Die alte Hansestadt Wismar feiert die wundersame Rettung des örtlichen Karstadt-Warenhauses. Es gilt als Stammsitz des größten Warenhauskonzerns Europas. Mitte Februar soll es sich rundum erneuert präsentieren, aus aktuellem Anlass. Dann wird nämlich des 150. Geburtstags des Firmengründers Rudolf Karstadt gedacht. Das wohl inszenierte Ereignis bildet den Auftakt einer Jubelorgie, in deren Mittelpunkt die Entstehung des Einzelhandelsriesen Karstadt steht – vor 125 Jahren. Bis Mitte Mai wird auf 19 Ortstafeln am Stadteingang außer "Hansestadt Wismar" der Zusatz "Karstadt-Gründungsstadt" zu lesen sein.
Noch vor einem Jahr hatte es um die Zukunft von Karstadt in Wismar nicht gerade gut ausgesehen. Denn die Konzernspitze in Essen hatte die Filiale jenen kleineren Karstadt-Warenhäusern zugeordnet, die unter dem Namen "Karstadt-Kompakt" ausgegliedert wurden, um sie schließlich zu verkaufen. Viola Hopp, Betriebsratsvorsitzende des Karstadt-Warenhauses in Wismar erinnert sich:
"Es kriselte ja schon länger. Man hat das aber irgendwo immer verdrängt und wollte das nicht wahrhaben. Wir waren alle geschockt. Wir hatten hier eine Betriebsversammlung und unser Geschäftsführer unser damaliger hatte dann auf dieser Betriebsversammlung das versucht positiv rüber zu bringen, dass wir Karstadt Kompakt werden. Karstadt Kompakt - wir konnten uns darunter nichts vorstellen, was wird. Ist das ein Betriebsübergang, oder werden wir unsere Gehälter verlieren, unsern Urlaub. Wir haben nur gehört: Karstadt wird verkauft, die kleinen Häuser. Das war ja die erste Aussage, die getroffen wurde vom Vorstand. Und jeder hat in dem Moment nur an seine Existenz gedacht."
Heute ist Viola Hopp froh, weil sich das Karstadt-Management umstimmen ließ und das Stammhaus nicht abgehängt hat. Doch von anderen 76 ähnlich kleinen Warenhäusern hat sich der Konzern Karstadt-Quelle getrennt. Er will sich auf 90 größere Filialen konzentrieren. Im Rückblick erscheint diese Entscheidung wie eine längst fällige Kurskorrektur.
Bis in die Boom-Jahre nach der Wiedervereinigung hatten die Warenhausstrategen eine Politik der Expansion verfolgt. Dabei blendeten sie aus, dass die Warenhäuser ziemlich orientierungslos in der stürmischen See des Einzelhandels trieben. Auf der einen Seite die preisaggressive Konkurrenz der Discounter, auf der anderen die Fachgeschäfte und Trendsetter in Sachen Mode und Lifestyle.
Karstadt schrammte am Abgrund entlang und scheint nun wieder Fuß zu fassen. Und auch mit den Dependancen von "Karstadt-Kompakt", die eine britische Investorengruppe gekauft hat und die zwei ehemalige Karstadt-Manager weiterführen, geht es bergauf. Zum Beispiel in Essen-Borbeck. Mitten im Zentrum des Stadtteils steht eine jener hässlichen Warenhauskisten, die eigentlich schon vor vielen Jahren hätte gründlich saniert werden müssen. Aber erst unter den neuen Eignern begann die Modernisierung, erzählt Geschäftsführer Olaf Sichtig, ein ehemaliger Karstadt-Mann.
"Also, was wir hier maßgeblich gemacht haben in der Filiale ist, dass wir ein bisschen den frischen Wind haben Einzug halten lassen. Das heißt: es fängt an mit hellen freundlichen Farben in den Rückwänden. Also wir hatten ursprünglich in fast jedem Bereich eine unterschiedliche Farbe, was sehr viel Unruhe auch in das Geschäft gebracht hat. Und wir haben uns entschlossen, dass wir einheitliche weiße Farben wählen, und was die Sortimente betrifft, einfach aufgeräumter uns zeigen. Also wir wollen unserem Kunden ein bisschen Orientierung sowohl von der Farbgebung her liefern, als auch von der Sortimentierung. "
Sogar Helmut Merkel, Mitglied des Konzernvorstandes von Karstadt-Quelle und Geschäftsführer der Karstadt-Warenhausgruppe, sieht in dem Verkauf der kleinen Filialen einen Befreiungsschlag. Auch von den Modehäusern der Kette "Sinn Leffers" sowie einigen anderen Ketten hat sich der angezählte Einzelhandelsriese Karstadt-Quelle getrennt.
"Wenn wir uns jetzt die Entwicklung ankucken bei den Kompakthäusern, dann ist es ja so, dass die jetzt derzeit all die Dinge machen, die wir in den letzten Jahren individuell für die Standorte gar nicht machen konnten, weil die Konzentration naturgemäß bei den großen Standorten liegen musste und eben nicht bei den kleinen. "
Bei Warenhäusern wie dem KaDeWe in Berlin, das zwar gute Umsätze macht, aber auch viel Geld verschlingt. Der Glanz der Warentempel überstrahlte die tatsächliche Lage bei Karstadt. Die Belegschaft fiel aus allen Wolken, als ihr dämmerte, wie schlecht es um das Unternehmen stand. Das räumt Wolfgang Pokriefke ein, der Vorsitzende des Gesamtbetriebsrates der Karstadt-Warenhäuser.
"Es war für mich eine undenkbare Situation. Ich hatte nie damit gerechnet, dass Karstadt überhaupt in diese Lage mal geraten könnte."
Und heute?
"Das Wort Gesundschrumpfen ist hier in diesem Kontext sogar angebracht. Das ist auch Ziel der Angelegenheit. Ich glaube schon, dass wir einen Punkt erreicht haben, wo unser Unternehmen übersichtlicher geworden ist und dass hier der Prozess auch damit sein Ende gefunden hat, dass wir in der Tat die Filialen haben, die uns nach vorne bringen werden. Bin mal gespannt, was noch auf uns zukommt. "
In Essen, wo Karstadt bis vor kurzem noch fünf Warenhäuser betrieb, hat Karstadt heute nur noch ein Warenhaus. In Schleswig-Holstein hat sich das Unternehmen aus sieben von zwölf Städten zurück gezogen. Nun sollen sich die verbliebenen 90 Karstadt-Warenhäuser besser profilieren können und gleichzeitig Kunden dazugewinnen, signalisiert Helmut Merkel:
"Wir müssen Karstadt, die Marke, wieder so aufladen, dass sie so attraktiv ist, dass die Menschen aus 60, 70 km Entfernung anfahren, weil sie sich dort auch was Besonderes versprechen können. Wir haben in Nordrhein-Westfalen hier so viele Standorte gehabt, die auch angegriffen durch Discount, angegriffen durch Spezialisten letztlich sich selber wie Discount und Spezialisten dann verhalten haben. Aber damit geht natürlich genau diese Spezialität des Formats Warenhaus verloren, besonders attraktiv zu sein und an 1-A-Lagen halt wirklich auch eine große Vielfalt attraktiv anzubieten und die Menschen zu faszinieren. Das müssen wir wieder hinkriegen."
Ob das gelingt, bleibt fraglich. So erklären die Vertreter von Karstadt, sich nicht an den Preisschlachten zu beteiligen. Dann aber wirbt Karstadt mit Waschmaschinen zum Niedrigpreis von 299 Euro. Etwa die Hälfte des Umsatzes machen die Karstadt-Warenhäuser mit Textilien. Das bedeutet, dass einige der wichtigsten Konkurrenten von Karstadt Firmen wie Hennes & Mauritz oder Zara sind. Diese zwei Modekaufhäuser belegen in ihrer Branche seit langem erste Plätze, weil sie schnell sind, was ihre modische Orientierung und die Abläufe betrifft. Sie reagieren nicht nur auf Trends, sondern setzen Trends. Dagegen wirken Warenhäuser wie Karstadt und Kaufhof manchmal doch ziemlich behäbig.
Das Stammpublikum der Warenhäuser sind die nicht mehr ganz jungen Leute der Mittelschicht, die mittlere Preislagen bevorzugen. Diese Basis sei zu schmal, meint der Kölner Unternehmensberater Ulrich Eggert:
"Und zwar insofern, als Warenhäuser im Prinzip eine Verkaufsform sind für die Mitte. Das heißt: die Armen gehen nicht hin, weil sie zu teuer sind, und die Reichen gehen nicht hin, weil sie nicht schön genug sind, mal ganz einfach formuliert. Nur die Mitte ist heute ganz anders geworden. Denn aufgrund des ganzen Themas – Vorsorge hin, Vorsorge her; man weiß nicht, was kommt – sagt die Mitte: ich muss mein Geld strategisch ausgeben. Und sie möchten gerne mit denen mithalten, die ein bisschen mehr haben. Das heißt: sie möchten gerne "reich" spielen. Das tun sie ganz einfach, indem sie morgens zu Aldi gehen und zu Lidl und Co und kaufen eben von der Haushaltsrolle und Toilettenpapier und – was weiß ich – Grundnahrungsmittel und gehen abends ins Restaurant oder gehen abends woanders hin und kaufen sich teure Sportschuhe oder was auch immer. Und dafür ist das Warenhaus nicht geschaffen. Denn sie haben die mittleren Preislagen, sie sitzen zwischen den Stühlen heute, was die Zielgruppenansprache angeht. "
Ähnlich beurteilt Professor Joachim Zentes von der Universität des Saarlandes die Situation der Warenhäuser. Ihr Markanteil am Einzelhandel ging von 13 Prozent in der Zeit um 1970 auf rund fünf Prozent heute zurück. Viele Warenhäuser verschwanden. Bereits vor Jahren übernahm Karstadt den Warenhauskonzern Hertie, die Filialen von Horten fanden Unterschlupf bei der Kaufhof Warenhaus AG. Schon diese Übernahmen waren nach Ansicht von Joachim Zentes eine Reaktion auf die Krise der gesamten Warenhaus-Branche.
"Das ist kein plötzliches Phänomen, sondern das ist – ich sage bewusst: leider – ein Betriebstyp, dessen Lebenszyklus sich dem Ende entgegen neigt. Und das bedeutet in der Konsequenz – grob gesprochen, dass die Hälfte der Standorte verschwindet oder im Zweifel einer der beiden großen
Player verschwindet. Aber auch das ist keine so ganz neuartige Entwicklung. Früher hatten wir in Deutschland einmal vier Warenhäuser, davon sind schon zwei aufgegangen in den jetzigen Akteuren. Wir hatten die Welle, dass die Billigschiene der Warenhäuser, zum Beispiel Kaufhalle, ebenfalls vom Markt verschwunden ist. Und ich bin auch davon überzeugt, dass man diesen Zyklus sozusagen aufhalten kann etwas, aber nicht wirklich noch mal umdrehen kann. Denn wir haben die gleiche Entwicklung in unterschiedlichem Ausmaß auch in den übrigen europäischen Ländern und in auch in den Vereinigten Staaten und auch in Japan. "
Bei Karstadt-Quelle indessen ist derzeit Optimismus angesagt. Die Schuldenlast des Konzerns konnte stärker verringert werden als geplant. Sie lag zum Jahreswechsel bei 2,7 Milliarden Euro. Die Finanzplanung hatte mit 2,8 Milliarden Euro gerechnet. Auch durch den Verkauf von Immobilien kam Geld in die Kasse. Zum Teil sollen die verkauften Immobilien nun angemietet werden. Auch Karstadt-Gesamtbetriebsrat Wolfgang Pokriefke ist mit der Entwicklung im Großen und Ganzen zufrieden. An die turbulenten Herbstage des Jahres 2004 denkt er mit Schrecken zurück. Die Arbeitnehmerseite stimmte einem radikalen Sanierungskonzept zu. Es sieht vor, bis 2007 allein im Bereich Warenhäuser 4230 Beschäftigte einzusparen. Im ganzen Konzern Karstadt-Quelle sollen mehr als fünftausend Stellen wegfallen. Derzeit sind im stationären Einzelhandel von Karstadt aber noch immer 34.200, im Versandhandel, also bei Quelle und Neckermann, etwas mehr als 37.700 Menschen beschäftigt. Sie alle müssen mit finanziellen Einbußen leben: Urlaubsgeld gestrichen, drei Jahre keine Lohnerhöhung, Einschränkungen beim günstigen Personaleinkauf. Die Schmerzgrenze sei erreicht, sagt Wolfgang Pokriefke:
"Wir haben als Arbeitnehmer einen Beitrag geleistet zur Sanierung in Höhe von 769 Millionen Euro - drei Jahre läuft dieser Sanierungsplan ja, die wir als Arbeitnehmer zu dieser Sanierung beitragen. Und aus diesem Grunde sind wir daran interessiert, diesen Prozess – selbstverständlich – nach vorne bewegend zu begleiten. Die Sanierung läuft - erwartungsgemäß, so wie wir uns das vorgestellt haben. "
Aber lässt sich langfristig eine erneute Krise verhindern? Die Erfahrungen aus der Vergangenheit stimmen eher skeptisch. Was früher einmal ein Vorteil der Warenhäuser gewesen sein mag, hat sich mittlerweile in einen Nachteil verkehrt.
Beispielsweise das Prinzip der Warenhäuser, den Kunden ja nicht das Gefühl zu vermitteln, zum Kaufen überredet zu werden. In Wirklichkeit haben die Warenhäuser ihre Besucher alleingelassen, sie haben Personal im Verkauf abgebaut, was zwangsläufig zu einer schlechteren Kundenberatung führte. Bei Karstadt kaschierten blumige Schlagwörter wie das von der "Vorauswahl", die der Kunde in Ruhe selber treffen solle, den Personalabbau. Und immer, wenn dann die Umsätze hinter den Erwartungen zurückblieben, verlautete aus den Chefetagen: die Zahl der Beschäftigten solle hinter den Kulissen verringert werden. Vorne, an der sogenannten Verkaufsfront, wolle man mit fachlich versierten Mitarbeitern Flagge zeigen. Die Erfahrung draußen in den Warenhäusern war jedoch ganz anders, wie Viola Hopp vom Karstadt-Warenhaus in Wismar berichtet:
"In meinen Augen haben sie immer verkehrt angesetzt. Sie haben immer versucht, den Verkauf auszudünnen, Kosten zu sparen. Jetzt - bin ich der Meinung – sind sie auf dem richtigen Weg, dass sie auch an die Verwaltung rangehen. Der Wasserkopf, der da oben dran ist, sag ich jetzt mal einfach so, wie der normale Bürger spricht, der ist zu groß gewesen. Es kann nicht möglich sein, dass in der Zentrale da unten dreißig Leute eine Abteilung bewirtschaften. Bei uns muss eine Mitarbeiterin fünf, sechs Aufgaben mit einmal machen: Telefon, Kunden bedienen, Ware auspacken, Ware bestellen und, und, und. Und der Kunde ist doch derjenige, der uns das Geld bringt. Und das ist für mich das oberste Gebot: der Kunde muss als erstes bedient werden, damit er zufrieden hier rausgeht und sagt: "wow, da geh ich wieder hin, da wurde ich gut beraten"! "
Wolfgang Pokriefke vom Karstadt-Gesamtbetriebsrat anerkennt, dass der Sanierungsplan Einschnitte vor allem in Bereichen bringe, die dem Verkauf nachgeordnet sind.
"Die sind natürlich dadurch jetzt abgebaut und zwar über Plan abgebaut. Das merken wir auch ganz gut. Also das knirscht so ein bisschen im Getriebe, sag ich mal, weil Menschen nicht mehr da sind, die vorher Arbeit gemacht haben. Aber im Verkauf sage ich als Belegschaftsvertreter sind wir nach wie vor zu wenig. Der Personalabbau ist immer das Einfachste. Die schwierige Frage ist: wie generieren wir mehr Umsatz. Das Personal muss qualifiziert werden und muss da sein. Und dann werden sind auch die Arbeitsplätze, die wir haben gesichert und wir werden garantiert keine mehr abbauen, sondern welche anbauen. "
So weit will Helmut Merkel, der Chef der Karstadt-Warenhäuser, nicht gehen.
"Wir müssen uns eher überlegen, wie wir Servicefunktionen, auf die wir aus Kostengründen in der Vergangenheit verzichtet haben, wieder aufbauen, oder auch durch Dritte uns einkaufen. Es gibt Geschenkserviceverpackungen, gibt´s sehr viele kleine Firmen heute, die das als Serviceleistung anbieten. Und wir müssen deswegen nicht eigenes Personal da hinstellen, sondern wir können – wie wir das an einigen Standorten ja auch heute schon tun – diesen Geschenkservice letztlich anbieten, ohne dass wir selber dafür Personal vorhalten. "
Ausgliedern ist heute ein beliebtes Mittel, um die Kosten zu senken. So hat Karstadt nicht nur die Lebensmittelabteilungen, sondern auch die Logistik aus der Hand gegeben. Vorstellbar ist noch vieles. Doch am Ende könnte sich ein Warenhaus als eine Hülle entpuppen, in der sich von den Haushaltswaren bis zur Parfümerie etliche Markenshops ein Stelldichein geben, während die Warenhäuser selber kaum noch als eigene Marke überzeugen können. Das müssen sie aber, damit die Konsumenten wissen, warum sie zu Karstadt oder Kaufhof gehen sollen. Die Idee Warenhaus überzeugt nach Ansicht des Kölner Unternehmensberaters und Einzelhandelsspezialisten Ulrich Eggert nicht mehr:
"Die Idee Warenhaus ist doch eigentlich "tausendfach alles unter einem Dach", wie´s mal der Kaufhof früher auch in seiner Werbung gesagt hat. Und das ist doch auch ein Problem. Ich kann mich nicht parallel mit Lebensmitteln, mit Bekleidung, vielleicht noch Möbeln, mit Radio- und Fernsehgeräten und mit Kühlschränken profilieren und mit Fahrrädern. Man muss eine klare Linie haben. Wir gehen heute zu Hennes & Mauritz hin, die jungen Leute, weil sie sie sagen: die haben nur Bekleidung und nur für junge Leute. Hennes & Mauritz hat ein klares Profil, Ikea hat ein klares Profil, aber das Warenhaus hat im Prinzip auch ein klares, nämlich alles zu haben, aber das ist zugleich die Unklarheit. "
Trotz allem: die Sanierung des Einzelhandelsriesen Karstadt-Quelle macht Fortschritte. Und Helmut Merkel kann wieder ruhiger schlafen, wenn er an die 90 Karstadt-Warenhäuser denkt:
"Wir wussten auch, dass wir ohne inhaltliche Neupositionierung, nur allein mit Kosteneinsparung, die Marke nicht wieder neu positionieren können. Das Kunststück war, in der tiefsten Krise gleichzeitig über inhaltliche Neuorientierung zu reden. Also und wenn ich das so an meinem Terminkalender festmache, dann kann ich sagen: in der Phase hatte ich 80 Prozent der Termine, die sich mit der Vergangenheit beschäftigt haben, und 20 Prozent, die sich nach vorne hin beschäftigt haben; und ich kann heute sagen, Gott sei Dank hat sich das jetzt umgedreht: 80 Prozent beschäftigt sich mit Zukunft und 20 Prozent irgendwo mit Vergangenheit oder Auswirkungen aus der Vergangenheit. "
So weit, so gut. Das heißt allerdings noch lange nicht, dass Karstadt endgültig über dem Berg ist. Intern mögen die Weichen richtig gestellt sein, aber die äußeren Rahmenbedingungen dämpfen die Zuversicht.
In Hamburg-Harburg ist auf einem ehemaligen Industriegelände das "Phoenix Center" entstanden. Das Einkaufszentrum zieht massenweise Besucher aus der alten Mitte Harburgs ab und lockt sie in die sogenannte neue Mitte. Die alte Innenstadt verödet. Ein Geschäft nach dem anderen macht dicht, zieht in das neue Einkaufszentrum oder wird aufgegeben. Auch Karstadt trug sich mit dem Gedanken, sich von Hamburg-Harburg zu verabschieden. Die Tatsache, dass Karstadt Besitzer der Warenhausimmobilie ist, hält den Konzern davon noch ab. Standorte wie Hamburg-Harburg gibt es einige bei Karstadt, aber auch bei Kaufhof. Vielleicht geht also das "Gesundschrumpfen" noch weiter.
Im Zentrum von Hamburg zeigt Karstadt Flagge. Das Alsterhaus am feinen Jungfernstieg glich eher einem abgewrackten Musikdampfer als einem noblen Luxusliner. Karstadt investierte 35 Millionen Euro und möbelte es auf. Man holte einige der renommiertesten Einzelhändler der Hansestadt an Bord. Brigitte Meyn ist Betriebsratsvorsitzende im Alsterhaus. Sie liebt dieses traditionsreiche Warenhaus und sie leidet mit ihm, hat ihm sogar ein Buch gewidmet.
"Ich glaube an das Warenhaus, wir glauben alle an das Warenhaus und das beflügelt uns auch und ich sehe vielen Menschen in die Gesichter und muss sagen: also die sind nicht gezeichnet von Hetze; die wollen wirklich was Schönes erleben und wenn wir eben durch unsere neuen Etagen gehen, dann haben wir ähnliche Gefühle; es ist wirklich seit langem wieder das erste Mal der Fall, dass wir sagen können, wir bieten den Kunden das Einkaufserlebnis und einen schönen Aufenthalt im Kaufhaus. "
Noch vor einem Jahr hatte es um die Zukunft von Karstadt in Wismar nicht gerade gut ausgesehen. Denn die Konzernspitze in Essen hatte die Filiale jenen kleineren Karstadt-Warenhäusern zugeordnet, die unter dem Namen "Karstadt-Kompakt" ausgegliedert wurden, um sie schließlich zu verkaufen. Viola Hopp, Betriebsratsvorsitzende des Karstadt-Warenhauses in Wismar erinnert sich:
"Es kriselte ja schon länger. Man hat das aber irgendwo immer verdrängt und wollte das nicht wahrhaben. Wir waren alle geschockt. Wir hatten hier eine Betriebsversammlung und unser Geschäftsführer unser damaliger hatte dann auf dieser Betriebsversammlung das versucht positiv rüber zu bringen, dass wir Karstadt Kompakt werden. Karstadt Kompakt - wir konnten uns darunter nichts vorstellen, was wird. Ist das ein Betriebsübergang, oder werden wir unsere Gehälter verlieren, unsern Urlaub. Wir haben nur gehört: Karstadt wird verkauft, die kleinen Häuser. Das war ja die erste Aussage, die getroffen wurde vom Vorstand. Und jeder hat in dem Moment nur an seine Existenz gedacht."
Heute ist Viola Hopp froh, weil sich das Karstadt-Management umstimmen ließ und das Stammhaus nicht abgehängt hat. Doch von anderen 76 ähnlich kleinen Warenhäusern hat sich der Konzern Karstadt-Quelle getrennt. Er will sich auf 90 größere Filialen konzentrieren. Im Rückblick erscheint diese Entscheidung wie eine längst fällige Kurskorrektur.
Bis in die Boom-Jahre nach der Wiedervereinigung hatten die Warenhausstrategen eine Politik der Expansion verfolgt. Dabei blendeten sie aus, dass die Warenhäuser ziemlich orientierungslos in der stürmischen See des Einzelhandels trieben. Auf der einen Seite die preisaggressive Konkurrenz der Discounter, auf der anderen die Fachgeschäfte und Trendsetter in Sachen Mode und Lifestyle.
Karstadt schrammte am Abgrund entlang und scheint nun wieder Fuß zu fassen. Und auch mit den Dependancen von "Karstadt-Kompakt", die eine britische Investorengruppe gekauft hat und die zwei ehemalige Karstadt-Manager weiterführen, geht es bergauf. Zum Beispiel in Essen-Borbeck. Mitten im Zentrum des Stadtteils steht eine jener hässlichen Warenhauskisten, die eigentlich schon vor vielen Jahren hätte gründlich saniert werden müssen. Aber erst unter den neuen Eignern begann die Modernisierung, erzählt Geschäftsführer Olaf Sichtig, ein ehemaliger Karstadt-Mann.
"Also, was wir hier maßgeblich gemacht haben in der Filiale ist, dass wir ein bisschen den frischen Wind haben Einzug halten lassen. Das heißt: es fängt an mit hellen freundlichen Farben in den Rückwänden. Also wir hatten ursprünglich in fast jedem Bereich eine unterschiedliche Farbe, was sehr viel Unruhe auch in das Geschäft gebracht hat. Und wir haben uns entschlossen, dass wir einheitliche weiße Farben wählen, und was die Sortimente betrifft, einfach aufgeräumter uns zeigen. Also wir wollen unserem Kunden ein bisschen Orientierung sowohl von der Farbgebung her liefern, als auch von der Sortimentierung. "
Sogar Helmut Merkel, Mitglied des Konzernvorstandes von Karstadt-Quelle und Geschäftsführer der Karstadt-Warenhausgruppe, sieht in dem Verkauf der kleinen Filialen einen Befreiungsschlag. Auch von den Modehäusern der Kette "Sinn Leffers" sowie einigen anderen Ketten hat sich der angezählte Einzelhandelsriese Karstadt-Quelle getrennt.
"Wenn wir uns jetzt die Entwicklung ankucken bei den Kompakthäusern, dann ist es ja so, dass die jetzt derzeit all die Dinge machen, die wir in den letzten Jahren individuell für die Standorte gar nicht machen konnten, weil die Konzentration naturgemäß bei den großen Standorten liegen musste und eben nicht bei den kleinen. "
Bei Warenhäusern wie dem KaDeWe in Berlin, das zwar gute Umsätze macht, aber auch viel Geld verschlingt. Der Glanz der Warentempel überstrahlte die tatsächliche Lage bei Karstadt. Die Belegschaft fiel aus allen Wolken, als ihr dämmerte, wie schlecht es um das Unternehmen stand. Das räumt Wolfgang Pokriefke ein, der Vorsitzende des Gesamtbetriebsrates der Karstadt-Warenhäuser.
"Es war für mich eine undenkbare Situation. Ich hatte nie damit gerechnet, dass Karstadt überhaupt in diese Lage mal geraten könnte."
Und heute?
"Das Wort Gesundschrumpfen ist hier in diesem Kontext sogar angebracht. Das ist auch Ziel der Angelegenheit. Ich glaube schon, dass wir einen Punkt erreicht haben, wo unser Unternehmen übersichtlicher geworden ist und dass hier der Prozess auch damit sein Ende gefunden hat, dass wir in der Tat die Filialen haben, die uns nach vorne bringen werden. Bin mal gespannt, was noch auf uns zukommt. "
In Essen, wo Karstadt bis vor kurzem noch fünf Warenhäuser betrieb, hat Karstadt heute nur noch ein Warenhaus. In Schleswig-Holstein hat sich das Unternehmen aus sieben von zwölf Städten zurück gezogen. Nun sollen sich die verbliebenen 90 Karstadt-Warenhäuser besser profilieren können und gleichzeitig Kunden dazugewinnen, signalisiert Helmut Merkel:
"Wir müssen Karstadt, die Marke, wieder so aufladen, dass sie so attraktiv ist, dass die Menschen aus 60, 70 km Entfernung anfahren, weil sie sich dort auch was Besonderes versprechen können. Wir haben in Nordrhein-Westfalen hier so viele Standorte gehabt, die auch angegriffen durch Discount, angegriffen durch Spezialisten letztlich sich selber wie Discount und Spezialisten dann verhalten haben. Aber damit geht natürlich genau diese Spezialität des Formats Warenhaus verloren, besonders attraktiv zu sein und an 1-A-Lagen halt wirklich auch eine große Vielfalt attraktiv anzubieten und die Menschen zu faszinieren. Das müssen wir wieder hinkriegen."
Ob das gelingt, bleibt fraglich. So erklären die Vertreter von Karstadt, sich nicht an den Preisschlachten zu beteiligen. Dann aber wirbt Karstadt mit Waschmaschinen zum Niedrigpreis von 299 Euro. Etwa die Hälfte des Umsatzes machen die Karstadt-Warenhäuser mit Textilien. Das bedeutet, dass einige der wichtigsten Konkurrenten von Karstadt Firmen wie Hennes & Mauritz oder Zara sind. Diese zwei Modekaufhäuser belegen in ihrer Branche seit langem erste Plätze, weil sie schnell sind, was ihre modische Orientierung und die Abläufe betrifft. Sie reagieren nicht nur auf Trends, sondern setzen Trends. Dagegen wirken Warenhäuser wie Karstadt und Kaufhof manchmal doch ziemlich behäbig.
Das Stammpublikum der Warenhäuser sind die nicht mehr ganz jungen Leute der Mittelschicht, die mittlere Preislagen bevorzugen. Diese Basis sei zu schmal, meint der Kölner Unternehmensberater Ulrich Eggert:
"Und zwar insofern, als Warenhäuser im Prinzip eine Verkaufsform sind für die Mitte. Das heißt: die Armen gehen nicht hin, weil sie zu teuer sind, und die Reichen gehen nicht hin, weil sie nicht schön genug sind, mal ganz einfach formuliert. Nur die Mitte ist heute ganz anders geworden. Denn aufgrund des ganzen Themas – Vorsorge hin, Vorsorge her; man weiß nicht, was kommt – sagt die Mitte: ich muss mein Geld strategisch ausgeben. Und sie möchten gerne mit denen mithalten, die ein bisschen mehr haben. Das heißt: sie möchten gerne "reich" spielen. Das tun sie ganz einfach, indem sie morgens zu Aldi gehen und zu Lidl und Co und kaufen eben von der Haushaltsrolle und Toilettenpapier und – was weiß ich – Grundnahrungsmittel und gehen abends ins Restaurant oder gehen abends woanders hin und kaufen sich teure Sportschuhe oder was auch immer. Und dafür ist das Warenhaus nicht geschaffen. Denn sie haben die mittleren Preislagen, sie sitzen zwischen den Stühlen heute, was die Zielgruppenansprache angeht. "
Ähnlich beurteilt Professor Joachim Zentes von der Universität des Saarlandes die Situation der Warenhäuser. Ihr Markanteil am Einzelhandel ging von 13 Prozent in der Zeit um 1970 auf rund fünf Prozent heute zurück. Viele Warenhäuser verschwanden. Bereits vor Jahren übernahm Karstadt den Warenhauskonzern Hertie, die Filialen von Horten fanden Unterschlupf bei der Kaufhof Warenhaus AG. Schon diese Übernahmen waren nach Ansicht von Joachim Zentes eine Reaktion auf die Krise der gesamten Warenhaus-Branche.
"Das ist kein plötzliches Phänomen, sondern das ist – ich sage bewusst: leider – ein Betriebstyp, dessen Lebenszyklus sich dem Ende entgegen neigt. Und das bedeutet in der Konsequenz – grob gesprochen, dass die Hälfte der Standorte verschwindet oder im Zweifel einer der beiden großen
Player verschwindet. Aber auch das ist keine so ganz neuartige Entwicklung. Früher hatten wir in Deutschland einmal vier Warenhäuser, davon sind schon zwei aufgegangen in den jetzigen Akteuren. Wir hatten die Welle, dass die Billigschiene der Warenhäuser, zum Beispiel Kaufhalle, ebenfalls vom Markt verschwunden ist. Und ich bin auch davon überzeugt, dass man diesen Zyklus sozusagen aufhalten kann etwas, aber nicht wirklich noch mal umdrehen kann. Denn wir haben die gleiche Entwicklung in unterschiedlichem Ausmaß auch in den übrigen europäischen Ländern und in auch in den Vereinigten Staaten und auch in Japan. "
Bei Karstadt-Quelle indessen ist derzeit Optimismus angesagt. Die Schuldenlast des Konzerns konnte stärker verringert werden als geplant. Sie lag zum Jahreswechsel bei 2,7 Milliarden Euro. Die Finanzplanung hatte mit 2,8 Milliarden Euro gerechnet. Auch durch den Verkauf von Immobilien kam Geld in die Kasse. Zum Teil sollen die verkauften Immobilien nun angemietet werden. Auch Karstadt-Gesamtbetriebsrat Wolfgang Pokriefke ist mit der Entwicklung im Großen und Ganzen zufrieden. An die turbulenten Herbstage des Jahres 2004 denkt er mit Schrecken zurück. Die Arbeitnehmerseite stimmte einem radikalen Sanierungskonzept zu. Es sieht vor, bis 2007 allein im Bereich Warenhäuser 4230 Beschäftigte einzusparen. Im ganzen Konzern Karstadt-Quelle sollen mehr als fünftausend Stellen wegfallen. Derzeit sind im stationären Einzelhandel von Karstadt aber noch immer 34.200, im Versandhandel, also bei Quelle und Neckermann, etwas mehr als 37.700 Menschen beschäftigt. Sie alle müssen mit finanziellen Einbußen leben: Urlaubsgeld gestrichen, drei Jahre keine Lohnerhöhung, Einschränkungen beim günstigen Personaleinkauf. Die Schmerzgrenze sei erreicht, sagt Wolfgang Pokriefke:
"Wir haben als Arbeitnehmer einen Beitrag geleistet zur Sanierung in Höhe von 769 Millionen Euro - drei Jahre läuft dieser Sanierungsplan ja, die wir als Arbeitnehmer zu dieser Sanierung beitragen. Und aus diesem Grunde sind wir daran interessiert, diesen Prozess – selbstverständlich – nach vorne bewegend zu begleiten. Die Sanierung läuft - erwartungsgemäß, so wie wir uns das vorgestellt haben. "
Aber lässt sich langfristig eine erneute Krise verhindern? Die Erfahrungen aus der Vergangenheit stimmen eher skeptisch. Was früher einmal ein Vorteil der Warenhäuser gewesen sein mag, hat sich mittlerweile in einen Nachteil verkehrt.
Beispielsweise das Prinzip der Warenhäuser, den Kunden ja nicht das Gefühl zu vermitteln, zum Kaufen überredet zu werden. In Wirklichkeit haben die Warenhäuser ihre Besucher alleingelassen, sie haben Personal im Verkauf abgebaut, was zwangsläufig zu einer schlechteren Kundenberatung führte. Bei Karstadt kaschierten blumige Schlagwörter wie das von der "Vorauswahl", die der Kunde in Ruhe selber treffen solle, den Personalabbau. Und immer, wenn dann die Umsätze hinter den Erwartungen zurückblieben, verlautete aus den Chefetagen: die Zahl der Beschäftigten solle hinter den Kulissen verringert werden. Vorne, an der sogenannten Verkaufsfront, wolle man mit fachlich versierten Mitarbeitern Flagge zeigen. Die Erfahrung draußen in den Warenhäusern war jedoch ganz anders, wie Viola Hopp vom Karstadt-Warenhaus in Wismar berichtet:
"In meinen Augen haben sie immer verkehrt angesetzt. Sie haben immer versucht, den Verkauf auszudünnen, Kosten zu sparen. Jetzt - bin ich der Meinung – sind sie auf dem richtigen Weg, dass sie auch an die Verwaltung rangehen. Der Wasserkopf, der da oben dran ist, sag ich jetzt mal einfach so, wie der normale Bürger spricht, der ist zu groß gewesen. Es kann nicht möglich sein, dass in der Zentrale da unten dreißig Leute eine Abteilung bewirtschaften. Bei uns muss eine Mitarbeiterin fünf, sechs Aufgaben mit einmal machen: Telefon, Kunden bedienen, Ware auspacken, Ware bestellen und, und, und. Und der Kunde ist doch derjenige, der uns das Geld bringt. Und das ist für mich das oberste Gebot: der Kunde muss als erstes bedient werden, damit er zufrieden hier rausgeht und sagt: "wow, da geh ich wieder hin, da wurde ich gut beraten"! "
Wolfgang Pokriefke vom Karstadt-Gesamtbetriebsrat anerkennt, dass der Sanierungsplan Einschnitte vor allem in Bereichen bringe, die dem Verkauf nachgeordnet sind.
"Die sind natürlich dadurch jetzt abgebaut und zwar über Plan abgebaut. Das merken wir auch ganz gut. Also das knirscht so ein bisschen im Getriebe, sag ich mal, weil Menschen nicht mehr da sind, die vorher Arbeit gemacht haben. Aber im Verkauf sage ich als Belegschaftsvertreter sind wir nach wie vor zu wenig. Der Personalabbau ist immer das Einfachste. Die schwierige Frage ist: wie generieren wir mehr Umsatz. Das Personal muss qualifiziert werden und muss da sein. Und dann werden sind auch die Arbeitsplätze, die wir haben gesichert und wir werden garantiert keine mehr abbauen, sondern welche anbauen. "
So weit will Helmut Merkel, der Chef der Karstadt-Warenhäuser, nicht gehen.
"Wir müssen uns eher überlegen, wie wir Servicefunktionen, auf die wir aus Kostengründen in der Vergangenheit verzichtet haben, wieder aufbauen, oder auch durch Dritte uns einkaufen. Es gibt Geschenkserviceverpackungen, gibt´s sehr viele kleine Firmen heute, die das als Serviceleistung anbieten. Und wir müssen deswegen nicht eigenes Personal da hinstellen, sondern wir können – wie wir das an einigen Standorten ja auch heute schon tun – diesen Geschenkservice letztlich anbieten, ohne dass wir selber dafür Personal vorhalten. "
Ausgliedern ist heute ein beliebtes Mittel, um die Kosten zu senken. So hat Karstadt nicht nur die Lebensmittelabteilungen, sondern auch die Logistik aus der Hand gegeben. Vorstellbar ist noch vieles. Doch am Ende könnte sich ein Warenhaus als eine Hülle entpuppen, in der sich von den Haushaltswaren bis zur Parfümerie etliche Markenshops ein Stelldichein geben, während die Warenhäuser selber kaum noch als eigene Marke überzeugen können. Das müssen sie aber, damit die Konsumenten wissen, warum sie zu Karstadt oder Kaufhof gehen sollen. Die Idee Warenhaus überzeugt nach Ansicht des Kölner Unternehmensberaters und Einzelhandelsspezialisten Ulrich Eggert nicht mehr:
"Die Idee Warenhaus ist doch eigentlich "tausendfach alles unter einem Dach", wie´s mal der Kaufhof früher auch in seiner Werbung gesagt hat. Und das ist doch auch ein Problem. Ich kann mich nicht parallel mit Lebensmitteln, mit Bekleidung, vielleicht noch Möbeln, mit Radio- und Fernsehgeräten und mit Kühlschränken profilieren und mit Fahrrädern. Man muss eine klare Linie haben. Wir gehen heute zu Hennes & Mauritz hin, die jungen Leute, weil sie sie sagen: die haben nur Bekleidung und nur für junge Leute. Hennes & Mauritz hat ein klares Profil, Ikea hat ein klares Profil, aber das Warenhaus hat im Prinzip auch ein klares, nämlich alles zu haben, aber das ist zugleich die Unklarheit. "
Trotz allem: die Sanierung des Einzelhandelsriesen Karstadt-Quelle macht Fortschritte. Und Helmut Merkel kann wieder ruhiger schlafen, wenn er an die 90 Karstadt-Warenhäuser denkt:
"Wir wussten auch, dass wir ohne inhaltliche Neupositionierung, nur allein mit Kosteneinsparung, die Marke nicht wieder neu positionieren können. Das Kunststück war, in der tiefsten Krise gleichzeitig über inhaltliche Neuorientierung zu reden. Also und wenn ich das so an meinem Terminkalender festmache, dann kann ich sagen: in der Phase hatte ich 80 Prozent der Termine, die sich mit der Vergangenheit beschäftigt haben, und 20 Prozent, die sich nach vorne hin beschäftigt haben; und ich kann heute sagen, Gott sei Dank hat sich das jetzt umgedreht: 80 Prozent beschäftigt sich mit Zukunft und 20 Prozent irgendwo mit Vergangenheit oder Auswirkungen aus der Vergangenheit. "
So weit, so gut. Das heißt allerdings noch lange nicht, dass Karstadt endgültig über dem Berg ist. Intern mögen die Weichen richtig gestellt sein, aber die äußeren Rahmenbedingungen dämpfen die Zuversicht.
In Hamburg-Harburg ist auf einem ehemaligen Industriegelände das "Phoenix Center" entstanden. Das Einkaufszentrum zieht massenweise Besucher aus der alten Mitte Harburgs ab und lockt sie in die sogenannte neue Mitte. Die alte Innenstadt verödet. Ein Geschäft nach dem anderen macht dicht, zieht in das neue Einkaufszentrum oder wird aufgegeben. Auch Karstadt trug sich mit dem Gedanken, sich von Hamburg-Harburg zu verabschieden. Die Tatsache, dass Karstadt Besitzer der Warenhausimmobilie ist, hält den Konzern davon noch ab. Standorte wie Hamburg-Harburg gibt es einige bei Karstadt, aber auch bei Kaufhof. Vielleicht geht also das "Gesundschrumpfen" noch weiter.
Im Zentrum von Hamburg zeigt Karstadt Flagge. Das Alsterhaus am feinen Jungfernstieg glich eher einem abgewrackten Musikdampfer als einem noblen Luxusliner. Karstadt investierte 35 Millionen Euro und möbelte es auf. Man holte einige der renommiertesten Einzelhändler der Hansestadt an Bord. Brigitte Meyn ist Betriebsratsvorsitzende im Alsterhaus. Sie liebt dieses traditionsreiche Warenhaus und sie leidet mit ihm, hat ihm sogar ein Buch gewidmet.
"Ich glaube an das Warenhaus, wir glauben alle an das Warenhaus und das beflügelt uns auch und ich sehe vielen Menschen in die Gesichter und muss sagen: also die sind nicht gezeichnet von Hetze; die wollen wirklich was Schönes erleben und wenn wir eben durch unsere neuen Etagen gehen, dann haben wir ähnliche Gefühle; es ist wirklich seit langem wieder das erste Mal der Fall, dass wir sagen können, wir bieten den Kunden das Einkaufserlebnis und einen schönen Aufenthalt im Kaufhaus. "