Arndt Reuning: Wir sind nicht alleine. Wohin wir auch gehen, wir tragen eine Unzahl von Bakterien mit uns – mehr als wir Zellen im Körper haben. Normalerweise schaden uns diese Bakterien nicht. Im Gegenteil: Sie helfen uns, zum Beispiel bei der Verdauung oder sie schützen uns vor anderen Bakterien, die uns krank machen können. Bei Patienten im Hospital kann das aber schon wieder anders aussehen. Denn dort können sich Bakterien zu gefährlichen Lebensgemeinschaften zusammenschließen. Und das ist ein Thema auf der 116. Tagung der deutschen Gesellschaft für Innere Medizin. Vor Ort in Wiesbaden ist mein Kollege Martin Winkelheide. Herr Winkelheide, wie kann ich mir das denn vorstellen, eine Wohngemeinschaft, eine WG aus Bakterien?
Martin Winkelheide: Solche Wohngemeinschaften, solche Biofilme, wie Wissenschaftler sie nennen, kommen eigentlich überall in der Natur vor. Sie leben auf der Grenze sozusagen, besiedeln feuchte Flächen sozusagen und selbst unsere Ozeane sind mit einem feinen Film von Bakterien überzogen. Das heißt, die Bakterien leben im Schleim, treiben Handel miteinander, reden miteinander und haben eine starke Arbeitsteilung, das heißt, sie nützen sich gegenseitig und wer nicht richtig arbeitet, fliegt raus.
Reuning: Und welche Probleme sind denn mit solch einer Bakterien-WG besonders im Krankenhaus verbunden?
Winkelheide: Das Krankenhaus ist natürlich ein besonderes Biotop, wie Biologen das sagen würden. Das heißt, da werden viele Desinfektionsmittel benutzt, die Patienten werden mit Antibiotika behandelt und das heißt, es haben eigentlich nur Bakterien eine Chance da zu überleben aus Sicht der Bakterien, die besonders hart im Nehmen sind und die besonders unempfindlich sind gegen Antibiotika. Besondere Probleme gibt es natürlich, wenn Bakterien von einem Ort, wo sie normalerweise siedeln würden, verschleppt werden. Also zum Beispiel, wenn Hautkeime sich in Wunden niederlassen und sich dort ausbreiten, dann kommt es zu schlimmen Wundinfektionen. Oder aber eben, wenn sie die Darmwand durchbrechen oder – das dritte große Problem – wenn sie Katheter besiedeln, also Schläuche, die in den Körper hineingebracht werden, zum Beispiel auf der Intensivstation, um Nahrungsmittel zuzuführen oder eben Stoffe ins Blutsystem abzugeben.
Reuning: Wie kommen die denn dahin? Wie kommt es, dass die Bakterien diese Katheter besiedeln?
Winkelheide: In der Regel ist es so, dass die verschleppt werden, tatsächlich von der Haut in das Innere, also sozusagen von da aus dann den Katheter besiedeln. Das Besondere aber ist, und das hat man eigentlich auch jetzt erst in der letzten Zeit gesehen, ist dass die Bakterien ihr Verhalten ändern. Das heißt, Bakterien, die auf der Haut unauffällig sind, die eigentlich nette Bakterien sind, werden innerhalb des Körpers relativ gemein, weil sie bestimmte Programme anschalten. Sie starten also die Biofilmbildung, sie produzieren den Schleim, den sie brauchen, um darin zu leben und sie unterhalten sich miteinander, das heißt, sie fragen immer: Wie viele sind wir? Und wenn sie sozusagen genug Bakterien sind, dann fangen sie auch an, Giftstoffe zu produzieren, sogenannte Toxine, und sie fangen an, sich gegen das Immunsystem im Körper zu wehren, das kann sehr unangenehm sein.
Reuning: Wie merkt das denn der Patient?
Winkelheide: Der Patient wird es nicht merken. Es kann natürlich zu Entzündungsreaktionen und zu Fieber kommen. Das Problem ist, dass klassische Strategien nicht viel helfen. Das heißt, ein Bakterien- und Biofilm ist fast unangreifbar für Antibiotika. Er ist 500-fach unempfindlicher als ein normales Bakterium. Und das zweite Problem ist, dass die Bakterien eben nicht unbedingt in dieser Lebensgemeinschaft im Biofilm bleiben, wenn eine kritische Masse erreicht ist, wenn die Bakterien nicht mehr genug Futter finden, dann fangen sie an zu wandern. Und dann wird es richtig gefährlich. Denn dann wird eine heftige Entzündungsreaktion im Körper ausgelöst, zumindest bei Staphylokokkus epidermidis. Und es droht dann Nierenversagen, Leberversagen oder der Ausfall anderer Organe.
Reuning: Wie sieht das denn aus mit einer Vorbeugung? Kann man denn nicht die natürliche Bakterienbesiedlung im Körper als Abwehr benutzen?
Winkelheide: Das ist wichtig, vor allem, wenn es um den Darm geht. Und diese Konzepte betreibt man auch tatsächlich. Also in der Intensivmedizin ist es inzwischen üblich, dass man den schwerkranken Patienten über den Magen eben eine Zuckerlösung gibt. Die Idee dahinter ist, dass der Darm etwas zu tun hat, dass die Zotten in Bewegung bleiben und dass der normale gesunde Biofilm auf dem Darm dann auch normal funktioniert. Das heißt, die Darmschleimhaut bleibt an dieser Stelle intakt. Sie wird nicht löchrig. Und es gibt keine Chance für andere Bakterien durch die löchrige Darmschleimhaut dann durchzubrechen und über das Lymphsystem dann in das Blutsystem zu kommen und eben lebensbedrohliche Infektionen auszulösen. Das ist tatsächlich ein Konzept.
Reuning: Martin Winkelheide war das vom Internistenkongress in Wiesbaden. Vielen Dank.
Martin Winkelheide: Solche Wohngemeinschaften, solche Biofilme, wie Wissenschaftler sie nennen, kommen eigentlich überall in der Natur vor. Sie leben auf der Grenze sozusagen, besiedeln feuchte Flächen sozusagen und selbst unsere Ozeane sind mit einem feinen Film von Bakterien überzogen. Das heißt, die Bakterien leben im Schleim, treiben Handel miteinander, reden miteinander und haben eine starke Arbeitsteilung, das heißt, sie nützen sich gegenseitig und wer nicht richtig arbeitet, fliegt raus.
Reuning: Und welche Probleme sind denn mit solch einer Bakterien-WG besonders im Krankenhaus verbunden?
Winkelheide: Das Krankenhaus ist natürlich ein besonderes Biotop, wie Biologen das sagen würden. Das heißt, da werden viele Desinfektionsmittel benutzt, die Patienten werden mit Antibiotika behandelt und das heißt, es haben eigentlich nur Bakterien eine Chance da zu überleben aus Sicht der Bakterien, die besonders hart im Nehmen sind und die besonders unempfindlich sind gegen Antibiotika. Besondere Probleme gibt es natürlich, wenn Bakterien von einem Ort, wo sie normalerweise siedeln würden, verschleppt werden. Also zum Beispiel, wenn Hautkeime sich in Wunden niederlassen und sich dort ausbreiten, dann kommt es zu schlimmen Wundinfektionen. Oder aber eben, wenn sie die Darmwand durchbrechen oder – das dritte große Problem – wenn sie Katheter besiedeln, also Schläuche, die in den Körper hineingebracht werden, zum Beispiel auf der Intensivstation, um Nahrungsmittel zuzuführen oder eben Stoffe ins Blutsystem abzugeben.
Reuning: Wie kommen die denn dahin? Wie kommt es, dass die Bakterien diese Katheter besiedeln?
Winkelheide: In der Regel ist es so, dass die verschleppt werden, tatsächlich von der Haut in das Innere, also sozusagen von da aus dann den Katheter besiedeln. Das Besondere aber ist, und das hat man eigentlich auch jetzt erst in der letzten Zeit gesehen, ist dass die Bakterien ihr Verhalten ändern. Das heißt, Bakterien, die auf der Haut unauffällig sind, die eigentlich nette Bakterien sind, werden innerhalb des Körpers relativ gemein, weil sie bestimmte Programme anschalten. Sie starten also die Biofilmbildung, sie produzieren den Schleim, den sie brauchen, um darin zu leben und sie unterhalten sich miteinander, das heißt, sie fragen immer: Wie viele sind wir? Und wenn sie sozusagen genug Bakterien sind, dann fangen sie auch an, Giftstoffe zu produzieren, sogenannte Toxine, und sie fangen an, sich gegen das Immunsystem im Körper zu wehren, das kann sehr unangenehm sein.
Reuning: Wie merkt das denn der Patient?
Winkelheide: Der Patient wird es nicht merken. Es kann natürlich zu Entzündungsreaktionen und zu Fieber kommen. Das Problem ist, dass klassische Strategien nicht viel helfen. Das heißt, ein Bakterien- und Biofilm ist fast unangreifbar für Antibiotika. Er ist 500-fach unempfindlicher als ein normales Bakterium. Und das zweite Problem ist, dass die Bakterien eben nicht unbedingt in dieser Lebensgemeinschaft im Biofilm bleiben, wenn eine kritische Masse erreicht ist, wenn die Bakterien nicht mehr genug Futter finden, dann fangen sie an zu wandern. Und dann wird es richtig gefährlich. Denn dann wird eine heftige Entzündungsreaktion im Körper ausgelöst, zumindest bei Staphylokokkus epidermidis. Und es droht dann Nierenversagen, Leberversagen oder der Ausfall anderer Organe.
Reuning: Wie sieht das denn aus mit einer Vorbeugung? Kann man denn nicht die natürliche Bakterienbesiedlung im Körper als Abwehr benutzen?
Winkelheide: Das ist wichtig, vor allem, wenn es um den Darm geht. Und diese Konzepte betreibt man auch tatsächlich. Also in der Intensivmedizin ist es inzwischen üblich, dass man den schwerkranken Patienten über den Magen eben eine Zuckerlösung gibt. Die Idee dahinter ist, dass der Darm etwas zu tun hat, dass die Zotten in Bewegung bleiben und dass der normale gesunde Biofilm auf dem Darm dann auch normal funktioniert. Das heißt, die Darmschleimhaut bleibt an dieser Stelle intakt. Sie wird nicht löchrig. Und es gibt keine Chance für andere Bakterien durch die löchrige Darmschleimhaut dann durchzubrechen und über das Lymphsystem dann in das Blutsystem zu kommen und eben lebensbedrohliche Infektionen auszulösen. Das ist tatsächlich ein Konzept.
Reuning: Martin Winkelheide war das vom Internistenkongress in Wiesbaden. Vielen Dank.