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Vom Mammut zum modernen Dickhäuter

Paläontologie. - Die Fortschritte in der Genetik bescheren Paläontologen viel Arbeit, denn dadurch lassen sich Verwandtschaftsgrade höchst exakt bestimmen. Ein Beispiel dafür ist etwa eine neue Arbeit über heutige Elefanten und ihre berühmten Ahnen, die Mammuts.

Arndt Reuning im Gespräch mit Michael Hofreiter |
    Michael Hofreiter: "Wir haben das gesamte mitochondriale Genom des Wollmammuts sequenziert und mit dessen Hilfe die Verwandtschaftsverhältnisse zwischen Wollmammut, afrikanischen und asiatischen Elefanten untersucht. Dabei fanden wir, dass das Mammut näher mit dem asiatischen Elefanten verwandt ist."

    Reuning: Welche Bedeutung hat diese Entdeckung?

    Hofreiter: "Diese Entdeckung allein hat Bedeutung für das Verständnis der Artentstehung des Mammuts. In bestimmten Merkmalen ähnelt das Wollmammut mehr dem asiatischen Elefanten, in anderen wiederum mehr dem afrikanischen Elefanten. Evolutionsbiologen wollen wissen, ob solche Merkmale parallel entstanden sind, ob sie urtümlich sind oder ob sie aufgrund eines gemeinsamen Vorfahren entstanden sind. Wir können jetzt sagen, Merkmale, die asiatische Elefanten mit dem Mammut teilen, können aufgrund eines gemeinsamen Vorfahren der beiden Arten entstanden sein, während Merkmale, die das Wollmammut mit dem afrikanischen Elefanten teilt, in jedem Fall parallel entstanden oder urtümlich sind. Solche Dinge sind einfach wichtig, um das Entstehen von Morphologie oder die Veränderung von Aussehen zu beurteilen."

    Reuning: Bei der Rekonstruktion dieses Erbmaterials haben Sie auf eine ganz besondere DNS zurückgegriffen, nämlich jene in Mitochondrien, den Kraftwerken in Zellen. Warum diese Art von DNS?

    Hofreiter: "Diese Art von DNS wird ganz häufig bei Alter-DNS-Forschung verwendet, weil sie in viel größerer Kopienzahl in der Zelle vorliegt und man eine höhere Chance hat, überhaupt ein bisschen etwas aus einem alten Knochen zu bekommen. Der zweite Grund ist, dass sie relativ schnell evoliert und von daher sehr praktisch ist, um jüngere stammesgeschichtliche Ereignisse zu untersuchen. Mammut und die beiden Elefantenarten haben sich erst vor ungefähr sechs Millionen Jahren getrennt."

    Reuning: Sie haben die DNS aus Knochen isoliert. Hat man denn beim Mammut denn nicht vielleicht noch Haut- oder Fellreste oder etwa Fleisch, das im Eis konserviert wurde?

    Hofreiter: "Es gibt diese Funde - sowohl Fellreste, als auch Muskelgewebe. Aber es ist so, dass zwar in diesem Gewebe beim lebenden Tier mehr DNS vorhanden ist, aber sich die DNS im Laufe der Jahrtausende schneller zersetzt. Das heißt, in fossilen Proben ist letztlich mehr DNS in den Knochen enthalten."

    Reuning: Jetzt arbeiten Sie am Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie. Was haben denn Mammut und Elefant mit dem Menschen zu tun?

    Hofreiter: "Direkt mit dem Menschen haben Elefanten natürlich relativ wenig zu tun, außer dass Mensch und Elefant Säugetiere sind. Aber wir arbeiten hier generell auch immer wieder mit Tieren, einerseits um Techniken zu entwickeln. Zum anderen interessiert uns natürlich auch das ganze Umfeld, in dem menschliche Evolution stattgefunden hat. Ein Teil der menschlichen Evolution hat auch während der Eiszeit stattgefunden. Der Neandertaler kam während der Eiszeit in Europa vor. Deswegen arbeiten wir auch mit Tieren, um so den ganzen Zusammenhang zu verstehen."

    Reuning: Also quasi als Fingerübung, um vielleicht einmal Aussagen machen zu können über das Verwandtschaftsverhältnis zwischen Neandertaler und dem heutigen Menschen?

    Hofreiter: "Ja, bis zu einem bestimmten Punkt, wobei man natürlich sagen muss, das Verwandtschaftsverhältnis zwischen Homo sapiens und Neandertaler ist bis zu einem gewissen Grad ja bereits untersucht. Es gibt kürzere mitochondriale Sequenzen. Aber es ist schon auch so eine Fingerübung, denn mit längeren Sequenzen könnte man viel besser datieren, wann eigentlich diese Aufspaltung zwischen Mensch und Neandertaler stattgefunden hat."