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Vom Studenten zum Agenten

Der Bundesnachrichtendienst sucht Nachwuchskräfte und präsentiert sich inzwischen wie ein modernes Unternehmen offensiv auf Karrieremessen. Vor allem Informatiker, Wirtschafts- und Geisteswissenschaftler werden umworben. Noch Ende der 90er-Jahre wäre diese Form der Nachwuchssuche undenkbar gewesen.

Von Mareike Knoke |
    " Also, Bundesnachrichtendienst, da denke ich an Agenten, Aufklärung, viel Arbeit im Ausland, verdeckt, so ein bisschen "nicht kontrollierbar" möglicherweise von der Regierung, so ein bisschen geheim..."

    " Wenn ich irgendwas über den BND höre, denke ich mir immer: Oh, oh, Vorsicht, Alarmglocken.... Ja, man kennt ja die Klischees. Und ich persönlich, hätte ich die Wahl, würde ich instinktiv erstmal sagen: Ich möchte dort nicht arbeiten."

    Plutonium, Irak, al-Masri - Affären pflastern den Weg des Bundesnachrichtendienstes. Will man für so einen Laden arbeiten? Viele Studenten und Hochschulabsolventen sind skeptisch. Aber offenbar nicht alle. Am Info-Stand des BND auf der Karriermesse Connecticum in Berlin bildet sich schnell eine lange Schlange. Informatik-Studenten in Jeans und Sandalen warten neben Volkswirten, Wirtschaftswissenschaftlern und Juristen in Kostüm oder Sakko, die ihre Bewerbungsmappen gleich mitgebracht haben. Auf seiner Homepage und in Hochglanzbroschüren verspricht der BND "ungewohnte Herausforderungen, finanzielle Anreize und globale Präsenz". Gesucht werden Wirtschaftsinformatiker, Ingenieure oder Dolmetscher. Doch erst seit einigen Jahren wirbt der bundesdeutsche Geheimdienst so offensiv um Nachwuchs für den mittleren und höheren Dienst, sagt BND-Sprecher Stefan Borchert:

    " Der Grund war, dass die Personalrekrutierung, wie sie damals stattgefunden hat, einfach nicht mehr zeitgemäß war. Sie ist damals verständlich gewesen unter dem Gesichtspunkt der Ostwest-Bedrohung und der Tatsache, dass man eben gucken musste, dass man sich nicht den nächsten MfS-Spion ins Haus holte. Heutzutage sind die Schwerpunkte anders. Und wir haben auch einfach gemerkt, dass wir ganz andere Leute erreichen mit unserer Offenheit, natürlich auch Leute, die wir dringend und gerne brauchen."

    Das sind zum Beispiel Sprachkundige, die fließend Arabisch, Persisch oder Chinesisch sprechen, gerne kombiniert mit einem Wirtschafts- und Informatikstudium. Noch vor zehn Jahren wurden solche Experten mit größtmöglicher Diskretion und nur auf Empfehlung altgedienter Mitarbeiter angeworben. Rund 6000 Mitarbeiter halten heute im Auftrag des BND weltweit Augen und Ohren auf, und die meisten kommen durch ganz normale Stellenanzeigen zu ihren Jobs. Angeblich ist die Nachfrage trotz diverser BND-Affären groß:

    " Für den mittleren und gehobenen Dienst haben wir teilweise bis zu 3000 Bewerber auf 30 Stellen. Da sind die Bewerberzahlen gleichbleibend hoch. Von daher ist kein Einbruch da und wir haben da wirklich hochqualifiziertes Personal, das letztlich auch genommen wird."

    Tatsächlich scheinen viele Studenten bei der Jobsuche eine eher pragmatische Einstellung zu haben. Michaela Schneider zum Beispiel hat gerade ihr Jura-Studium abgeschlossen und möchte gerne für den Staat arbeiten. Für sie ist der BND ein Arbeitgeber wie jeder andere auch.

    " Ich sehe das schon im Rahmen einer normalen Bundesbehörde, bei der ich mich bewerbe und nicht als - oh, Geheimdienst! Ich denke schon, dass man da als Jurist relativ normale Widerspruchsverfahren bearbeitet und solche Sachen wie in jeder anderen Behörden auch, wie ich eben erfahren habe. Was mich besonders reizt ist, dass ich auch hier in Berlin arbeiten könnte, wo ich wohne und studiert habe."

    Es gibt natürlich auch Schattenseiten: Das Leben jedes potenziellen Mitarbeiters wird streng durchleuchtet, bevor er beim BND anfangen darf. Auch Familiemitglieder und Lebensgefährten werden davon nicht ausgenommen. Und beim gemeinsamen Abendessen locker über das aktuelle Projekt im Büro zu plaudern, ist natürlich tabu. Bisher hat sich Michaela Schneider noch nicht allzu viel Gedanken darüber gemacht:

    " Damit bin ich jetzt gerade das erste Mal konfrontiert worden. Das ist natürlich etwas seltsam im ersten Moment, und man denkt: Uups!. Das würde ich mir dann genauer anschauen, wenn ich in das Bewerberverfahren kommen würde. Dann würde ich mir das auf jeden Fall auch nochmal überlegen. Aber im Moment bewerbe ich mich eben breit, und dann würde ich mich auch beim BND bewerben."

    Die nächsten Job-Messen-Termine, bei denen der BND sich präsentiert, sind: Konaktiva Darmstadt, 9. bis 11.5., IKOM in München an der TU München, vom 26. bis 28. Juni.