, den Staat zu übernehmen. Hätten Politiker, Polizisten und Militärs bereits gekauft, seien die eigentlichen Herren im Land. Esteban Verástegui, Leiter einer EU-Delegation, die Guinea-Bissau dabei helfen soll, sein Sicherheits- und Justizsystem neu zu organisieren, relativiert:
"Ich habe meine eigene Meinung, was Drogen in Guinea-Bissau betrifft. Wir sind zwar noch nicht lange hier, aber ich hätte mehr Hinweise auf Drogenschmuggel im täglichen Leben erwartet. Es ist fast unmöglich, dass es nicht auffällt, wenn Drogengeld in einem Land zirkuliert. Natürlich gibt es hier Drogenkonsum, wie überall auf der Welt. Und alles deutet darauf in, dass die kolumbianischen Drogenkartelle das Land auf ihren Transportwegen benutzen. Aber die brauchen keine Hilfe von offizieller Seite. Denn Guinea hat im Augenblick keine Kontrolle über seine Grenzen. Es kann also von den Drogenbaronen als Basis genutzt werden, ohne Unterstützung irgendwelcher Regierungsstellen oder der Bevölkerung."
Verásteguis Delegation, europäische Spezialisten aus den Bereichen Polizei, Militär und Justiz, arbeitet seit einigen Monaten in der Hauptstadt Bissau. Der baskische General, ein besonnener, sympathischer Mann, kennt die Probleme Guinea-Bissaus: Mehrere Staatsstreiche und Bürgerkriege haben das kleine Land an der Westküste Afrikas in den Ruin getrieben. Die Wirtschaft ist zerstört, selbst in der Hauptstadt Bissau fällt oft der Strom aus, Müllberge türmen sich am Straßenrand. Selbst höhere Beamte - sie müssen oft monatelang auf ihr Gehalt warten - verdienen Hungerlöhne um die 200 Euro im Monat. Der Staatsapparat funktioniert nicht, Korruption grassiert. Das muss sich als erstes ändern, meint Verastégui:
"Korruption entsteht, weil die Menschen irgendwie überleben müssen. Wenn die Beamten nicht genug verdienen um zu überleben, besteht die Gefahr, dass sie der Versuchung erliegen, sich anders Geld zu verschaffen. Bekommen die Staatsdiener dagegen ein menschenwürdiges Gehalt, fallen sowohl die Versuchung, als auch die Notwendigkeit der Korruption weg."
Die Realität jedoch sieht - zumindest noch - anders aus. In Bissau geht so gut wie nichts ohne Vitamin B, ist ohne Bestechungsgeld kaum ein Behördenstempel, kaum eine offizielle Genehmigung zu erhalten. Irgendwie kein Wunder, wenn man Orlando da Cunha von der Hafenverwaltung klagen hört:
"Wir Staatsdiener haben schon zwei Monate lang keinen Lohn bekommen. Das ist hart. Manchmal haben wir nicht einmal Geld für Essen. Oder für die Kinder, die Schule, die Gesundheit. Das Leben ist sehr schwer."
Klapprige Lastwagen laden Cashew-Nuss-Säcke ab, das einzige Exportgut Guinea-Bissaus, das den Produzenten zudem immer weniger Geld bringt. Zwischen Mangroven verrotten alte Fischdampfer. Der Hafen von Bissau, zu Kolonialzeiten ein Schmuckstück des portugiesischen Imperiums, ist versandet und wird nur noch von wenigen, kleineren Frachtern angelaufen. Am Kai liegen vier Schlauchboote mit Außenbordern. Der Stolz der guineensischen Marine von Konteradmiral Bubo. Zwei davon sollen sogar funktionieren, aber es gibt kein Benzin.
Er hat irgendwie ein paar Kanister aufgetrieben. Jetzt kann Braz de Pina, der Gouverneur der Provinz Bolama, seinen Amtsbereich inspizieren: 88 Inseln, große und kleine, bewohnte und unbewohnte, gehören zum Bijagós-Archipel vor der Küste des Mini-Staates Guinea-Bissau. Eigentlich ein Paradies: unberührte Natur, seltene Tierarten, Mangroven und Dschungel. Schwer vorstellbar, aber genau hier soll die neue Drogendrehscheibe sein. Hier würden Kokainlieferungen umgeladen heißt es, von Schiffen auf Flugzeuge oder umgekehrt. Oder von Frachtern auf Yachten, die die Drogen dann nach Europa bringen. Durchaus möglich, gibt der Gouverneur zu:
"Wir haben keinerlei Mittel, diese Inseln zu kontrollieren. Da sind wir völlig auf unsere internationalen Partner angewiesen. Die Lage ist schlecht, auch wenn wir hoffen, dass es einmal besser wird."
Dass etwas getan werden muss, habe die guineensische Regierung längst erkannt, erklärt General Verastégui. Doch weil die kein Geld hat und die Nachrichten über den Drogenschmuggel immer besorgniserregender werden, will die EU jetzt endlich helfen:
"Die Regierung hat ja schon 2006 einen Plan ausgearbeitet, die Sicherheit und die Verteidigung von Guinea-Bissau neu zu organisieren. Dabei geht es vor allem um das Militär, die Polizei und die Justiz. Unsere Aufgabe wird sein, mit diesem Strategiedokument konkrete Pläne auszuarbeiten, die in relativ kurzer Zeit in die Praxis umgesetzt werden können."
Eile tut Not: Der Kokainschmuggel ist zwar ein Tabu-Thema in Guinea-Bissau. Doch es halten sich hartnäckig Gerüchte, dass Polizisten, Soldaten, ja selbst hohe Offiziere und Minister in ihn verwickelt sein sollen. Fest steht, dass im vergangenen Jahr 600 Kilo Kokain, die von der Kriminalpolizei sichergestellt wurden, spurlos aus der Asservatenkammer verschwunden sind. Ganz offensichtlich haben die Drogenbarone einflussreiche Helfer.
Auf der Insel Bubaque, dort, wo die Drogen aus Südamerika ankommen sollen, empfängt Gouverneur Braz de Pina in einem halbverfallenen, ehemaligen portugiesischen Kolonialgebäude derweil die örtlichen Würden- und Amtsträger. Er will sich ein Bild der Lage machen. Im Augenblick sind sowohl er, als auch Militär und Polizei hilflos. Aus Geldmangel kann niemand die kleinen Dschungelpisten auf den Inseln überwachen, den endlosen Atlantik sowieso nicht. Drogenschmuggler können tun und lassen, was sie wollen, meint der Gouverneur resigniert. Gouverneursbesuche sind selten auf Bubaque, der am dichtesten besiedelten Insel des Bijagos-Archipels. Die wird jetzt - vor allem von Franzosen - allmählich als Ferienparadies entdeckt, worüber Gouverneur Braz de Pina sich einerseits freut. Andererseits nimmt dadurch der Verkehr von kleinen Privatflugzeugen zu. Und wer kann schon wissen, ob eine Maschine Touristen oder Rauschgift transportiert, klagt Gouverneur Braz de Pina:
"In einem so gottverlassenen Gebiet ohne staatliche Kontrolle ist das unmöglich. Daher haben Rauschgiftschmuggler leichtes Spiel. Die Regierung will das natürlich ändern, aber dafür brauchen wir auch die Mittel. Es mag schwer sein, diese Inseln zu überwachen, aber es wäre möglich. Wenn wir die Mittel dafür hätten."