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Vom Erdboden verschluckt?

Medizin.- Noch vor einem Jahr war das Virus der Schweinegrippe in vieler Munde. Und das im wahrsten Sinne des Wortes. Seit einiger Zeit aber ist es leise geworden um H1n1. Ob tatsächlich Entwarnung gegeben werden kann, erklärt Dr. Ole Wichmann vom Robert-Koch-Institut im Interview mit Katrin Zöfel.

    Katrin Zöfel: Die Ständige Impfkommission, kurz STIKO, gibt Empfehlungen, wer in Deutschland wann wie oft wo gegen geimpft werden sollte. Heute hat die Kommission in Berlin ihre neuen Empfehlungen vorgelegt. Kurz vor der Sendung habe ich mit Dr. Ole Wichmann vom Robert-Koch-Institut gesprochen. Er leitet dort das Fachgebiet Impfprävention. Ihn habe ich gefragt, ob das Schweinegrippevirus tatsächlich beinahe vom Erdboden verschwunden ist.

    Ole Wichmann: Also die Schweinegrippe ist mit Sicherheit nicht vom Erdboden verschwunden. Sie tritt natürlich in einer deutlich weniger hohen Aktivität jetzt in Deutschland auf. Gelegentlich werden hier und da noch einzelne Infektionen diagnostiziert. Wo sie vor allem jetzt vorkommt - und wir sind ja jetzt hier in der nördlichen Hemisphäre außerhalb der typischen Influenzasaison, sondern eher auf der südlichen Hemisphäre - Lateinamerika, Südamerika - da tritt die Schweinegrippe weiterhin auf. Oder zum Beispiel in Indien und auch nicht in einer ganz so hohen Aktivität wie im letzen Jahr. Auch deutlich weniger als vor einem Jahr.

    Zöfel: Aber von einer Pandemie ist nicht mehr die Rede.

    Wichmann: Die WHO hält weiterhin die Phase sechs der Pandemiestufungen weiterhin aufrecht. Also das bedeutet, dass weiterhin weltweit dieses Virus zirkuliert, aber halt natürlich längst nicht so wie vor einem Jahr.

    Zöfel: Der Schweingrippevirus ist jetzt Teil des saisonalen Impfcocktails. Der wird nur für bestimmte Risikogruppen empfohlen. Heißt das, dass die ganz große Gefahr der Schweinegrippe für die ganze Bevölkerung zumindest nicht mehr so gesehen wird?

    Wichmann: Von einer weniger großen Gefahr kann man jetzt nicht unbedingt reden. Also auf alle Fälle, was wir natürlich gelernt haben, sind, dass die Personen, die diese Risikofaktoren haben, das sind ja vor allem Personen mit Grunderkrankungen und Ältere bei der normalen saisonalen Grippe, dass die, also zumindest die mit Grunderkrankungen, deutlich höher betroffen waren mit schweren Erkrankungen oder Todesfällen als jetzt die ohne diese Risikovorerkrankung. Und deswegen ist man sich eigentlich sicher, dass man durch diese spezielle Empfehlung jetzt mit diesen Zielgruppen auch einen großen Teil einfach dieser Personen, die besonders davon profitieren, schützen kann.

    Zöfel: Neu ist ja, dass auch Schwangere sich impfen lassen sollen gegen die Grippe. Warum wurden die Schwangeren zu den Risikogruppen aufgenommen?

    Wichmann: Also das beruht eigentlich auf der Erfahrung in der letzten Saison, aber auch schon in den Saisons davor oder bei der normalen saisonalen Influenza sieht man eigentlich, dass Schwangere, sofern sie infiziert werden, dann auch ein höheres Risiko haben, schwer zu erkranken, also hospitalisiert zu werden, also ins Krankenhaus müssen oder gar zu versterben. Deswegen ist diese Empfehlung, Schwangere zu impfen, auch in einigen Ländern schon seit vielen Jahren existent. Zum Beispiel in den USA: Seit über zehn Jahren, empfehlen die, die Schwangeren zu impfen.

    Zöfel: Wie sicher kann man denn sein, dass der Impfstoff für Schwangere ungefährlich ist? Es gibt ja sehr wenige Studien dazu.

    Wichmann: Studien direkt dann durchzuführen, ist natürlich ethisch problematisch. Aber worauf man zurückgreifen kann, sind einfach diese vielen Jahre Erfahrung, insbesondere in den USA, wo man ja über zehn Jahre schon regelmäßig Schwangere impft. Also schon über eine Million Schwangere wurden dort geimpft, ohne dass irgendwas besonderes auffiel. Deswegen geht man eigentlich davon aus, dass das Risiko äußerst gering ist und der Nutzen deutlich das Risiko überwiegt.

    Zöfel: Und noch einmal die Frage: Die Pandemieimpfung gegen die Schweinegrippe war ja für alle Bevölkerungsgruppen offen. Und jetzt die Empfehlung gilt für ganz bestimmte Risikogruppen. Menschen, die älter sind als 60 oder eine Vorerkrankung haben. Können wird denn rechtzeitig und schnell genug reagieren, wenn das Schweinegrippevirus doch noch für die gesamte Bevölkerung sich als gefährlich rausstellt?

    Wichmann: In der letzten Saison hatten wir eigentlich zwei Impfempfehlungen. Das beruhte vor allem darauf, dass dieser Schweinegrippevirus erst später identifiziert worden ist, als es eigentlich zu spät war, das in den normalen Impfstoff einzuarbeiten. Und dadurch war man eigentlich auch gezwungen, eine spezielle Impfempfehlung auszusprechen für die Impfung gegen die Schweinegrippe. Und jetzt hat man halt im Gegensatz zur letzten Saison einem Impfstoff, der auch gegen dieses Schweinegrippevirus schütz. Und deswegen kann eigentlich auch jeder, der jetzt nicht speziell von der Ständigen Impfkommission zu den Risikogruppen gehört oder zu den Indikationsgruppen, kann sich natürlich auch dann impfen lassen, sofern das individuell gewünscht ist. Und das war halt letztes Jahr nicht der Fall.

    Zöfel: Die Ständige Impfkommission Deutschlands hat heute ihre Empfehlungen vorgestellt. Ole Wichmann war das im Gespräch. Herzlichen Dank.

    Impftipps des Robert-Koch-Instituts:

    www.rki.de/impfen