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Vom Hörsaal ins Gefängnis

Raus aus dem Hörsaal und ins Gefängnis - Studierende der Uni Würzburg besuchen für die "Initiative Zelle" regelmäßig Strafgefangene der JVA Würzburg. Das Projekt gibt es bereits seit mehr als 20 Jahren.

Von Irina Hanft | 02.03.2010
    Heute ist für eine Gruppe Strafgefangener der Justizvollzugsanstalt in Würzburg ein ganz besonderer Tag: Immer dienstags bekommen die Häftlinge nämlich regelmäßigen Besuch! Nicht etwa von der Familie oder den Freunden, sondern von Studenten der Universität Würzburg. Initiative Zelle" nennt sich das Projekt der Katholischen Hochschulgemeinde Würzburg, das es seit über 20 Jahren bereits gibt. Da wird mit Häftlingen gebastelt, gekocht, geplaudert und gespielt. Ein Projekt, das offensichtlich beiden Seiten- also den Studenten wie den Gefangenen vieles gibt.

    Vorschriftsmäßig warten die Studentinnen Katharina Becker, Marina Meyer, Eva Heier und Lara Lugwelt an der Gefängnispforte. Bis sie von Sozialpädagogin Brigitte Neugebauer abgeholt werden. Sieben Türen müssen sie passieren, siebenmal wird Auf- und gleich wieder zugeschlossen - die Gänge:grau und trist

    "Das erste mal fand ich's ganz komisch wie hinter mir dann immer abgeschlossen wurde, jetzt weiß ich ja wo es hinführt und dass ich auch wieder rauskomm und das ist das nicht so bedrückend, wie es ausschaut. Ja, es ist schon komisch mit den Gitterstäben , ich würd hier nicht drin sein wollen. Ich war mal einen ganzen Tag hier, weil wir eine Führung gemacht haben und die hat ziemlich lange gedauert. Zum Schluss hab`ich fast keine Luft mehr gekriegt und wollte unbedingt wieder raus, weil ich es dann so bedrückend fand. Aber so sind wir ja nur zwei Stunden da und dann geht das."

    Die vier Frauen sind Anfang 20, weltoffen, sie studieren Pädagogik an der Universität Würzburg. Aus reinem Zeitvertreib oder purem Nervenkitzel kommen sie nicht hierher - sie wollen mit den Häftlingen in Kontakt treten. Dass Studierende mittlerweile seit Jahren die JVA besuchen, hat auch berufliche Gründe. "Besonders in pädagogischen und sozialen Studiengängen würden die Dozenten zu einem sozialen Engagement raten, sagen die angehenden Pädagogen.

    "Ich mach des Ganze, weil ich später noch eine Psychotherapie–Ausbildung machen möchte und es ganz interessant finde, die Lebensläufe von so kriminellen Menschen kennenzulernen. Einfach auch zu sehen, dass hinter so harten Jungs ein weicher Kern steckt. Ich möchte auch beruflich in die Richtung gehen, Richtung JVA. Durch meinen Freundeskreis damals, die waren alle ein bischen kriminell, kann ich sagen, deswegen bin ich zu dieser Schiene gekommen, und deswegen finde ich das cool, dass so etwas angeboten wird."

    Bei den Aktivitäten sind der Kreativität fast keine Grenzen gesetzt. Neben Gesellschaftsspielen, kreativen Angeboten und Quizrunden nehmen sie sich auch Zeit für anspruchsvolle Themen, wie Diskussionen über aktuelle politische Ereignisse oder Gedächtnistraining. Heute geht es um lockere Unterhaltung. Katharina Becker.

    "Was die so möchten, das planen wir auch. In letzter ist es verstärkt, irgendwelche Musik mitzubringen und einfach nur zu reden. Früher haben wir Tabu, Karten und Gesellschaftsspiele gespielt. Hatten auch philosophische Themen, wie "Erzähl Deine Träume", was die von uns denken, was wir von ihnen denken."

    In den nächsten anderthalb Stunden sitzen den vier Frauen 15 männliche Gefangene gegenüber. Es gibt zwei Gruppen und die warten schon im Aufenthaltsraum. Ein großer Tisch mit Stühlen drum herum - verglaste Wände. Die Studenten sitzen hier alleine mit den Insassen. Justizvollzugsbeamte auf dem Gang kontrollieren das Geschehen lediglich durch die Glasscheiben. Studentin Lara Lugwelt erklärt ihr Spiel.

    "Du bist jetzt der Psychiater und musst herausfinden, welche psychische Krankheit wir haben und du musst jeden einzelnen fragen, was so einfällt , um rauszufinden, was für eine psychische Krankheit wir alle haben."

    Fast alle Häftlinge machen auf Anhieb mit, nur einzelne rühren in ihren Kaffeetassen und kratzen sich die tätowierten Arme. Gewaltverbrecher oder Vergewaltiger sind sie nicht – sie sind Bankräuber und Diebe mit maximal sechs Jahren Freiheitsstrafe. Der Besuch der Studentinnen tue ihnen gut, sagt Anstaltsleiter Robert Hutter

    "Vor allem haben die eine andere Sichtweise, wie letztendlich unsere Bediensteten. Sie besprechen Sachen anders, als wie wir Angestellt mit einem Gefangenen sprechen, das ist, denke ich, offener. Es kann auch eine Änderung des Blickwinkels bewirken."

    In Sachen Sicherheit bereitet Sozialpädagogin Brigitte Neugebauer die Studenten auf ihr Treffen vor.

    "Es gibt ganz offizielle Belehrungen, die sie auch unterschreiben müssen. Wo steht, dass nichts mitgenommen werden darf von den Gefangenen. Kein Brief noch irgendwelche Infos, es darf draußen keiner angerufen werden. Gewürze dürfen nicht mitgebracht werden, dann tun sie das vorher schon mischen. Messer nur kleine, nicht große Fleischermesser und müssen auch alles wieder zurücknehmen."

    Für die Häftlinge ist das Treffen ein kleiner Ausbruch aus dem Gefängnisalltag, eine willkommene Abwechslung eben.

    "Heute bin ich zum zweiten Mal dabei. Man kann mit Leuten von außerhalb reden, wir sind dienstags immer eingeschlossen, das ist Zeitvertreib und man kann mit Leuten von außerhalb reden."