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Vom Sterben und Leben der Bienen
Honig vom Friedhof

Insekten gehen nicht in die Kirche, heißt es in einem Witz. Bienen fliegen aber gerne auf Friedhöfe. Nicht wegen des Bienensterbens, sondern weil sie dort viel zu essen finden. Das Friedhofssterben, also der Rückgang an Grabflächen, könnte den Bienen sogar noch helfen – wie in Bremen.

Von Christian Röther | 10.07.2019
Hummeln sind auf dem Friedhof in Bremen-Blumenthal ebenfalls willkommen
Hummeln sind auf dem Friedhof in Bremen-Blumenthal ebenfalls willkommen (Deutschlandradio / Christian Röther)
Mächtig Flugbetrieb im Bremer Norden. Gut getarnt in einer Ecke des Gemeindesgartens der reformierten Kirche stehen zwei Bienenstöcke. Aus ihrem grünen Versteck heraus starten die Bienen und fliegen über die nächste Hecke – auf den Friedhof. Und sie kommen schwer beladen zurück.
Eine geheime Honig-Mission – nicht wirklich, denn die Bienenstöcke sollen zwar nicht sofort von allen gesehen werden, "aber im Grunde ist das in der Gemeinde bekannt, weil wir von Anfang an darüber informiert haben. Und das finden auch alle gut, dass wir das so machen", sagt Manfred Hilke.
Er engagiert sich schon seit vielen Jahren in der evangelisch-reformierten Kirchengemeinde Bremen-Blumenthal, auch in der Friedhofsgruppe:
"Der Honig kommt gut an. Ja, und wir nehmen den selber auch. Schmeckt gut."
"Nicht anders als an anderen Orten"
So klingt Euphorie in Norddeutschland. Und auch Werner Reinkelürs bleibt cool. Als Imker kümmert er sich um die Friedhofsbienen:
"Der Ort selber ist nicht anders als an anderen Orten."
Honig vom Friedhof – dahinter stecken zwei aktuelle Entwicklungen, die nicht nur Bremen und auch nicht nur die evangelische Kirche betreffen.
Werner Reinkelürs, Manfred Hilke und Brigitte Luttkus an der "Insektenkirche", die auch von Wildbienen bewohnt wird
Werner Reinkelürs, Manfred Hilke und Brigitte Luttkus an der "Insektenkirche", die auch von Wildbienen bewohnt wird (Deutschlandradio / Christian Röther)
Erstens: Wie nutzt man Friedhöfe, wenn weniger Platz für Gräber gebraucht wird? Wegen kleinerer Urnengräber und wegen rückläufiger Bestattungszahlen.
Zweitens: Was können Kirchengemeinden beitragen zum Umweltschutz? Oder wie es im christlichen Sprachgebrauch heißt: zur Bewahrung der Schöpfung.
"Ökologische Gestaltung von Friedhöfen"
Da kommen die Bremer Bienen ins Spiel, erklärt Manfred Hilke:
"Das ist ein Projekt zur ökologischen Gestaltung von Friedhöfen und war ein Modellprojekt für ganz Bremen im Grunde, ist von daher auch vom Senat unterstützt worden und von der bremischen Kirche, sodass wir also auch Fachleute heranziehen konnten, die uns beraten haben."
"Da sind wir über den Friedhof gegangen und haben mal geguckt, was wächst hier eigentlich. Haben dann festgestellt, es ist einiges da, was Bienen interessant finden. Von daher haben wir dann weiter überlegt, was kann man machen, um das für Bienen noch interessanter zu machen", so Brigitte Luttkus.
"Der Friedhof lebt"
Sie ist ebenfalls schon lange in der Gemeinde aktiv. Sie und ihre Mitstreiter wollen etwas tun gegen das Bienensterben – ausgerechnet an einem Ort, der mit dem Sterben verbunden ist. Ihr Motto:
"Der Friedhof lebt."
Schwer war los am Bienenstock an der Friedhofshecke
Schwer war los am Bienenstock an der Friedhofshecke (Deutschlandradio / Christian Röther)
Nicht nur Honigbienen leben hier, auch Hummeln und andere Wildbienen. Die Gemeinde schlägt für die Gräber heimische Pflanzen vor, die den Bienen gut schmecken. Plastikblumen und Unkraut-Vernichter sind verboten.
Wildblumen und Rasenmäher
Auf einer freien Fläche wurde außerdem eine Wiese mit Wildblumen angelegt. Da ist allerdings neulich aus Versehen der Rasenmäher drübergefahren. Aber nicht so schlimm, sagt Imker Werner Reinkelürs. Blumen und Kräuter seien zwar gut für seine Bienen, noch wichtiger aber die größeren Pflanzen.
"Das Umfeld um die Kirche, mit den vielen hohen und älteren Bäumen – sei es Linde, sei es Kastanie, oder was auch immer hier noch steht, hier überall sind Obstbäume noch – ist die Tracht sehr gut."
Fast vergisst man auf dem reformierten Friedhof in Blumenthal, dass nur wenige Meter weiter die Autobahn 270 vorbeilärmt. Und dass der Stadtteil eine hohe Arbeitslosigkeit hat und viele andere Probleme.
"Land, wo Milch und Honig fließen"
Die blühende Grünanlage in Blumenthal erinnert eher an das biblische "Land, wo Milch und Honig fließen" - Sinnbild für ein sorgenfreies Leben. Wobei, dass der Honig fließt wie in der Bibel, ist gar nicht gewünscht, meint der Imker:
"Honig, der im Normalfall, wenn er frisch geerntet ist, ja sehr flüssig ist und ihnen vom Brötchen tropft auf die Füße, das mögen dann viele nicht. Aufs Brötchen ist der, wenn er cremig gerührt ist, am schönsten."
Die Bienen und ihr cremiger Honig sind also schon da. Für das Land mit Milch und Honig fehlen hier nur noch ein paar Kühe, Schafe oder Ziegen.
"Ups, ich glaube, für die haben wir nicht so viel Platz", meint Brigitte Luttkus.
"Der Pastor ließ da Schafe weiden"
So sieht es auch Manfred Hilke:
"So groß sind die leeren Flächen hier noch nicht, dass das Sinn machen würde. Also ganz früher war es durchaus üblich, dass man Gräber oder Grabsteine auch einfach in den Rasen gestellt hat, und der Küster und der Pastor ließen da ihre Schafe und Ziegen weiden. Aber die Zeiten sind vorbei."
Womöglich würde das Milchvieh den Bienen auch so manche Pflanze wegfuttern – und der Honig vom Friedhof in Bremen-Blumenthal ist ohnehin ein knappes Gut.