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Vom Freizeitpark bis zum Nobelhotel

Fast 280 Milliarden Euro gaben Urlauber 2010 in Deutschland aus, fast drei Millionen Menschen sind im Tourismus beschäftigt: Die Tourismusindustrie ist ein mächtiger Wirtschaftsfaktor. Eine neue Studie bestätigt die Stärke der Branche.

Von Thorsten Jabs | 03.02.2012
    Endlich gibt es aktuelle und wissenschaftlich belastbare Zahlen darüber, wie viel Geld in- und ausländische Touristen in Deutschland für welche Reisezwecke ausgegeben haben – so lässt sich das gemeinsame Lob des Bundesverbandes der Deutschen Tourismuswirtschaft und des Bundeswirtschaftsministeriums zusammenfassen. Ernst Burgbacher, der Beauftragte der Bundesregierung für Mittelstand und Tourismus, über das aus seiner Sicht wichtigste Ergebnis:

    "Die überwiegend mittelständischen Unternehmen der Tourismusbranche sind ein Motor für Wirtschaftswachstum in Deutschland und können sich im Vergleich mit anderen Branchen wahrlich sehen lassen."

    Für die Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung wurden zahlreiche Statistiken ausgewertet und Touristen befragt. Die Ergebnisse beziehen sich auf die gesamte Bundesrepublik und sind nicht nach einzelnen Bundesländern gegliedert. Sie umfassen die Bereiche Ausgaben, Beschäftigung und Einkommen. Erstens: 280 Milliarden Euro gaben Touristen im Jahr 2010 insgesamt in Deutschland aus, Rund 242 Milliarden Euro kommen von inländischen Touristen. Die größten Summen werden für sonstige Güter, im Wesentlichen für "Shopping", bezahlt, gefolgt von Ausgaben für Gaststätten, Unterkünfte und Luftfahrt. Zweitens: Sieben Prozent oder 2,9 Millionen Menschen sind direkt in der Tourismusbranche beschäftigt. Mit sogenannten indirekten und induzierten Effekten sind 4,9 Millionen Erwerbstätige beteiligt. Und Drittens: Der Anteil an der gesamten deutschen Bruttowertschöpfung, das ist das Bruttoinlandsprodukt abzüglich bestimmter Vorleistungen, wie zum Beispiel der Mehrwertsteuer, beträgt 4,4 Prozent oder 97 Milliarden Euro. Damit sei der Beitrag vergleichbar mit dem des Baugewerbes und liege weit über dem der Kraftfahrzeugs – oder der Bankenbranche, sagt Ernst Burgbacher. Die Wirtschaftskraft der Tourismusbranche sei lange unterschätzt worden:

    "Deutschland hat sich traditionell eher als Industrieland begriffen, wir sind alle froh, dass wir Industrieland geblieben sind, aber die Studie zeigt, daß Deutschland auch von allen Daten her sich wahrlich als Tourismusland bezeichnen kann. Also die Deutschen sind nicht nur Reiseweltmeister sondern die Tourismuswirtschaft ist auch ein ökonomisches Schwergewicht."

    Dass andere Bereiche stärker wahrgenommen würden, liege daran, so Burgbacher, dass dort die großen Unternehmen säßen, auf die man jeden Tag schaue. Ähnlich argumentiert der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Tourismuswirtschaft, Klaus Laepple. Die Zahlen lieferten überzeugende Argumente, um von einer starken Branche zu sprechen. Dies verdiene Respekt statt immer neuer Belastungen:

    "Die geschilderten Zahleneffekte kann die Branche auf Dauer natürlich auf nur fortführen, wenn Mobilität gesichert, und die ständig neuen Belastungen, ob sie nun
    Bettensteuer, Nachtflugverbote oder Luftverkehrssteuer heißen, endlich gestoppt werden. Die Belastungsgrenze ist erreicht und internationale Wettbewerber, seien
    es europäische Metropolen oder Flughäfen und Airlines in den Golfstaaten, warten nur darauf, unsere Gäste abzuwerben."

    Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung erklärt jedoch, Laepples Aussagen würden durch die Studie nicht belegt. Und deutliche Kritik üben die Grünen. Markus Tressel, Sprecher für Tourismuspolitik, wörtlich: "Die Beweihräucherung der Bundesregierung geht zu weit". Die vor Ort ansässige Bevölkerung profitiere kaum von dem positiven Trend. Nur 36 von 100 investierten Euro bleiben in der Region. Außerdem seien die Bemühungen der Branche im Bereich Umweltschutz sehr zaghaft. Emissionen durch Verkehr und Gebäude stiegen und würden durch die Wirtschaft, insbesondere der Airlines, schön gerechnet und geredet.