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Vom Glück afrikanischer Männer in Paris

"Black Bazar" ist der bisher letzte Roman von Alain Mabanckou. Der aus dem Kongo stammende Autor lebt seit 20 Jahren in Paris und beschreibt in seinem Werk die "schwarze Seele" der Stadt an der Seine.

Von Christoph Vormweg | 30.07.2010
    Übersetzen bedeutet immer Verlust gegenüber dem Original. Doch gibt es Bücher, wo dieser Verlust zwangsläufig weit größer ist als im Durchschnitt. Der Roman "Black Bazar" gehört dazu. Denn der auf Französisch schreibende Kongolese Alain Mabanckou liebt die Sprache der Straße, das Argot der in Paris lebenden Schwarzen in all seinen Mixturen. Unweigerlich geht da beim Übersetzen Einiges an Lokalkolorit und Sprachwitz verloren.

    "Ich komme aus einem Land, wo die gesprochene Sprache wichtiger ist als die geschriebene. Deshalb kämpfe ich beim Schreiben darum, die gesprochene Sprache so in mein Buch hinein zu bringen, dass man gar nicht den Eindruck hat zu lesen. Ich bin kein Freund von Beschreibungen oder traditioneller Sprache. Ich kehre zur ursprünglichen Aufgabe des Schriftstellers zurück: der des Erzählens. Und in der gesprochenen Sprache gibt es - anders als in der geschriebenen - nicht viele Regeln. Da wird improvisiert, da tauchen Bilder auf, da gibt es die Modulation der Stimme, den Platz, wo wir ein Komma setzen und uns ausruhen – das alles ist sehr wichtig für mich."

    Den typischen Soundtrack der Pariser Schwarzen kann die Übersetzung nicht vermitteln. Dennoch ist Alain Mabanckous Roman "Black Bazar" auch auf Deutsch ein Leseerlebnis. Denn sein Ich-Erzähler nimmt kein Blatt vor den Mund. Ständig lästert er über Sinn verdrehende Fernsehdiskussionen oder den "Bastard", der ihm gerade seine Freundin und damit auch die gemeinsame kleine Tochter ausgespannt hat. Oder er streitet mit seinen Tresenkumpeln – Schwarzen verschiedenster Herkunft – über Gräuel- und vermeintliche Wohltaten des Kolonialismus. Das politisch Korrekte jedenfalls wird permanent unterlaufen.

    "Ich denke, die Welt ist aus Vorurteilen geformt. Man wird Ihnen sagen, die Schwarzen seien Faulpelze. Es gibt sogar die Legende, dass sie enorme Schwänze hätten und dass Blondinen immer auf sie stünden. Bestimmte Vorurteile kommen einem ständig in den Sinn. Und ich versuche, sie in meinem Roman zu zerpflücken, sie in ihre Bestandteile zu zerlegen, sie zu dekonstruieren, um zu den Wurzeln dieser Vorurteile vorzudringen. Ich glaube, dieser Roman attackiert aber nicht nur Vorurteile, sondern auch Tabus, Dinge, die nie ausgesprochen werden, die man versteckt. Man bringt sie nicht zur Sprache, weil man weiß, dass sie verletzen, dass sie das Verhältnis zwischen Schwarzen und Weißen stören könnten, zwischen Schwarzen untereinander, zwischen Schwarzen und Frauen. Und deshalb ist "Black Bazar" ein Roman, in dem der Erzähler beschlossen hat, die ganze Wahrheit zu sagen, auch wenn sie allen weh tut."
    Die Wahrheit sagen: das ist für den Erzähler zunächst einmal Selbsttherapie. Auch wenn sich seine Trinkgenossen über ihn lustig machen, beschließt er, einen Roman mit dem Titel "Black Bazar" zu schreiben. Bloßgestellt werden darin aber nicht nur die anderen. Bloßgestellt wird auch das eigene Machogehabe als Markenklamotten- und Krawattenknotenfetischist. Das kommt vor allem auf Partys zur Geltung.

    "Zu diesen Anlässen erscheint man immer fein gedresst, rasiert und parfümiert, man glotzt einander an wie ausgestopfte Tiere, wirft einen Blick in die vier Ecken der Bude, ob da vielleicht ein paar neue Mädchen aus der Heimat sind, die einen zweiten Blick wert sind, denn wenn diese wilden Gazellen mit ihrem Gerümpel in Paris gelandet sind, darf man ihnen nicht die Zeit lassen, bis sie kapiert haben, wie die Metro funktioniert und an welchem Schalter sie ihr Kindergeld kriegen. Wenn man ihnen Zeit lässt, höhlen sie nur das Sozialversicherungsloch aus. Darum muss man schnell zuschlagen, noch bevor sie diese Dinge in den Griff kriegen, bevor sie ihren Bananen-Akzent unterdrücken, dir herablassend antworten und nur noch mit diesen kleinen Weißen ausgehen, die sie gleich wieder entsorgen wie die Kleenex, die unser Araber von der Ecke verkauft."

    Sexistisch, spätpubertär, derb gehässig, frech: Alain Mabanckous Erzähler entpuppt sich als Hintern-Fetischist, der den Charakter der Frauen von ihrer B-Seite her dechiffriert - ein Angeber und Sprücheklopfer, den seine Tresenkumpel zum "Arschologen" ernannt haben.

    "Ich habe das bei großen Schriftstellern wie dem Franzosen La Fontaine gelernt: Wenn der menschliche Angelegenheiten thematisieren wollte, sprach er von Tieren. Ich will also karikieren, weil so das wahre Gesicht der Dinge hervortritt. Da die Fragen, die ich ansprechen will, so gravierend sind, habe ich mich für die Form der Ironie entschieden. In einem ernsten Roman hätte ich nie das gleiche Echo provoziert. Ich denke, dieser Roman konnte nur mit Ironie, Übertreibung und Humor bestehen."

    Es gibt im tragikomischen Roman "Black Bazar" also viel zu lachen: sei es über den illegalen Handel mit "Entnegerungsmitteln" zum Bleichen der Haut, über den Verkauf von Revolutionen oder die Nebelschwaden des Identitätsgeredes. Auch wenn mancher Running Gag zu sehr bemüht wird, auch wenn das ewig Laxe und Scherzende zuweilen genauso nervt wie das Lamentieren über die verlorene Liebe: Alain Mabanckou trifft immer wieder ins Schwarze der Absurditäten. Auch erfahren wir viel von der Situation in seiner Heimat Kongo, von erfüllten Kindertagen mit Fußballspiel und erstem Liebeswerben. Wunderbar gelungen ist aber vor allem das Porträt des rassistischen Nachbarn Monsieur Hippocrate. Denn der ist ein überangepasster Schwarzer, der französischer sein will als der beste Klischeefranzose.

    Alain Mabanckou: Black Bazar. Roman. Aus dem Französischen von Andreas Münzner. Verlagsbuchhandlung Liebeskind, München 2010. 272 Seiten, 19,80 Euro.