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Vom schwierigen Umgang mit Wahlumfragen

Wahlumfragen sind ungenau, dienen Spekulationen oder sind Wahlkampfmunition: Meinungsforschern werden gerne Fehler, Missdeutungen und politisches Kalkül vorgeworfen. Doch stehen ihre belegten Trends hoch im Kurs, besonders vor Bundestagswahlen - obwohl die Wähler sich von den Zahlen nicht so sehr beeinflussen lassen, wie man vielleicht denkt.

Von Jens Rosbach | 03.04.2013
    "Wenn man den Bundeskanzler direkt wählen könnte – für wen würden Sie sich entscheiden? Für Angela Merkel oder für Peer Steinbrück?"

    Wahlumfragen sind ungenau.

    "Dadurch, dass in diesen Callcentern immer eine sehr hektische Atmosphäre herrscht und ein sehr hoher Arbeitsdruck, schleichen sich Fehler ein, permanent und ... ja, man wird wirklich zur Maschine."

    Wahlumfragen dienen Spekulationen.

    "Ja, aber das ist gefährlich. Wenn man sich eben allzu weit von der Wirklichkeit dann wegbegeben sollte, dann leidet natürlich auch die Reputation."

    Wahlumfragen sind Wahlkampfmunition.

    "Mit Umfragen wird natürlich auch versucht, Politik zu machen. Ist doch klar! Wir setzen das auch ein. Das ist schon Politikmachen damit."

    "Welche Partei würden Sie denn wählen, wenn am kommenden Sonntag Bundestagswahl wäre?"

    Immer wieder: Fehler, Missdeutungen und politisches Kalkül. Dennoch stehen Wahlumfragen hoch im Kurs – besonders vor Bundestagswahlen. So präsentiert die ARD morgen, wie an jedem Monatsanfang, ihren umfangreichen DeutschlandTrend. Mit Beliebtheitswerten von Politikern und Parteien sowie mit Statistiken zu gesellschaftlichen Streitfragen. Auch die privaten Medien setzen auf die Demoskopen. Peter Kloeppel, der Chefredakteur von RTL, gibt zum Beispiel jede Woche eine Sonntagsfrage in Auftrag.

    "Dadurch kann man ein relativ zuverlässiges Bild der Stimmungslage in Deutschland bekommen. Ist diese Stimmungslage dann auch ein Wahlergebnis von einer Wahl in einem halben Jahr? Natürlich nicht. Das wissen wir, das wissen aber auch alle, die diese Zahlen in irgendeiner Weise für sich selber interpretieren."

    "Nun geht es um Ihre Meinung zu einigen Spitzenpolitikern. Wie ist das zum Beispiel mit dem grünen Fraktionsvorsitzenden Jürgen Trittin? Sind Sie mit seiner politischen Arbeit sehr zufrieden? Zufrieden? Weniger zufrieden? Oder gar nicht zufrieden? Zufrieden, ja?"

    Jens S. hat für verschiedene, teils renommierte Meinungsforschungsinstitute als Callcenteragent gearbeitet. Doch der 36-Jährige fühlte sich am Telefon häufig unwohl.

    "Manchmal ist es sehr unangenehm, irgendwo anzurufen und die Leute in ihrem Alltag zu stören. Man muss sich auch viele fiese Sachen anhören. Oder man merkt auch, dass am anderen Ende die Person anfängt, selber Strategien zu entwickeln, schnell durch das Gespräch zu kommen. Also, dass die einfach nur noch sagen: mhm CDU, mhm CDU, mhm CDU – weil sie schnell durch das Gespräch kommen möchten."

    Der Berliner, der inzwischen als Pädagoge und Künstler arbeitet, hat erlebt, wie fehleranfällig die Erhebungen sind. Und wie der hohe Arbeitsdruck dazu führt, dass die Interviewer auch mal Frust ablassen wollen.

    "Also, ich kann mir schon vorstellen, dass es auch Callcenteragenten gibt, die ihr Kreuz an der Stelle setzen, wo ihr eigenes Herz schlägt. Weil sie die Hoffnung haben, dass sich die Wählerinnen und Wähler auch an diesen Meinungsforschungsergebnissen orientieren."

    "Sehr zufrieden? Zufrieden? Weniger zufrieden? Oder gar nicht zufrieden? Zufrieden ja."

    Ausreißer und Verzerrungen? Frank Brettschneider, Kommunikationswissenschaftler an der Universität Hohenheim, räumt ein: Die Callcenter produzierten tatsächlich fehlerbehaftete Daten.

    "Unterm Strich gleicht sich das aber in etwa aus. Weil diese schnellen Antworten in der Regel nicht in eine bestimmte Richtung gegeben werden, sodass die eine oder andere Partei davon profitiert. Auch die Institute können kein Interesse daran haben, dass ihren Ergebnissen kein Mensch mehr glaubt. Wenn die Glaubwürdigkeit weg ist, dann ist auch eine Geschäftsbasis weg."

    Allerdings: Bei Weitem nicht alle Umfragen sind für die Öffentlichkeit bestimmt. Ein Großteil der Demoskopie bleibt geheim.

    "Sehr viele Umfragen bleiben in der Schublade des Auftraggebers und werden von denen verwertet und nicht in der Öffentlichkeit diskutiert."

    Berlin-Kreuzberg, im Willy-Brandt-Haus. Die Parteizentrale der SPD gehört – wie auch andere Parteizentralen – zu den Auftraggebern "geheimer" Studien. Die unveröffentlichten Analysen dienen zum Beispiel den eigenen Wahlkampagnen.

    "Ist natürlich klar, dass ein Wahlkampf in der Strategie erst mal intern ist. Weil wir verraten dem Gegner natürlich nicht, worüber wir nachdenken. Dann kann der sich darauf einstellen."

    Michael Donnermeyer, Sprecher des Spitzenkandidaten Peer Steinbrück, plaudert aus dem Nähkästchen. Nach seinen Worten geben die Parteistrategen nur selten großflächige, quantitative Meinungsumfragen in Auftrag. Dafür aber qualitative Untersuchungen. Dahinter verbergen sich intensive Interviews mit kleinen Zielgruppen - sogenannten Fokusgruppen. So hat die SPD kürzlich eine Studie bezahlt, die einen speziellen Aspekt von Steinbrücks Image beleuchtet.

    "Das hat (er) ja auch kommuniziert, dass er angeblich ein Problem, ein Frauenproblem habe, was dann sozusagen eine Karriere gemacht hat. Darauf muss man dann reagieren: Was ist das eigentlich genau? Ja, das Ergebnis ist, dass - in der konkreten Gegenüberstellung von Angela Merkel und Peer Steinbrück - Angela Merkel bei den Frauen hohen Respekt genießt. Weil sie einfach sagen: Das ist schon mal respektabel, dass sie sich da durchgesetzt hat in dieser ganzen Männergesellschaft, das finden wir in Ordnung."

    Der Parteisprecher berichtet, was die unpublizierte Studie ergeben hat: Unabhängig von der Person Merkel seien viele Frauen unzufrieden mit den Themen, die Merkel vertritt. Etwa wenn es um die Kinderbetreuung geht oder das Gehalt der Mütter.
    "Und wenn Sie das alles haben, können Sie daraus eine Botschaft ableiten, die dann sozusagen mobilisierend wirkt und zwar auf unser Konto."

    Und wie reagiert die SPD-Parteizentrale auf die großen Wahlumfragen, wie die traditionelle Sonntagsfrage, die immer wieder von den Medien präsentiert werden?

    "Entscheidend ist natürlich, dass man den Trend wahrnimmt. Wenn man sich von täglichen Umfragen leiten lässt, dann ist man verloren."

    Michael Donnermeyer, einst Sprecher der Bundes-SPD und zuvor Sprecher des Berliner Senats, hat schon einige Wahlkämpfe mit ausgefochten. Er gesteht, dass man die Umfragen zwar nicht zu ernst nehmen sollte – sie aber durchaus als Munition nutzen kann.

    "Also, mit Umfragen wird natürlich auch versucht, Politik zu machen. Ist doch klar! Wir sagen auch natürlich: Die Tatsache, ob die FDP in den Bundestag kommt, ja oder nein – das ist schon eine wichtige Frage. Und wenn die Umfragen da knapp sind oder sie bei drei Prozent sehen, dann erwähnt man das natürlich."

    "Ja, das ist ein ganz typisches Reaktionsmuster – und zwar unabhängig von den Parteien."

    Beobachtet der Stuttgarter Wissenschaftler Frank Brettschneider.

    "Dann, wenn man in Umfragen vorn liegt, gerne die Reaktion: Das machen wir jetzt auch publik. Das wird dann in Wahlkampfreden eingebaut zu sagen: Jüngste Umfragen zeigen, mit unserer Partei geht es aufwärts. Die gleichen Politiker und Politikerinnen werden Umfragen, wenn sie in ihnen hinten liegen, eher kleinreden und sagen: Ah, das sind nur Stimmungen, entscheidend ist der Wahltag. Das sind immer die gleichen Phrasen –, und sie sind auswechselbar."

    "Laut einer Forsa-Umfrage für RTL und den STERN käme die Union auf 31, die FDP auf 4 und die SPD auf 21 Prozent."

    Die Politik nutzt die Umfragen, um ihre Resonanz zu testen oder um Kampagnen vorzubereiten. Welche Bedeutung haben die präsentierten Trends für den Wähler? Lässt er sich von der Statistik beeinflussen - gerade beim Urnengang? Wissenschaftliche Studien dazu sind eindeutig. Erstens: Die aktuelle Stellung einer bevorzugten Partei hat keinen Einfluss auf die Wahlbeteiligung. Zweitens: Es gibt auch keinen Effekt, für welche Partei schließlich gestimmt wird.

    In dem Sinne, dass sich der Wähler an einen vermeintlichen Wahlsieger "ranhängen" will. Oder, dass er aus Mitleid einem vermeintlichen Verlierer seine Stimme gibt. Die einzig nachweisbare Wirkung der Umfrageergebnisse: Die Zahlen können taktierende Wähler motivieren, plötzlich von ihrer Wunschpartei zu einer anderen Partei zu wechseln – beziehungsweise ihre Zweitstimme einer anderen Partei zu geben. Sie wollen damit erreichen, dass eine bestimmte Koalition siegt.

    "Das ist keine besonders große Zahl von Wählerinnen und Wählern. Der Anteil beträgt maximal zwei Prozent. Aber bei einem knappen Wahlausgang sind diese zwei Prozent dann auch schon wieder viel und können darüber entscheiden, welche Koalition dann im Bundestag tatsächlich die Regierung stellt."

    Der Kommunikations-Experte Frank Brettschneider erklärt, dass dieses Wahlverhalten nur bei einer klaren Koalitionsaussage auftritt. Wie bei der jüngsten Landtagswahl in Niedersachsen.

    "Bei der Niedersachsenwahl ist das sehr eindeutig. Da hat die FDP von diesem Effekt profitiert. Wählerinnen und Wähler haben eingeschätzt: Wird die FDP über fünf Prozent kommen können oder nicht? Die Antwort lautet: Ja, mit Anstrengung schon. Und dann haben eigentliche CDU-Anhänger diesmal nicht die CDU gewählt, sondern die FDP. Und ihr damit dann auch zu einem nicht erwarteten Erfolg verholfen, was den Stimmenanteil betrifft."

    "Für die derzeit schwierige Lage der FDP werden unterschiedliche Gründe genannt. Ich nenne Ihnen jetzt einige - und Sie sagen mir jeweils, ob sie diese als entscheidenden Grund ansehen, dass die FDP viele Anhänger verloren hat oder nicht. Zum Beispiel..."

    Wahlumfragen sind also nicht nur informativ für Parteien und Wähler – die Erhebungen können auch wahlentscheidend sein - Macht entscheidend. Liegt da nicht die Versuchung nahe, die "unabhängigen" Studien zu beeinflussen? Richard Hilmer vom Meinungsforschungsinstitut Infratest dimap hat es schon erlebt, dass ein Auftraggeber versucht, etwa über die Fragestellung Einfluss auf das Ergebnis zu nehmen:

    "Beispielsweise sollten wir mal in einer großen deutschen Stadt eine Umfrage durchführen, ob eine Olympiade abgehalten werden solle oder nicht. Und da wurde verwiesen, dass die vorhergegangene Olympiade ja große Gewinne erwirtschaftet hat und danach die Frage: Wollen Sie oder wollen Sie nicht die Olympiade? Also, das sind schon Frageformulierungen, die dann eben eine deutliche Verzerrung aufweisen. Deswegen veröffentlichen wir eben zu jeder Umfrage auch den Fragebogen in seiner Abfolge."

    Laut Hilmer ist diese tendenziöse Anfrage Anfang der 1990er-Jahre vom Berliner Senat gekommen. Sie sei aber bislang eine Ausnahme gewesen; kein Auftraggeber habe sich seitdem wieder so etwas erlaubt. Zudem arbeite Infratest dimap ja für die öffentlich-rechtlichen Anstalten – für die ARD. Deshalb verzichte das Berliner Institut auf jegliche Aufträge von Parteien.

    "Einfach deshalb, um erst gar nicht den Verdacht aufkommen zu lassen der politischen Nähe. Das ist eine sensible Ware, das sind sensible Daten, mit denen wir handeln. Deswegen ist es sicherlich in unserem Sinne - auch natürlich im Sinne der Auftraggeber – wenn wir eben eine größtmögliche Distanz da wahren."

    So unabhängig sich die Meinungsforscher – quer durch die Bank - auch immer geben: Dennoch haftet einigen von ihnen der Geruch einer Parteinähe an, seit Jahrzehnten schon. So soll das Institut für Demoskopie in Allensbach der CDU nahestehen. Und das Berliner Institut Forsa gilt als SPD-nah – auch weil Forsa-Chef Manfred Güllner als Mitglied der SPD bekannt ist. Doch beide Einrichtungen weisen den Vorwurf politischer Schlagseite entschieden zurück. Kommunikations-Forscher Brettschneider kann ebenfalls keine Verzerrungen feststellen bei den Statistiken dieser Institute.

    "Mal ist es die eine Partei, mal die andere Partei, die bevorzugt oder benachteiligt wird – gemessen an den Umfrageergebnissen anderer Institute. Ein wirklich systematisches Muster ist da meines Erachtens nicht erkennbar."

    Wissenschaftler gehen davon aus, dass die Konkurrenz unter den Meinungsforschern für eine zuverlässige Kontrolle sorgt. Exemplarisch dafür ein Fall aus dem Jahre 1994: Damals hatte Forsa kurz vor der Bundestagswahl offenbar prophezeit, die FDP werde es nicht ins Parlament schaffen. Doch dann übersprangen die Liberalen mit 6,9 Prozent locker die Fünfprozenthürde. Der Eklat folgte: Die anderen Umfrageinstitute warfen Forsa unisono vor, mit Daten Politik zu machen. Institutschef Manfred Güllner verteidigte sich: Er sei bei seiner Prognose falsch zitiert worden von den Medien. Doch auch in den Folgejahren wurden Güllners Interpretationen immer wieder gerügt. Etwa als er 2008 einen SPD-Landespolitiker als "Kotzbrocken" bezeichnete. Typische Rechtfertigung des Forsa-Chefs:

    "Wir referieren ja nur das, was die Menschen uns sagen, und wir können nicht irgendwo Leute ärgern, selbst wenn wir sie ärgern wollten. Und es gibt hier für mich keinen Grund, irgendeine der Parteien zu ärgern."

    "Die Berliner Runde, live aus dem ZDF-Hauptstadtstudio in Berlin".

    Bundestagswahl 2005 - das Demoskopen-Desaster. Bei diesem Urnengang stand nicht ein einzelnes Institut, sondern die gesamte Umfrageforschung in der Kritik. Vor der Wahl, die schließlich zur Großen Koalition unter Angela Merkel führte, hatten die Erhebungen stark danebengelegen. Die Abweichungen bei der Union lagen bei bis zu acht Prozent.

    Verschätzt hatte sich auch die Forschungsgruppe Wahlen, die für das ZDF arbeitet. Chefredakteur Nikolaus Brender musste sich rechtfertigen. Noch-Kanzler Gerhard Schröder warf ihm live vor, die Erfolgsaussichten der SPD zuvor klein gerechnet zu haben.

    Gerhard Schröder: "Aber schauen Sie mal, in Ihren Sendungen ist gesagt worden: Frau Merkel ist bei 49, bei 45, bei 43 – jetzt ist sie bei 35! Oder etwas mehr."

    Nikolaus Brender: "In unseren Sendungen ist das nachvollzogen worden, was in den Meinungsumfragen aller Institute beschrieben worden ist. Das ist nicht nur in unseren Sendungen gesendet worden, sondern in allen Zeitungen geschrieben."

    Die Meinungsforscher waren ratlos, auch Allensbach-Chefin Renate Köcher.

    "Über diese vielen Bundestagswahlen hinweg, seit den 50er-Jahren, war die Maximal-Abweichung für eine der großen Parteien 1,9 Prozent. Also, es gab bisher keine einzige Bundestagswahl, wo eine große Partei bei der Wahl dann so anders abgeschnitten hat als in den Umfragen, die in den letzten 14 Tagen vor der Wahl gemacht wurden."

    Was war 2005 geschehen? Viele Wähler hatten sich erst unmittelbar vor der Wahl für eine Partei entschieden. Ein Trend, der bis heute anhält. Denn die Bindung sozialer Gruppen an die Volksparteien nimmt ab. Demoskopie-Experte Frank Brettschneider erklärt, dass einfache Formeln wie "katholisch gleich CDU" oder "gewerkschaftlich gleich SPD" längst nicht mehr gelten.

    "Und je größer dieser Anteil wird, der sich mal so mal so entscheidet, desto schwerer wird es für Umfrageinstitute, einen Wahlausgang tatsächlich auch zutreffend vorherzusagen. Da die Schwankungen sehr kurzfristig sind, bedeutet das für die Umfrageforschung: Umfragen müssen in kürzeren Abständen durchgeführt werden, damit man genau dieses Auf und Ab nachzeichnen kann."

    Die Demoskopen gehen davon aus, dass sie künftig nicht mehr einfach nur die Sonntagsfrage stellen können, um verlässliche Daten zu erhalten. Sie müssen vielmehr die gesamte Bandbreite der politischen Einstellungen eines Befragten erheben, um sein Wahlverhalten abschätzen zu können. Richard Hilmer von Infratest-dimap hält es zudem für notwendig, seine Callcenter-Technik auszubauen. Denn seit dem Siegeszug der Mobiltelefone erreicht er mit dem bisherigen Hauptinstrument - dem Anruf aufs Festnetz - längst nicht mehr alle Bevölkerungsgruppen.

    "Beispielsweise war es im letzten Jahr nicht so ganz einfach, die Piraten abzubilden, weil eben genau diese jungen Männer in den Städten, die eben sehr wichtig waren als Wählergruppe für die Piraten, eben in den Stichproben eher unterrepräsentiert waren. Wir nutzen jetzt auch so eine Mischung aus Festnetz und Mobiltelefonen, um eben auch diejenigen Leute wieder zu erreichen, die eben nur mobil erreichbar sind."

    "Und mit dem Verteidigungsminister de Maiziere – sehr zufrieden? Zufrieden? Weniger zufrieden? Oder gar nicht zufrieden?"

    Analytiker gehen davon aus, dass die Bedeutung von Wahlumfragen steigen wird - gerade wegen der vielen Wechsel-Wähler. Und dass die Medien immer mehr Polit-Statistiken in Auftrag geben. Forscher Brettschneider appelliert dabei an die Verantwortung der Zeitungen und Sender: Die Journalisten dürften die Umfragen nicht instrumentalisieren.

    "Ja, Medien können damit auch Kampagnen machen, sie können zumindest mal ein Thema auf die Tagesordnung setzen durch solche Umfragen. Wenn es etwa um Politiker geht, die in der Kritik stehen – nehmen wir mal zu Guttenberg oder nehmen wir mal den ehemaligen Bundespräsidenten Wulff: Hat der eigentlich noch Unterstützung in der Bevölkerung oder nicht? Da können Umfragen dann auch zu einem Instrument werden, mit dem die Linie einer Zeitung gestützt wird. Das würde ich aber nicht in einen Topf werfen mit den Wahlumfragen, die mit einer stärkeren Kontrolle unterliegen, weil es standardisierte Fragen sind, die verwendet werden."

    Die Medien sind sich der Brisanz der Wahlumfragen bewusst. Sie wissen, dass die Daten im politischen Alltagsgeschäft für die jeweiligen Interessen genutzt werden und den Vorwurf der Parteilichkeit einbringen können. So haben sich selbst Privatsender bei der Präsentation der Prozentwerte Zurückhaltung auferlegt, besonders unmittelbar vor einer Bundestagswahl. RTL publiziert – im Gegensatz zu den öffentlich-rechtlichen Sendern – zwar noch in der Woche vor der Wahl aktuelle Umfragen. Chefredakteur Peter Kloeppel hält sich dabei aber sehr zurück.

    "Wir haben es in den letzten Jahren so gemacht, das wir in den letzten Tagen vor der Wahl Korridore, wenn überhaupt, angegeben haben. Also nicht: Die CDU kommt auf so und so viel Prozent. Sondern sie kommt auf einen Wert im Bereich zwischen dadada und jenem. Wahrscheinlich werden wir das in diesem Jahr wieder so handhaben. Wir sind da grundsätzlich für mehr Transparenz als für weniger Transparenz."

    Mittlerweile erwägen aber auch die öffentlich-rechtlichen Sender, ihre Erhebungen bis zum Tag vor der Wahl zu publizieren. Auftragnehmer wie Manfred Güllner sehen darin kein Problem. Für den Meinungsforscher ist weniger die Enthaltsamkeit entscheidend als das generelle Vertrauen in die Demoskopen. Und deren Image sei immer noch positiv - trotz aller Debatten über den Umgang mit sensiblen Wahlumfragen.

    "Unser Ruf ist ziemlich gut. Ab und zu fragen wir sogar nach dem Ruf der einzelnen Berufsgruppen, und da schneiden die Meinungsforscher immer noch relativ gut ab."
    SPD-Kanzlerkandidat Steinbrück und Bundeskanzlerin Merkel (CDU) streiten über die Politik der Bundesregierung.
    Laut einer unpublizierten Studie genießt Angela Merkel (CDU) - im Vergleich zu SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück - bei Frauen hohen Respekt. (dpa / Wolfgang Kumm)
    Bundestagswahl 2005
    Die Ergebnisse der Bundestagswahl 2005 waren für die Demoskopen ein Desaster: Ihre Erhebungen hatten stark daneben gelegen. (dradio.de)