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Vom Kollaps der Weltwirtschaft

Ein Klassiker der politischen Literatur erschien schon 1972, gewinnt aber tagtäglich an Aktualität. Er entwarf ein Katastrophenszenario, das mit dem Satz subsumiert werden könnte: In nicht allzu ferner Zukunft ist die Party vorbei. Die Weltwirtschaft bricht zusammen, denn die Rohstoffe sind verbraucht, die Umwelt verseucht und die Böden unfruchtbar geworden. Das Autorenteam um den US-Systemwissenschaftler Dennis Meadows wurde mit dieser Darstellung zu einem Geburtshelfer der Umweltbewegung und grüner Parteien rund um den Globus. Ein Beitrag von Georg Ehring.

01.09.2008
    Die Schreckensvision vom Kollaps von Weltwirtschaft und Weltbevölkerung war das Ergebnis einer Computer-Analyse im Auftrag des Club of Rome, einer Vereinigung von Intellektuellen und Unternehmern, die sich als globale Denkfabrik zur Lösung drängender Menschheitsprobleme versteht. Der Computer spuckte in fast allen Rechenvarianten ähnliche Ergebnisse aus:

    "Dieses Systemverhalten tendiert eindeutig dazu, die Wachstumsgrenzen zu überschreiten und dann zusammenzubrechen. Der Zusammenbruch, sichtbar am steilen Abfall der Bevölkerungskurve kurz nach ihrem Höchststand, erfolgt infolge Erschöpfung der Rohstoffvorräte."
    Im Jahr 1972 traf das Werk das überwiegend fortschrittsgläubige Publikum wie der Blitz aus heiterem Himmel. Noch im Jahr des Erscheinens wurde das englischsprachige Original in zwölf Sprachen übersetzt, unter anderem ins Deutsche. Von energischer Ablehnung bis zu tiefer Betroffenheit und Zustimmung reichten die Reaktionen. Umweltschützer in aller Welt argumentieren seitdem mit den "Grenzen des Wachstums."

    Wie war Meadows zusammen mit einem Team des renommierten Massachusetts-Institute of Technology zu dieser düsteren Prognose gekommen? Die Wissenschaftler hatten Computer mit Wachstumszahlen zu Bevölkerung, Rohstoffverbrauch, Umweltverschmutzung, Industriekapital und Nahrungsmittelproduktion gefüttert, ein Modell der Abhängigkeiten dieser Größen voneinander entworfen und verschiedene Annahmen durchgerechnet. Das Ergebnis ist in fast allen Durchläufen ähnlich - noch vor dem Ende des 21. Jahrhunderts erfolgt der Zusammenbruch. Der einzige Ausweg sei der Übergang vom Wachstum zum Gleichgewicht:
    "Es erscheint möglich, die Wachstumstendenzen zu ändern und einen ökologischen und wirtschaftlichen Gleichgewichtszustand herbeizuführen, der auch in weiterer Zukunft aufrecht erhalten werden kann. Es könnte so erreicht werden, dass die materiellen Lebensgrundlagen für jeden Menschen auf der Erde sichergestellt sind und noch immer Spielraum bleibt, individuelle menschliche Fähigkeiten zu nutzen und persönliche Ziele zu erreichen."
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    Etwa eine Generation ist seit der Veröffentlichung vergangen und das Werk ist häufig als Fehlprognose kritisiert worden, da der prognostizierte Kollaps bisher ausgeblieben ist. Ein Blick in Meadows Buch entlarvt diese Kritik allerdings als verfrüht: In allen Modelldurchläufen geht das Wachstum bis weit in das 21. Jahrhundert scheinbar ungebremst weiter, die Verknappung einzelner Rohstoffe wie etwa Erdöl kann eine Zeitlang noch durch Preissteigerungen und die Nutzung von Alternativen ausgeglichen werden. Doch wenn diese Möglichkeiten ausgeschöpft sind, gibt es keine Rettung mehr, der Zusammenbruch kommt.

    Im Jahr 2006 erschien ein 30-Jahre-Update der "Grenzen des Wachstums". Darin schreiben die Autoren die Ergebnisse des Originals fort und sehen sich im Wesentlichen bestätigt.

    "Mittlerweile ist der Lebensstandard, den wir allen Menschen der Erde dauerhaft hätten bieten können, nicht mehr erreichbar; Ökosysteme, die wir hätten erhalten können, wurden zerstört; Ressourcen, die Reichtum für zukünftige Generationen hätten bedeuten können, wurden aufgebraucht. Aber trotzdem stehen noch zahlreiche Möglichkeiten offen und das ist entscheidend."

    Die These, dass das Wachstum an Grenzen stößt, war 1972 eine Provokation. Heute ist allgemein akzeptiert, dass Umweltverschmutzung, Weltbevölkerung und Ausbeutung endlicher Rohstoffe nicht unendlich zunehmen können.

    Die katastrophalen Folgen ungelenkten Wachstums sind selten so klar beschrieben worden wie in dem Buch von 1972. In diesem Sinne ist es auch heute noch eine eindrucksvolle Lektüre. Wer dabei das Alter des Werkes vor Augen hat, wundert sich, wie wenig Konsequenzen die Menschheit daraus gezogen hat. Das Original mit seinen 183 Seiten hat den Vorzug, dass es leicht lesbar und in den zentralen Aussagen gut nachzuvollziehen ist. Das 30-Jahre-Update ist fast doppelt so dick und versucht, so viele Einzelaspekte, Beispiele und Gedankenspiele unterzubringen, dass der Leser leicht den Überblick verliert.

    Gangbare Lösungswege hatten die Autoren der "Grenzen des Wachstums" allerdings nicht zu bieten: Ihre Forderung, die Menschheit möge die Übernutzung der Erde stoppen und zum Gleichgewicht übergehen, erscheint ohne konkrete Rezepte als hilfloses Zeugnis einer Zeit, in der fast alles für planbar gehalten wurde. Doch die Debatte über mögliche Auswege hatte mit dem Erscheinen des Buches gerade erst begonnen.


    Georg Ehring über den von Dennis Meadows, Donella Meadows, Erich Zahn und Peter Milling herausgegebenen Klassiker: Die Grenzen des Wachstums. Bericht des Club of Rome zur Lage der Menschheit. Das 1972 in der Deutschen Verlags-Anstalt Stuttgart erschienene Buch, 183 Seiten stark, ist nur noch antiquarisch erhältlich ist. Hingegen ist der von Donella Meadows, Jørgen Randers und Dennis Meadows edierte Fortsetzungsband "Grenzen des Wachstums. Das 30-Jahre-Update. Signal zum Kurswechsel" nach wie vor lieferbar. Die deutsche Ausgabe kommt aus dem S. Hirzel-Verlag, umfasst 324 Seiten und kostet 29 Euro.