n seinem Essay zieht Schütze jedenfalls diesen Schluß. Dabei folgt er aber weniger empirischen Erhebungen, sondern einer historischen Perspektive: "Seit etwa der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts reagiert der Rassismus auf das Verschwinden des Fremden und versucht, seine Umrisse durch Betonung augenscheinlicher Differenzen wieder sichtbar zu machen." Demnach müßte der erstmals von Gobineau politisch gebrauchsfähig gemachte Rassismus als halluzinative Ersetzung des verschwundenen Fremden ganz andere Wurzeln haben als etwa die, auf zunehmende Migrationsbewegungen seit dem 19. Jahrhundert sowie den - ob positiv oder negativ gesehenen - alltäglicheren Umgang mit Fremden zu reagieren.
Die Vorgeschichte davon soll im 18. Jahrhundert liegen, als die großen Klassifikationssysteme der wissenschaftlichen Neugier wie Linné's "Natursystem" frühere Mythen vom Fremden entzauberten und "kaum noch etwas zum Staunen" übrig ließen. Damals habe sich das Bedürfnis nach Fremdem, "der Wille zum Anderen", in die Sphäre des Menschen selbst zu verschieben begonnen. Ende des achtzehnten Jahrhunderts habe aber "kaum jemand einem menschlichen Geschöpf das Menschenrecht streitig machen" wollen; denn es sei die universelle Einheit des Menschengeschlechts angezielt gewesen, die "den ganzen Horizont menschlicher Möglichkeiten (umfaßt)".
Der "weiße europäische Mann" habe bei diesem Universalismus allerdings schon den heimlichen Maßstab gebildet - und noch eine weitere Tücke soll sich bereits im 18. Jahrhundert abgezeichnet haben. Zwar hätte nun der Mensch das Fremde ersetzen sollen, das aber letztlich nicht gekonnt. Vor allem Schwarze wurden als fremde Menschen "gesucht und gestärkt, um den Leitbegriff der Menschheit zu vervollständigen, und gleichzeitig einem hypertrophen Menschenkult geopfert." Diesen paradoxen Effekt führt Schütze auf einen blinden Zwang zurück, gegen den sich dann die "Fremdenwissenschaften" des 20. Jahrhunderts, Ethnologie, Psychoanalyse und Phänomenologie, gestemmt hätten: "Sobald der Mensch sich seiner annimmt, verblaßt der Fremde bis zur Unkenntlichkeit, und in der Begeisterung für das Menschliche an ihm kommt er schließlich abhanden." Genau in den Leerstellen dieser Dynamik sieht Schütze den modernen Rassismus nisten. Die Frage ist nur, welches Bedürfnis die Bewohner moderner Gesellschaften eigentlich dazu veranlaßt, sich das so abhanden gekommene Fremde quasi immer wieder zu erfinden - und wie dann überhaupt noch die irrwitzige Dynamik dieses Rassismus zu unterlaufen wäre. In letzter Hinsicht setzt Schütze zuweilen auf die Erkenntnisse moderner Genetik und eine entbiologisierte Politik kultureller Differenzen: "Während die Annahme qualitativer Differenzen (zwischen menschlichen Populationen UP) in der Evolution rassistisch ist, ist es im Zusammenhang der Kulturen ihre Leugnung. Es kommt also darauf an, die Logik der Differenz in einem kulturtheoretisch opportunen Sinn zu vertiefen."
Was das praktisch heißen soll, bleibt jedoch Schützes Geheimnis. Völlig widersprüchlich wird es dann aber, was die Ursprünge der menschlichen Bedürfnisse nach Fremdem und die Umgangsweise damit in den unter Globalisierungsbedingungen nötigen Differenzkulturen anbelangt. Einerseits schreibt Schütze: "Das Eigene setzt das Fremde voraus" oder "Der Mensch erwächst aus der Kluft zum Anderen", um die Bedürfnisse nach Fremdem zu begründen. Daß übrigens in diesem Kontext ausgerechnet auf Carl Schmitts Freund-Feind-Unterscheidung zurückgegriffen wird, ist um so merkwürdiger, wenn man bedenkt, daß gerade Schmitts Konzept auf einem biologistischen Modell der Artgleichheit mitberuht.
Andererseits vermelden aber Schützes Ausflüge in die modernen Versuche der Ethnologie von Levi-Strauss, der Psychoanalyse Freuds und Lacans sowie der Phänomenologe Husserls, den "Vorrang des Fremden" für die Differenzbedürfnisse der Eigenerfahrung zu begründen, im Grunde immer nur ihr Scheitern. "Wenn wir alle Fremde sind", kommentiert er etwa einmal Julia Kristevas Freud-Lektüre, "haben Diskriminierungen keinen Sinn mehr, allerdings hört dann auch das Fremde auf, fremd zu sein." Indem das Fremde benötigt wird, wird es also gleichzeitig aufgezehrt. Warum angesichts solcher Zirkel, die "exakt die Lage des Fremden unter den fremdheitsvernichtenden Bedingungen der Globalisierung" widerspiegeln sollen, überhaupt noch über einen "Kosmopolitismus neuer Art" nachgedacht wird, bleibt letztlich rätselhaft. Oder sollte er in der Ära des globalen "Totalitarismus" doch noch ein Refugium haben, nämlich in dem Migranten Vilém Flussers als "Prototyp des postkolonialen Fremden"? Doch nein, auch Flussers "kreatives Exil" der Wurzellosigkeit und ähnliche Konzepte des Postkolonialismus befindet Schütze für illusionär. Denn zwar könnte "der Postkolonialismus (...) eine kritische Theorie des Globalismus sein, aber der Abstand zwischen kritischer Theorie und ihrer Adaption durch das kritisierte System tendiert gegen Null."
Nichts geht mehr, nachdem Schützes Begriffsmühlen vorgeführt haben, wie alles Fremde in der Moderne erbarmungslos zerrieben wird; und zuallerletzt bahne der Globalismus ohnehin "die Epoche an, in der die Dimension des Fremden endgültig ausstirbt." Ist daraus nun eigentlich der Schluß zu ziehen, daß daneben nur noch einer eine große Zukunft habe: der Rassismus, der ja von diesem vorgeblichen Schicksal zehrt? Wer die nicht gerade immer allzu einleuchtenden Prämissen von Schützes Denkübungen hinnimmt, wird wohl kaum eine andere Wahl haben. Letztlich wirkt dieser Essay aber eher wie ein krampfhaft um Originalität bemühtes, doch weltfremdes Spiel mit allerlei Theorien vom Fremden - ziemlich künstliche, wenn auch nicht ungefährliche Locken, weil schließlich auf Glatzen gedreht.
Die Vorgeschichte davon soll im 18. Jahrhundert liegen, als die großen Klassifikationssysteme der wissenschaftlichen Neugier wie Linné's "Natursystem" frühere Mythen vom Fremden entzauberten und "kaum noch etwas zum Staunen" übrig ließen. Damals habe sich das Bedürfnis nach Fremdem, "der Wille zum Anderen", in die Sphäre des Menschen selbst zu verschieben begonnen. Ende des achtzehnten Jahrhunderts habe aber "kaum jemand einem menschlichen Geschöpf das Menschenrecht streitig machen" wollen; denn es sei die universelle Einheit des Menschengeschlechts angezielt gewesen, die "den ganzen Horizont menschlicher Möglichkeiten (umfaßt)".
Der "weiße europäische Mann" habe bei diesem Universalismus allerdings schon den heimlichen Maßstab gebildet - und noch eine weitere Tücke soll sich bereits im 18. Jahrhundert abgezeichnet haben. Zwar hätte nun der Mensch das Fremde ersetzen sollen, das aber letztlich nicht gekonnt. Vor allem Schwarze wurden als fremde Menschen "gesucht und gestärkt, um den Leitbegriff der Menschheit zu vervollständigen, und gleichzeitig einem hypertrophen Menschenkult geopfert." Diesen paradoxen Effekt führt Schütze auf einen blinden Zwang zurück, gegen den sich dann die "Fremdenwissenschaften" des 20. Jahrhunderts, Ethnologie, Psychoanalyse und Phänomenologie, gestemmt hätten: "Sobald der Mensch sich seiner annimmt, verblaßt der Fremde bis zur Unkenntlichkeit, und in der Begeisterung für das Menschliche an ihm kommt er schließlich abhanden." Genau in den Leerstellen dieser Dynamik sieht Schütze den modernen Rassismus nisten. Die Frage ist nur, welches Bedürfnis die Bewohner moderner Gesellschaften eigentlich dazu veranlaßt, sich das so abhanden gekommene Fremde quasi immer wieder zu erfinden - und wie dann überhaupt noch die irrwitzige Dynamik dieses Rassismus zu unterlaufen wäre. In letzter Hinsicht setzt Schütze zuweilen auf die Erkenntnisse moderner Genetik und eine entbiologisierte Politik kultureller Differenzen: "Während die Annahme qualitativer Differenzen (zwischen menschlichen Populationen UP) in der Evolution rassistisch ist, ist es im Zusammenhang der Kulturen ihre Leugnung. Es kommt also darauf an, die Logik der Differenz in einem kulturtheoretisch opportunen Sinn zu vertiefen."
Was das praktisch heißen soll, bleibt jedoch Schützes Geheimnis. Völlig widersprüchlich wird es dann aber, was die Ursprünge der menschlichen Bedürfnisse nach Fremdem und die Umgangsweise damit in den unter Globalisierungsbedingungen nötigen Differenzkulturen anbelangt. Einerseits schreibt Schütze: "Das Eigene setzt das Fremde voraus" oder "Der Mensch erwächst aus der Kluft zum Anderen", um die Bedürfnisse nach Fremdem zu begründen. Daß übrigens in diesem Kontext ausgerechnet auf Carl Schmitts Freund-Feind-Unterscheidung zurückgegriffen wird, ist um so merkwürdiger, wenn man bedenkt, daß gerade Schmitts Konzept auf einem biologistischen Modell der Artgleichheit mitberuht.
Andererseits vermelden aber Schützes Ausflüge in die modernen Versuche der Ethnologie von Levi-Strauss, der Psychoanalyse Freuds und Lacans sowie der Phänomenologe Husserls, den "Vorrang des Fremden" für die Differenzbedürfnisse der Eigenerfahrung zu begründen, im Grunde immer nur ihr Scheitern. "Wenn wir alle Fremde sind", kommentiert er etwa einmal Julia Kristevas Freud-Lektüre, "haben Diskriminierungen keinen Sinn mehr, allerdings hört dann auch das Fremde auf, fremd zu sein." Indem das Fremde benötigt wird, wird es also gleichzeitig aufgezehrt. Warum angesichts solcher Zirkel, die "exakt die Lage des Fremden unter den fremdheitsvernichtenden Bedingungen der Globalisierung" widerspiegeln sollen, überhaupt noch über einen "Kosmopolitismus neuer Art" nachgedacht wird, bleibt letztlich rätselhaft. Oder sollte er in der Ära des globalen "Totalitarismus" doch noch ein Refugium haben, nämlich in dem Migranten Vilém Flussers als "Prototyp des postkolonialen Fremden"? Doch nein, auch Flussers "kreatives Exil" der Wurzellosigkeit und ähnliche Konzepte des Postkolonialismus befindet Schütze für illusionär. Denn zwar könnte "der Postkolonialismus (...) eine kritische Theorie des Globalismus sein, aber der Abstand zwischen kritischer Theorie und ihrer Adaption durch das kritisierte System tendiert gegen Null."
Nichts geht mehr, nachdem Schützes Begriffsmühlen vorgeführt haben, wie alles Fremde in der Moderne erbarmungslos zerrieben wird; und zuallerletzt bahne der Globalismus ohnehin "die Epoche an, in der die Dimension des Fremden endgültig ausstirbt." Ist daraus nun eigentlich der Schluß zu ziehen, daß daneben nur noch einer eine große Zukunft habe: der Rassismus, der ja von diesem vorgeblichen Schicksal zehrt? Wer die nicht gerade immer allzu einleuchtenden Prämissen von Schützes Denkübungen hinnimmt, wird wohl kaum eine andere Wahl haben. Letztlich wirkt dieser Essay aber eher wie ein krampfhaft um Originalität bemühtes, doch weltfremdes Spiel mit allerlei Theorien vom Fremden - ziemlich künstliche, wenn auch nicht ungefährliche Locken, weil schließlich auf Glatzen gedreht.