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Vom Seminar in den Sattel

Profisportler, die neben ihrer Leidenschaft auch noch studieren, führen oft ein Doppelleben. Denn es ist gar nicht so einfach, beides unter einen Hut zu bringen. Einer der weltbesten Mountainbiker kann davon ein Lied singen: Stefan Kudella aus Bochum kennt das Leben zwischen Hörsaal und Hochleistungssport mit all seinen Vor- und Nachteilen.

Von Martin Stümper | 06.06.2005
    " Wenn ich ganz ehrlich bin, ist das total unorganisiert, das wird dann so zwischen geschoben wie es gerade geht, weil, das ist halt schwer, das zu organisieren, weil vieles auch spontan geht, ob's Radfahren ist, wenn gutes Wetter ist, gehe ich raus Rad fahren, ist schlechtes, dann lerne ich vielleicht, das ist immer sehr spontan. Ich habe dann drei, vier Wochen vor den Klausuren dann schon mehr für die Uni, dann wird der Sport ein bisschen zurück gestellt, dann lerne ich auch immer für die Klausuren und dann hat das bisher immer gereicht. "

    In der vergangenen Woche hatte Stefan Kudella keine Zeit für die Uni. Denn da musste der Mountainbike-Profi nach Willingen, zum größten Mountainbike-Event Europas. Gestern, zum Finale, strömten 30.000 Menschen über das ausgedehnte Messegelände oder an die Rennstrecke, jeder namhafte Hersteller hatte hier einen Stand. Auch der Ausrüster des Bochumers: Da reicht es nicht aus, wenn er nur schnell mit dem Bike den Berg runter kommt. Dafür, dass der Sponsor ihn mit der teuren Ausrüstung versorgt, will der auch etwas sehen.

    Hier ist es auch ein bisschen Schaulaufen, ich hatte hier auch gerade ein Shooting für ein Bike-Magazin, Sponsorenpflege sage ich mal, das ist wichtig, gerade hier auf so einem Festival, wo viele Presseleute sind, viele Leute, da muss man schon sehen, dass man sich in der Vordergrund mogelt.

    Und das kann Stefan Kudella ganz gut, denn mit dem Sport finanziert er sich das Studium, aber leben kann er vom Downhill nicht - noch nicht.

    " Kommt darauf an wie gut ich fahre, weil ich viele Sachen auch über Prämien und Preisgelder bekomme. "

    Klaus Molitor: " Wir haben zwei Leute, die sich damit finanzieren können, der Rest hat noch einen Job, Studium, das tatsächliche Trainingsaufkommen blockiert dann die verbleibende Zeit. "

    Klaus Molitor ist beim Bund deutscher Radfahrer der Koordinator für die Downhill-Fahrer. Er weiß wie schwer es ist, Studium und Leistungssport zu vereinbaren

    " Ich denke auf 15 Wochenstunden sollte man schon kommen, mit dem Training und das ist schon eine Menge, und das ist Fitness, Grundlagen Radsport, Techniktraining. "

    Stefan Kudella: " Ich habe Donnerstags und Freitags frei in der Uni, ich habe mir halt den Plan so gemacht, dass ich mir den Plan Montag, Dienstag Mittwoch recht voll gepackt habe, und Donnerstag halt frei habe fürs Training, für die Rennen, und . das klappt auf jeden Fall, ab und zu ist mal ganz stressig, wenn wie jetzt die Klausurphase anfängt und viele Rennen sind, dann ist es echt Stress teilweise, aber ist noch alles unter einen Hut zu bringen. Ich bin im 7. Semester, das dauert nicht mehr lange, ich denke mal, noch zwei bis drei Semester, dann werde ich das erste Staatsexamen machen. "

    Vorher muss er noch das Rennen fahren. Willingen ist eine schwere Weltcupstrecke. Es hat die ganze Nacht geregnet und die Piste ist aufgeweicht, überall sind Pfützen und glatte Passagen. Stefan Kudella schiebt sein Rad die Rampe hoch zum Start. 2,5 km, 800 Höhenmeter und schwierigste Sprünge. Mountainbike-Downhill ist auch für Profis immer wieder eine neue Herausforderung:

    " So langsam kommt schon so ein bisschen Adrenalin und Nervosität in den Körper, hier darf man keinen Fehler machen, sonst... "

    Während der Mountainbike-Profi am Berg alles gibt, kann seine Freundin Maren unten im Zielbereich die Fahrt auf einem Großbildschirm verfolgen. Ein Fernsehsender überträgt live:

    " Oh, schneller, verdammt, sieht gut aus. Na los fahr, juhh, wie geil ist das. Weiter... fahr fahr fahr... nein, scheiße, steh auf, steh auf, schneller... Scheiße... schade, sah so gut aus. "

    Stefan Kudella ist gestürzt, zum Glück ist nichts passiert. Seine Freundin ist fast bei jedem Rennen dabei. Wenn sie ihn auch am Wochenende sehen will, bleibt ihr nichts anderes übrig:

    " Stefan macht halt alles ein bisschen, nichts zu 100 Prozent, aber er probiert auch aus und macht das gut. Und er schafft das schon, und mich vergisst er dabei auch nicht. "

    Mittlerweile ist der 23-jährige Student und Mountainbike-Profi enttäuscht im Zielbereich eingetroffen. An solchen Tagen fragt sich Stefan Kudella dann immer, warum er sich den ganzen Stress mit der Doppelbelastung antut.

    " Es bringt mir eigentlich so fürs Studium keine Vorteile, eher nur Nachteile, wenn man es mal genau nimmt. Hier kann man wirklich nur Erfolg haben und in den Top10 fahren, wenn man sich zu 150 Prozent reinhängt und das mache ich nicht, ich will auch mein Studium beenden und das ist schon wichtiger, weil, wenn man 35 ist, dann kann man mit Downhill nicht mehr so viel anfangen. "