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Vom Nutzen des Lateinischen

Moderne Fremdsprachen sind im Kommen: ob Spanisch oder Französisch, Polnisch oder Finnisch - die EU fördert das Sprachenlernen und versucht gerade die kleineren Sprachen europaweit an den Schulen zu etablieren. Denn die Sprachenvielfalt in Europa, so die EU-Verantwortlichen, ist unser gemeinsamer kultureller Schatz. Schwere Zeiten also für die alten Sprachen Latein und Griechisch. Sie gelten zwar als Wiege der europäischen Kultur, aber wer möchte sich in der knappen Schulzeit schon mit der Grammatik und dem Vokabular einer Sprache befassen, die niemand mehr spricht?

Moderation: Eva-Maria Götz |
    Latein und Griechisch - so argumentieren die Altphilologen - sind das Fundament für das Erlernen weiterer, insbesondere romanischer Sprachen. Sie schulen Konzentration, Kombinationsgabe und grammatikalischen Sachverstand. Gerade letzterer ist für das Erlernen jeder Sprache unabdingbar.
    Und gehört zur europäischen Bildung nicht auch die Lektüre griechischer und lateinischer Schriften? Schließlich haben die griechischen Philosophen die europäische Kultur begründet.

    Die Kritiker der humanistischen Bildung finden es unökonomisch, die Schulzeit mit dem Erlernen von "toten Sprachen" zu verbringen, wo sich die Grammatik und die Kombinationsgabe doch auch am lebendigen Objekt üben lässt. Warum die Schüler mit Latein und Griechisch langweilen, wenn es genügend Sprachen in Europa gibt, in denen sie kommunizieren und sich austauschen können?

    Da das perfekte Beherrschen der englischen Sprache inzwischen in akademischen Berufen zum Standard gehört, entscheiden sich viele Eltern im Zweifelsfall gegen Latein als erste Fremdsprache und für englisch. Denn perspektivisch soll es bei einer Fremdsprache nicht bleiben. Zwei oder besser drei Fremdsprachen sollen junge Akademiker heute sprechen.

    Dennoch sind humanistische Gymnasien gerade wieder im Aufwind, weil die deutsche Schulmisere bildungsbewusste Eltern in sogenannte Nischen treibt.
    Sie besinnen sich auf die eigenen Schulerfahrungen und hoffen, auf dem humanistischen Gymnasium eine homogene Gruppe ambitionierter Eltern und Schüler zu finden, die sich als Bildungselite begreifen.
    Sie wollen keine Experimente, sondern eine solide, wenn auch konservative Bildung für ihre Kinder.

    Dass Latein jenseits von Bildungsdebatten einfach Spaß machen kann, beweisen die "echten Fans", die z.B. lateinische Radioprogramme produzieren. Im finnischen Rundfunk und auch bei Radio Bremen gibt es Sendungen auf lateinisch, die ganz undogmatisch mit der "toten Sprache" umgehen. Moderne Wortschöpfungen kreieren die Macher einfach selbst. Und so heißt Internet jetzt einfach "interretialis".

    Gesprächspartner:

    Prof Dr Ludwig Haag
    Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Erziehungswissenschaftliche Fakultät, Lehrstuhl Pädagogische Psychologie Projektleitung einer Untersuchung zum Nutzen des Lateinunterrichts für das Lernen in anderen Fächern

    Dr. Helmut Meißner
    Vorsitzender des Deutschen Altphilologenverbandes und Lehrer für Latein, Griechisch und Ethik

    Literatur zum Thema:

    Wissenschaftliches Periodikum zur Didaktik und Methodik der Fächer Latein und Griechisch
    Pegasus-Onlinezeitschrift

    Cursus Continuus, moderne Arbeitshefte für Latein
    von: Gerhard Fink und Friedrich Maier

    Manfred Fuhrmann:
    Der europäische Bildungskanon des bürgerlichen Zeitalters. Insel Verlag, 1999,

    Manfred Fuhrmann:
    Bildung. Europas kulturelle Identität. Reclam-Verlag 2002.

    Links zum Thema:

    Bundesverband der Altphilologenverband

    Links für Altphilologen / Links für Latein

    Links für Altphilologen /Links für Griechisch

    Zeitschrift für die Fächer Latein und Griechisch in der Schule Forum Classicum

    Untersuchung der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg Sozialwissenschaftliches Forschungszentrum (SFZ) und des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung Berlin Zum Nutzen von Latein für das Lernen in anderen Fächern: Eine Beschreibung der Untersuchung und eine Darstellung der ersten Ergebnisse finden sich unter:

    NRC Handelsblad

    Ihre Fragen und Meinungen erwarten wir während der Sendung unter:

    Hörertelefon: 00800 44 64 44 64

    Hörerfaxnummer: 00800 44 64 44 65

    E-Mail: forumpisa@dradio.de
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    Die nächste Sendung:

    Forum PISA

    16. Januar 2004 10.10 Uhr bis 11.30 Uhr

    Kindergarten nach Lehrplan!?

    Moderation: Jürgen Wiebicke

    Von allen Sendungen können Sie einen Kassettenmitschnitt bestellen. Senden Sie einen Verrechnungsscheck über EUR 10,- an: DeutschlandRadio Marketing GmbH Raderberggürtel 40 50968 Köln

    Forum: Forum PISA