Christoph Schmitz: Bottrop hat ein Museum, dort wird Kunst ausgestellt, und wenn eine Kunstausstellung in einem Museum aber selbst Museum heißt, oder Museo, Italienisch, dann kann es nicht mehr nur um die ausgestellten Gegenstände gehen, sondern um das Ausstellen, Vorzeigen und Präsentieren schlechthin. Vor allem, wenn ein Künstler seine Arbeiten ganz konkret für ein bestimmtes Museum, für eine bestimmte Ausstellung geschaffen und zusammengestellt hat. Das hat der seit Jahrzehnten in Deutschland lebende, aus Japan stammende Bildhauer Yuji Takeoka gemacht, und zwar im Josef-Albers-Museum, im Museum Quadrat in Bottrop. Nun war auch der Namensgeber des Museums, Josef Albers, ein Künstler, dem es weniger um Neuschöpfungen ging, sondern darum, wie Farben, Formen und Flächen aufeinander wirken. Der vor den Nazis geflüchtete Bauhaus-Künstler hat mit seinen Bildern ineinander geschachtelter, verschiedenfarbiger Quadrate ganze Malergenerationen in den USA beflügelt. Albers war übrigens gebürtiger Bottroper, wo jetzt also der Japaner Yuji Takeoka sein Museo zeigt. - Christiane Vielhaber, Takeoka zeigt keine Skulpturen, die man auf Sockel stellt, auch keine Objekte, die man in Vitrinen hineinlegt, sondern Sockel und Vitrinen selbst. Wie sehen die aus?
Christiane Vielhaber: Wie Sockel und Vitrinen aussehen. Zum Beispiel liegen auf dem Boden, gleich, wenn sie reinkommen, in dem ersten Raum sieben Sockel, die kann man sich so vorstellen: Der eine Sockel ist zum Beispiel die Scheibe einer kannelierten Säule, also diese Säule, die Einbuchtungen und dann scharfe Grate hat. Ein anderer Sockel sieht aus wie ein kleines Quadrat, ein anderer Sockel sieht aus wie eine Plinthe. Das ist nämlich der Sockel, auf dem eine Säule steht, oder auf dem eine Skulptur steht. Es gibt also die möglichsten, denkbar möglichsten, einfachsten geometrischen Formen, nur die liegen da jetzt auch nicht so herum, als hätte die da jemand hingeworfen, sondern sie sind erstens wunderbar poliert, es ist vergoldetes Messing, sie können sich darin spiegeln. Die Objekte auf dem Boden, die nicht höher sind als, ich sage mal, 15 Zentimeter, also alle auf einer Höhe, spiegeln sich gegenseitig. Ihre Füße, wenn sie da durchgehen, spiegeln sich. Es ist etwas sehr Merkwürdiges und sie vermissen nicht, dass jetzt eigentlich auf diesen Sockeln was stehen sollte.
Anders ist das bei den großen Sockeln. Das sind große weiße Kuben unter Glasstürzen, wie man sie kennt, und eigentlich erwartet man jetzt da ein ganz wertvolles Objekt, oder der Künstler selber spricht in diesem Zusammenhang ganz gerne von Dingen. Es geht um Dinge, die ausgestellt werden, und die Dinge sind nicht da; die Dinge sollten spätestens dann in ihrem Kopf sein.
Schmitz: Sie sagen, wenn man das sich so anschaut, vermisst man nichts. Also es gibt keine Leerstelle, kein großes Fragezeichen über diesen Sockeln und in diesen Vitrinen. Also muss ja etwas anderes entstehen. Was entsteht denn dann beim Betrachten?
Vielhaber: Es hat etwas mit Licht zu tun, es hat etwas mit Spiegelung zu tun. Ich beschreibe mal ein Wandobjekt, wo jeder sagen würde, ach, das hatten wir ja schon bei Donald Judd, bei dem Minimalisten. Es sieht also aus wie eine Art Regal an der Wand. Wenn sie aber näher hinkommen, dann sehen sie: Ach, eigentlich sieht es aus wie ein Goldbarren. Dann gibt es das noch mal aus rot eingefärbtem Kunststoff, und der ist so gerade an der Wand, und wenn sie nahe herangehen, dann sehen sie, an einer Ecke ist ein Würfel ausgespart. Und an dieser Stelle, an dieser Leere, wo dieser Würfel jetzt weg ist, spiegeln sich nicht nur die beiden Seiten des Würfels, die ja noch an diesem Barren sind, sondern auch Sie spiegeln sich, und dann überlegen Sie sich natürlich auch, was hätte ich da reingestellt, was könnte man da reinstellen. Und die Gefahr ist groß, dass man denkt, ach, es ist ein japanischer Künstler und das hat etwas mit Zen zu tun und mit dem und mit jenem. Das hat es vielleicht, weil Takeoka immer sagt, ich bin zwar für die Japaner ein deutscher Künstler - und er lebt jetzt fast seit 30 Jahren und arbeitet in Düsseldorf und lehrt auch längst in Bremen als Professor für Kunst -, sondern es ist eigentlich eine Denke, dass er, als er 1973 nach Deutschland kam, in Japan, in Kyoto, schon ein fertiges Studium hinter sich hatte. Er war schon Meister und hatte eine Ausstellung mit Beuys und mit Richter gesehen und dachte, zu Beuys will ich. Und er kommt nach Düsseldorf und will sich einschreiben in die Akademie, da war Beuys gerade entlassen worden.
Er hat dann einen anderen Weg eingeschlagen. Aber das Entscheidende ist: Er hat wirklich alles von dem Sockel seiner Kultur und letztlich auch von unserem europäischen Sockeldenken heruntergeworfen und hat noch mal ganz vorne angefangen.
Schmitz: Das heißt, es geht ihm um den Blick auf die Schönheit der reinen einfachen Form?
Vielhaber: Ja. So wie Sie das sagen, genau so ist es, und das ist das Gegenteil von minimalistischer Kunst, wo es ja um Reihung, um Konstruktion, um die Wiederkehr des immer gleichen geht. Bei ihm ist es eine wahnsinnige handwerkliche Perfektionalität, wenn sie sich diese Objekte angucken, die natürlich gemacht werden - er schleift das ja nicht alles selbst oder poliert das nicht mehr alles selbst -, sondern es geht um die Oberfläche, um die Erscheinung des Dinges oder eben auch um die Erscheinung der Dinge, die wir im Kopf haben, wenn wir einen solchen Sockel sehen.
Schmitz: Noch ein Satz dazu: Ist das alles gut in diesem Josef-Albers-Museum präsentiert?
Vielhaber: Ja man möchte fast sagen kongenial, wenn das nicht so abgegriffen wäre. Im ersten Teil sind seine Arbeiten alleine und dann hat er sich den zentralen Raum mit den Ehrungen, Verehrungen an das Quadrat gesucht. Da hat er sich dazwischengehängt oder hat Platten auf den Boden gelegt, und dann merken sie, so wie sie sich in die Quadrate von Josef Albers versenken können, um Räume zu erkennen, das können sie ganz genau, wenn sie seine Arbeiten dazwischen sehen, mit seinen.
Christiane Vielhaber: Wie Sockel und Vitrinen aussehen. Zum Beispiel liegen auf dem Boden, gleich, wenn sie reinkommen, in dem ersten Raum sieben Sockel, die kann man sich so vorstellen: Der eine Sockel ist zum Beispiel die Scheibe einer kannelierten Säule, also diese Säule, die Einbuchtungen und dann scharfe Grate hat. Ein anderer Sockel sieht aus wie ein kleines Quadrat, ein anderer Sockel sieht aus wie eine Plinthe. Das ist nämlich der Sockel, auf dem eine Säule steht, oder auf dem eine Skulptur steht. Es gibt also die möglichsten, denkbar möglichsten, einfachsten geometrischen Formen, nur die liegen da jetzt auch nicht so herum, als hätte die da jemand hingeworfen, sondern sie sind erstens wunderbar poliert, es ist vergoldetes Messing, sie können sich darin spiegeln. Die Objekte auf dem Boden, die nicht höher sind als, ich sage mal, 15 Zentimeter, also alle auf einer Höhe, spiegeln sich gegenseitig. Ihre Füße, wenn sie da durchgehen, spiegeln sich. Es ist etwas sehr Merkwürdiges und sie vermissen nicht, dass jetzt eigentlich auf diesen Sockeln was stehen sollte.
Anders ist das bei den großen Sockeln. Das sind große weiße Kuben unter Glasstürzen, wie man sie kennt, und eigentlich erwartet man jetzt da ein ganz wertvolles Objekt, oder der Künstler selber spricht in diesem Zusammenhang ganz gerne von Dingen. Es geht um Dinge, die ausgestellt werden, und die Dinge sind nicht da; die Dinge sollten spätestens dann in ihrem Kopf sein.
Schmitz: Sie sagen, wenn man das sich so anschaut, vermisst man nichts. Also es gibt keine Leerstelle, kein großes Fragezeichen über diesen Sockeln und in diesen Vitrinen. Also muss ja etwas anderes entstehen. Was entsteht denn dann beim Betrachten?
Vielhaber: Es hat etwas mit Licht zu tun, es hat etwas mit Spiegelung zu tun. Ich beschreibe mal ein Wandobjekt, wo jeder sagen würde, ach, das hatten wir ja schon bei Donald Judd, bei dem Minimalisten. Es sieht also aus wie eine Art Regal an der Wand. Wenn sie aber näher hinkommen, dann sehen sie: Ach, eigentlich sieht es aus wie ein Goldbarren. Dann gibt es das noch mal aus rot eingefärbtem Kunststoff, und der ist so gerade an der Wand, und wenn sie nahe herangehen, dann sehen sie, an einer Ecke ist ein Würfel ausgespart. Und an dieser Stelle, an dieser Leere, wo dieser Würfel jetzt weg ist, spiegeln sich nicht nur die beiden Seiten des Würfels, die ja noch an diesem Barren sind, sondern auch Sie spiegeln sich, und dann überlegen Sie sich natürlich auch, was hätte ich da reingestellt, was könnte man da reinstellen. Und die Gefahr ist groß, dass man denkt, ach, es ist ein japanischer Künstler und das hat etwas mit Zen zu tun und mit dem und mit jenem. Das hat es vielleicht, weil Takeoka immer sagt, ich bin zwar für die Japaner ein deutscher Künstler - und er lebt jetzt fast seit 30 Jahren und arbeitet in Düsseldorf und lehrt auch längst in Bremen als Professor für Kunst -, sondern es ist eigentlich eine Denke, dass er, als er 1973 nach Deutschland kam, in Japan, in Kyoto, schon ein fertiges Studium hinter sich hatte. Er war schon Meister und hatte eine Ausstellung mit Beuys und mit Richter gesehen und dachte, zu Beuys will ich. Und er kommt nach Düsseldorf und will sich einschreiben in die Akademie, da war Beuys gerade entlassen worden.
Er hat dann einen anderen Weg eingeschlagen. Aber das Entscheidende ist: Er hat wirklich alles von dem Sockel seiner Kultur und letztlich auch von unserem europäischen Sockeldenken heruntergeworfen und hat noch mal ganz vorne angefangen.
Schmitz: Das heißt, es geht ihm um den Blick auf die Schönheit der reinen einfachen Form?
Vielhaber: Ja. So wie Sie das sagen, genau so ist es, und das ist das Gegenteil von minimalistischer Kunst, wo es ja um Reihung, um Konstruktion, um die Wiederkehr des immer gleichen geht. Bei ihm ist es eine wahnsinnige handwerkliche Perfektionalität, wenn sie sich diese Objekte angucken, die natürlich gemacht werden - er schleift das ja nicht alles selbst oder poliert das nicht mehr alles selbst -, sondern es geht um die Oberfläche, um die Erscheinung des Dinges oder eben auch um die Erscheinung der Dinge, die wir im Kopf haben, wenn wir einen solchen Sockel sehen.
Schmitz: Noch ein Satz dazu: Ist das alles gut in diesem Josef-Albers-Museum präsentiert?
Vielhaber: Ja man möchte fast sagen kongenial, wenn das nicht so abgegriffen wäre. Im ersten Teil sind seine Arbeiten alleine und dann hat er sich den zentralen Raum mit den Ehrungen, Verehrungen an das Quadrat gesucht. Da hat er sich dazwischengehängt oder hat Platten auf den Boden gelegt, und dann merken sie, so wie sie sich in die Quadrate von Josef Albers versenken können, um Räume zu erkennen, das können sie ganz genau, wenn sie seine Arbeiten dazwischen sehen, mit seinen.