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Vom Schauspieler zum Schauspielchef

Der Mann, der das Sprechtheater in Salzburg erneuern und in eine neue Zukunft führen soll, heißt Sven-Eric Bechtolf. Er kennt die Bühne wie kein anderer: Schließlich steht er seit Jahren auf derselbigen.

Von Christoph Leibold |
    "Salzburg muss ein Ort der Erneuerung sein. Wenn Salzburg nicht erneuert, dann erneuert die Welt auch nicht. Weil die Leute schauen immer noch auf das, was hier passiert."

    An Selbstbewusstsein mangelt es den Salzburger Festivalmachern selten. Selbst dann nicht, wenn sie noch gar nicht im Amt sind, wie Alexander Pereira, der erst nach dem Festspielsommer 2011 den Salzburger Intendantenposten übernehmen wird. Der Mann, der unter Pereira das Sprechtheater erneuern und in eine neue Zukunft führen soll, der Schauspieler und Regisseur Sven-Eric Bechtolf, blickte bei seiner Vorstellung vor Journalisten aus Salzburg und dem Rest der Welt erst mal zurück in die Vergangenheit:

    "Das ist schon sehr merkwürdig, dass ich hier vor 30 Jahren als Schauspielschüler mit krummem Absatz durch diese Gassen gegangen bin und heute diesen Job angeboten bekommen habe. Und das hat durchaus auch sentimentale Nebengeräusche bei mir. Aber vor allem ist die Freude riesig groß, dass ich den nächsten Jahren hier gestalten kann, das freut mich riesig."

    Am Salzburger Mozarteum genoss Bechtolf Ende der 70er-Jahre seine Schauspielausbildung. Die Schauspielhäuser Zürich und Bochum, das Thalia Theater Hamburg und zuletzt das Wiener Burgtheater - das waren die maßgeblichen Stationen seiner Karriere bisher, zunächst als Schauspieler, zunehmend auch als Regisseur. In Wien glänzte Bechtolf unter anderem in Inszenierungen von Andrea Breth, als Prinz Hettore Gonzaga beispielsweise in Lessings "Emilia Galotti". Oder als König Philipp II. in Schillers "Don Carlos".

    Im "Don Carlos" umwehte Sven-Eric Bechtolf eine eisige Kälte. Sein König Philipp: Ein machtbewusster Souverän, der sich gegen alle Anfechtungen gepanzert hat. Aber hinter diesem Panzer: eine gärende Sehnsucht, aus der Einsamkeit, die immer mit der Macht einhergeht, auszubrechen. Eine kühle Unnahbarkeit, die man als Arroganz auslegen könnte, strahlt Bechtolf auch aus, als er im Blitzlichtgewitter der Pressefotografen Rede und Antwort steht zu seinen Vorstellungen als künftiger Schauspielchef der Salzburger Festspiele.

    "Ich bin Max Reinhardts Meinung: Die Besten sollen zusammenkommen. Und wenn man sie bekommt, dann ist das herrlich."

    Als Schauspieler gehört Sven-Eric Bechtolf selbst ohne Zweifel zu den besten seines Berufs. Was indes seine Fähigkeiten als Regisseur betrifft, zumal wenn es um Innovation im Theater geht, so sind die Meinungen eher geteilt. Dass Bechtolfs Sympathie dem althergebrachten Literaturtheater gilt, steht mit Blick auf seine bisherige Arbeit - als Darsteller wie als Regisseur - außer Frage. Als theater-konservativ will er sich selbst aber nicht bezeichnen:

    "Ich habe einen ganz einfachen Geschmack: Ich finde immer das Gute gut! Und zwar völlig wurscht welche Schule, welches Programm, welcher Überzeugung, welcher Herkunft, welches Landes. Es gibt nur gute und schlechte Aufführungen."

    Und wie um seine Offenheit zu beweisen, verkündet Bechtolf gleich mal, er wolle als künftiger Schauspielchef das Young Directors Project - Salzburgs Schaufenster für experimentierfreudige Jungregisseure - unbedingt erhalten und überdies die zeitgenössische Dramatik mit einem jährlichen Stückauftrag fördern. Außerdem plant Bechtolf spartenübergreifende Projekte. Denn während Opernhäuser in der Regel nur Sänger und Schauspielhäuser nur Schauspieler im Ensemble haben, kommen in Salzburg im Sommer Sänger und Schauspieler zusammen. Was die Chance eröffnet, beide Künstlergruppen gemeinsam einzuspannen:

    "Das heißt, es muss ein bestimmter Festspielgeist logischerweise auch in den Produktionen sichtbar werden. Und es kann nicht das normale Programm eines Stadttheaters sein."

    Drei Jahre hat Sven-Eric Bechtolf bis zu seinem ersten Festspielsommer 2012 als Salzburger Schauspielchef. Drei Jahre, in denen er ein Programm zusammenstellen kann, mit dem er beweist, dass er nicht nur der richtige Mann ist, um das eher an kulinarischen Kulturgenüssen interessierte Salzburger Festspielpublikum zu bedienen. Sondern auch ein Mann für die von Alexander Pereira geforderte Erneuerung der Bühnenkunst in Salzburg.