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Vom Hörsaal in den eigenen Laden

Ein Unternehmen gründen, auch das will gelernt sein: Daher rät der Wirtschaftsgeograf Jürgen Schmude, Seminare zum Thema Unternehmensgründung in den Lehrplan der Universitäten aufzunehmen - und zwar nicht nur in den Wirtschaftswissenschaften, sondern fächerübergreifend. Manche Unis bieten das schon an.

Moderation: Jörg Biesler | 10.07.2008
    Jörg Biesler: Das Schwerpunktthema in diesem Sommer bei Campus & Karriere heißt Gründen. Wie gründet man Existenzen und Unternehmen, wann kann das Unternehmen erfolgreich sein. Gerade haben wir aus Kiel gehört, wie man Gründen lernen kann, und jetzt ist Professor Dr. Jürgen Schmude am Telefon, Wirtschaftsgeograf an der Ludwig-Maximilians-Universität in München und Gründungsforscher. Guten Tag, Herr Schmude.

    Jürgen Schmude: Guten Tag, Herr Biesler.

    Biesler: Sie haben die Stimmung an den deutschen Hochschulen untersucht und zwar in regelmäßigen Abständen, also wie das Klima dort in Bezug auf Gründen ist. Wie kann man das überhaupt feststellen, ob an einer Hochschule ein gründungsfreundliches Klima herrscht?

    Schmude: Zunächst kann man das darüber feststellen, indem man das Angebot analysiert. Also durch die Tatsache, dass es ein breites Angebot gibt, hat man ja eine gewisse Sensibilisierung für das Thema hergestellt. Das fängt an bei der Grundausbildung, also schon im grundständigen Studium Veranstaltungen anzubieten mit dem Thema Entrepreneurship, bis hin zu Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen.

    Biesler: Wie ist das da im Durchschnitt an den Hochschulen, gibt es da große Unterschiede?

    Schmude: Die Unterschiede sind geringer geworden. Sie haben ja gesagt, wir machen das regelmäßig. 2007 haben wir das zum vierten Mal bereits durchgeführt, die Unterschiede sind geringer geworden, aber es gibt nach wie vor einige wenige Universitäten, die sich dieser Thematik gar nicht annehmen, und es gibt etwa 20 Universitäten, die dort schon sehr gut sind.

    Biesler: Trifft das vor allen Dingen auf Studiengänge aus den naturwissenschaftlich-technischen oder aus den Ingenieurwissenschaften zu, vielleicht auch aus den Wirtschaftswissenschaften, oder gilt das für alle Studiengänge sozusagen gleich durch? Kann es auch für einen Kunsthistoriker oder einen Germanisten sinnvoll sein, sich mal mit dem Gründen zu beschäftigen?

    Schmude: Das sprechen Sie eben einen ganz großen Schwachpunkt der Entrepreneurship-Ausbildung an. Im Augenblick ist es noch sehr stark fokussiert auf den Bereich der Wirtschaftswissenschaften. Und gerade in den Bereichen wie Ingenieurwissenschaften oder auch in vielen Naturwissenschaften müsste diese Entrepreneurship-Ausbildung noch viel stärker verankert werden.

    Natürlich macht das Sinn, dass sich auch ein Kunsthistoriker mit der Thematik auseinandersetzt. Denn wir sehen ja immer wieder, dass wir aus diesen Bereichen, auch wenn nicht in der großen Zahl, aber dann doch immer wieder vereinzelt erfolgreiche Unternehmensgründungen haben.

    Biesler: Insgesamt sagt man ja, ist der Zwang zur Ökonomisierung an den Hochschulen größer geworden, auch das Bewusstsein für ökonomische Zusammenhänge. Woran liegt es dann, dass in Bezug auf das Gründen, auf die mögliche Selbständigkeit von den Absolventen noch immer nicht genug getan wird?

    Schmude: Es liegt im Prinzip daran, dass sie dieser Thematik ja nicht eindeutig einem Fachbereich zuordnen können, auch wenn der am stärksten in den Wirtschaftswissenschaften ist. Es wäre also notwendig, hier quasi fakultätsübergreifend ein Angebot zu schaffen, das auch von allen Fakultäten dann als Leistungsnachweis der Studierenden anerkannt wird.

    Biesler: Wenn man Ihre Tabelle anschaut der besten Universitäten beim Gründen, dann steht die Bergische Universität Wuppertal im letzten Jahr ganz oben auf der Tabelle. Und zwar auch an zweiter Stelle, was die Ausbildung zum Gründen angeht. Ist die Ausbildung tatsächlich so wichtig, dass sie den Studierenden da erhebliche Vorteile verschafft, jetzt mal ganz unabhängig davon, mit welchem Projekt sie sich selbständig machen wollen?

    Schmude: Ja, auf jeden Fall, weil das ja die Basis ist. Die Entrepreneurship-Ausbildung hat ja zwei Funktionen, einmal die Sensibilisierung für das Thema Selbständigkeit, aber zum anderen auch die Qualifizierung für die Selbständigkeit. Und das wird in Wuppertal eben in hervorragender Weise gelöst.

    Das große Plus von Wuppertal ist, dass hier die Entrepreneurship-Ausbildung eben nicht nur von einem Kollegen oder einer Kollegin angeboten wird, sondern dass es auf viele verschiedene Schultern verteilt ist. Es ist ein relativ breites Angebot, was wir in Wuppertal haben. Das gilt aber für die anderen Hochschulen, die Spitzenplätze belegen in der Rangliste, auch.

    Biesler: Was wären denn für strukturelle Maßnahmen denkbar, dass vielleicht auch die anderen Hochschulen in der Ausbildung für das Gründen etwas verbessern könnten? Also kann man sich grundsätzliche Veränderungen in der Hochschullandschaft vorstellen, die das Ganze befördern würden, dass man so etwas institutionalisiert?

    Schmude: Die stärkste Institutionalisierung können sie darüber erreichen, indem das in den Prüfungsordnungen verankert wird. Das heißt, Leistungsnachweise etwa für ein Seminar können auch mit dem Thema Entrepreneurship erbracht werden. Wenn uns das gelingen würde, das in die Prüfungsordnung zu schreiben bei Bachelor oder Master, dann hätten wir dieses Ziel der Institutionalisierung ja schon fast erreicht.

    Biesler: Professor Dr. Jürgen Schmude von der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Vielen Dank.

    Schmude: Vielen Dank.