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Vom Kochen und Hoffen

Der Kinobetrieb in Deutschland läuft dank Fußball-EM in den nächsten Wochen auf Sparflamme - Verleiher und Kinobetreiber fürchten leere Säle. Also geht im gesamten Juni keine große Hollywoodproduktion an den Start. Doch drei neue - und zwei empfehlenswerte - Filme hat die kommende Woche immerhin zu bieten.

Von Jörg Albrecht |
    "Amador und Marcelas Rosen" von Fernando León de Aranoa

    Alltagsgeschichten von ganz gewöhnlichen Menschen gilt sein Interesse. Teenager aus einem Problembezirk, arbeitslose Werftarbeiter und Prostituierte – das sind die Helden in den Filmen des Spaniers Fernando León de Aranoa. Im Mittelpunkt seiner sechsten Regiearbeit "Amador und Marcelas Rosen" steht eine junge Frau, die zusammen mit ihrem Freund in Madrid einen Schwarzhandel mit Rosen betreibt. Marcela und Nelson fehlt das Geld an allen Ecken und Enden.

    "Wenn wir unseren Blumenladen haben, benennen wir ihn nach dir: Marcelas Blumen. Das schreibe ich auch auf die Lieferwagen. ... Dann können es alle sehen, wenn sie herumfahren. ..."

    Dass sich eines Tages der Traum vom eigenen Blumengeschäft erfüllt – daran mag die von Magaly Solier gespielte Marcela nicht mehr glauben. Sie will dieses Leben nicht mehr. Doch genau in dem Moment, als sie ihre ganze Kraft zusammennimmt und Nelson verlassen will, erfährt sie, dass sie schwanger ist. Marcela bleibt. Um Kredite und Schulden zurückzahlen zu können, nimmt sie eine Stelle als Pflegerin an. Täglich kümmert sie sich von nun an um Amador, einen kranken Mann, der zwar allein lebt, aber auf fremde Hilfe angewiesen ist.

    "Hast du schon mal ein Puzzle gemacht? – Nein. ... Warum haben die Ihnen das nicht zusammengesetzt geschenkt? ... Wenn man etwas selber macht, ist das etwas anderes. Das gilt für ein Puzzle und es gilt für alles andere in der Welt. Mit dem Leben ist das auch so. Du kriegst alle Teile, bevor du geboren wirst ... und es liegt an dir, alle an ihren richtigen Platz zu legen. ... Ich habe keine Teile bekommen. – Doch – du hast sie auch bekommen. Du weißt es nur einfach nicht."

    Als Amador eines Tages leblos in seinem Bett liegt, fehlen Marcela nicht nur die Lebensweisheiten des alten Mannes. Mit seinem Tod wird auch die neue Einnahmequelle wieder versiegen. Um das zu vermeiden, lässt Marcela Amador einfach weiterleben. Mit Unmengen von Rosensträußen, Duftsprays und einem Ventilator versucht sie den Leichengeruch zu überdecken.

    Amador hatte es geschafft, Marcela wieder zum Lächeln zu bringen und wieder an ihre Zukunft glauben zu lassen. Dass es eines Sterbenden bedarf, damit eine junge Frau wieder aufblüht, klingt nach einer banalen, rührseligen und vor allem nach einer abgegriffenen Kinogeschichte. Aber das ist "Amador und Marcelas Rosen" ganz und gar nicht. Fernando León de Aranoa hat einen sanften, im Grundton melancholischen und in manchen Szenen sogar überraschend humorvollen Film über Lebensmut und Hoffnung gedreht.

    "Amador und Marcelas Rosen" von Fernando León de Aranoa: Empfehlenswert!


    "Kochen ist Chefsache" von Daniel Cohen

    "Das ist mein Rezept von 1996: Meeräsche mit Hokkaido-Kürbis. Das schmeckt ganz genauso. ... Wer hat das gemacht? – Guck mal durchs Fenster! Der Maler da. ..."

    Da staunt Jean Reno als französischer Sternekoch Alexandre Lagarde nicht schlecht. Der Mann, der die Fensterrahmen streicht, beweist Talent am Herd. Nur hat das bislang niemand zu schätzen gewusst in den Bistros, in denen Jacky gekocht hat. Hochkant ist er immer wieder vor die Tür gesetzt worden, weil er mit seinen Kreationen übers Ziel hinausgeschossen ist. Und so muss er jetzt sein Geld mit Malerarbeiten verdienen.

    "Ich kenne hunderte Rezepte auswendig. Der größten Köche. Ich bin kulinarisch nicht aufzuhalten."

    Dank Alexandre erfüllt sich Jackys Traum, endlich einmal zum Team eines Spitzenrestaurants zu gehören. Der Maître de Cuisine gibt Jacky eine Stelle als Souschef. Nicht ohne Hintergedanken. Denn seit geraumer Zeit sind Alexandre die kulinarischen Ideen ausgegangen. Wenn ein in die Jahre gekommener Spitzenkoch und ein vom Ehrgeiz gepackter Anfänger aufeinander treffen, ist das Kochduell programmiert. Der gemeinsame Kampf gegen die Molekularküche aber vereint sie.

    "Alexandre sagt Ihnen jetzt: Schluss mit der Kombiniererei zwischen Alexandre und Alexandre! ... Aber ich weiß eben, wie Alexandre arbeitet. – Aber Alexandre bin ich. – Na und?! Das bringt uns nicht weiter. Ich habe die Arbeit von Beginn an verfolgt. ..."

    Ein hektischer Dialog, wie er kennzeichnend ist für "Kochen ist Chefsache" und wie er vielleicht vor 40 Jahren in einem Louis de Funès-Film noch funktioniert hätte. Sowohl ein charismatischer Schauspieler als auch hohes Tempo können manch halbgare Pointe wettmachen. Jean Reno aber, dem man sicherlich nicht mangelndes Charisma nachsagen kann, und der Komiker Michaël Youn in den Hauptrollen scheinen kein Rezept zu haben. Von Drehbuch und Regie im Stich gelassen, agieren die Beiden aufgesetzt und albern. Mit der Realität haben diese Charaktere nichts zu tun – was besonders negativ auffällt in den Momenten, in denen es im Film menscheln soll.

    "Kochen ist Chefsache" von Daniel Cohen: Enttäuschend!


    "Sushi – The Global Catch" von Mark Hall

    Von fiktiven Köchen zu ganz realen: Wenn man ihm sagt, dass seine Arbeit Kunst ist, dann mache ihn das schon sehr stolz. Erzählt Mamoru Sugiyama, Koch mit Michelin-Stern im Restaurant Sushiko in Tokio. Er ist einer der führenden japanischen Sushi-Chefs. Sugiyama erzählt über die Traditionen in seinem seit 1885 bestehenden Restaurant. In den letzten Jahrzehnten hat die ursprünglich aus China stammende und in Japan verfeinerte Speise einen Siegeszug um die ganze Welt angetreten.

    Sushi ist in. Für den texanischen Filmemacher Mark Hall Grund genug, dem kulinarischen Phänomen in einem Film nachzuspüren. "The Global Catch" hat Hall seine Dokumentation genannt. In ihr kommen nicht nur Sushi-Chefs zu Wort und berichten über ihr Handwerk. Hall widmet sich auch den ökonomischen Auswirkungen. Vor allem aber zeigt er mit Hilfe seiner Interviewpartner die ökologischen Gefahren der weltweiten Sushi-Nachfrage auf. Dabei geht es ihm nicht darum die moralische Keule auszupacken. Stattdessen zeichnet er ein differenziertes Bild einer sich verändernden Esskultur und der daraus resultierenden Probleme.

    "Sushi – The Global Catch" von Mark Hall: Empfehlenswert!