Die Erinnerung an eine blutige Mordtat steht am Anfang von Nuran David Calis' Neufassung des bürgerlichen Trauerspiels von Heinrich Leopold Wagner. Vor einer riesigen Betonröhre, die quer über der Drehbühne liegt, scheint in einer schwarz-weißen Videoprojektion das fahle weiße Gesicht einer jungen Frau auf. Und sie erzählt vom Mord an ihrer Mutter durch die Hand ihres Vaters, und davon, wie sie als Säugling dabei auf den Boden fiel.
Hier ist es also ein Trauma, aus dem sich Evas Leben als Kindsmörderin erklären soll. "An meinem Leben klebt Blut" haucht also Olivia Gräser in die Videokamera, deren Bild gleich dreimal auf die Bühne geworfen wird: Das zentrale Großbild und die zwei Randbilder erinnern ans Triptychon der christlichen Ikonografie und provozieren eine Sehweise, die in der gesamten Aufführung den Martyriumscharakter sucht.
Weit hat sich der inszenierende Autor von seiner Vorlage aus der Sturm-und-Drang-Zeit entfernt, denn er sucht den Stoff fürs Trauerspiel weniger in den Klassen- und Standesunterschieden und nicht in der sexuellen Vergnügungssucht eines Leutnant von Gröningseck. Hier hoffen zwei Menschen vergeblich auf ein anderes Leben, das ihnen Liebe und Sexualität verschaffen soll. Zwischen dem hier Grönsbeck genannten Türsteher einer Disco und dem begüterten Girly Eva könnte es eine konfliktfreie Affäre geben, ginge es den beiden nicht nur um das bisschen Rausch und Fun, das ihnen ein von Hip-Hop-Rhythmen durchpulstes Nachtleben verspricht. Grönsbecks Kumpel jedenfalls sehen es nicht gerne, dass ihr Chef sich ernsthaft in das Mädchen verliebt hat.
Wo sich der von Christoph Franken überzeugend verkörperte Grönsbeck gegen das präpotente Machogehabe seiner Kumpel durchsetzen muss, gerät Eva mit ihrem Vater in Konflikt, der sie wohl lieber mit dem von Ulrich Matthes gespielten Magista liiert sähe. Ein Erloschener, ein Deprimierter ist dieser beständig Abgewiesene, einer, der bei der Vertretung seiner Interessen allenfalls dicke Geldbündel an Grönsbecks Kumpel verteilt. Er steht für einen deprimierten Realismus, der große Veränderungen im Leben für unmöglich hält.
Waren die Menschen in Heinrich Leopold Wagners sozialkritischem Trauerspiel durch ihre Klassenzugehörigkeit dem Schicksal der Bewegungslosigkeit, der Erstarrung ausgeliefert, steht der in der dramatischen Vorlage nur als Nebenfigur in Erscheinung tretende Magister nun für die Unentrinnbarkeit als solche, quasi für eine philosophische Notwendigkeit. Ulrich Matthes herrlich verblasster Magista ist Grönsbecks Antipode bei der Suche nach dem besseren Leben.
Bei Calis und mit Christoph Franken überlebt, wer erzählt und sich im Sprechen neu erfindet. Der sprachkarge reiche Magista und der arme Rapper Grönsbeck sind die Pole, zwischen denen Calis seine Neuversion aufspannt. Er hat die sozialen Verhältnisse umgedreht, hat den Vergewaltiger zum Liebenden gemacht und das bürgerliche Opfer der sexuellen Nachstellungen eines adeligen Offiziers zur in komplexen Traumata gefangenen Managertochter.
Calis hat 30 Prozent seiner literarischen Vorlage sehr kunstvoll in die Neudichtung eingebaut und den Hyperrealismus eines Abwasserkanals mit Visionen, Albträumen und Erinnerungsfetzen zu poetischen Bildern fusioniert. Die wie toten Augen einer ins Unendliche blickenden Olivia Gräser, dieses Schattenkind und Mutter eines Schattenkinds, werden in Erinnerung bleiben, auch wenn es nur die Bilder sind, die in dieser Aufführung die auseinanderdriftenden Motive und Themen des Stücks überzeugend bündeln.
Hier ist es also ein Trauma, aus dem sich Evas Leben als Kindsmörderin erklären soll. "An meinem Leben klebt Blut" haucht also Olivia Gräser in die Videokamera, deren Bild gleich dreimal auf die Bühne geworfen wird: Das zentrale Großbild und die zwei Randbilder erinnern ans Triptychon der christlichen Ikonografie und provozieren eine Sehweise, die in der gesamten Aufführung den Martyriumscharakter sucht.
Weit hat sich der inszenierende Autor von seiner Vorlage aus der Sturm-und-Drang-Zeit entfernt, denn er sucht den Stoff fürs Trauerspiel weniger in den Klassen- und Standesunterschieden und nicht in der sexuellen Vergnügungssucht eines Leutnant von Gröningseck. Hier hoffen zwei Menschen vergeblich auf ein anderes Leben, das ihnen Liebe und Sexualität verschaffen soll. Zwischen dem hier Grönsbeck genannten Türsteher einer Disco und dem begüterten Girly Eva könnte es eine konfliktfreie Affäre geben, ginge es den beiden nicht nur um das bisschen Rausch und Fun, das ihnen ein von Hip-Hop-Rhythmen durchpulstes Nachtleben verspricht. Grönsbecks Kumpel jedenfalls sehen es nicht gerne, dass ihr Chef sich ernsthaft in das Mädchen verliebt hat.
Wo sich der von Christoph Franken überzeugend verkörperte Grönsbeck gegen das präpotente Machogehabe seiner Kumpel durchsetzen muss, gerät Eva mit ihrem Vater in Konflikt, der sie wohl lieber mit dem von Ulrich Matthes gespielten Magista liiert sähe. Ein Erloschener, ein Deprimierter ist dieser beständig Abgewiesene, einer, der bei der Vertretung seiner Interessen allenfalls dicke Geldbündel an Grönsbecks Kumpel verteilt. Er steht für einen deprimierten Realismus, der große Veränderungen im Leben für unmöglich hält.
Waren die Menschen in Heinrich Leopold Wagners sozialkritischem Trauerspiel durch ihre Klassenzugehörigkeit dem Schicksal der Bewegungslosigkeit, der Erstarrung ausgeliefert, steht der in der dramatischen Vorlage nur als Nebenfigur in Erscheinung tretende Magister nun für die Unentrinnbarkeit als solche, quasi für eine philosophische Notwendigkeit. Ulrich Matthes herrlich verblasster Magista ist Grönsbecks Antipode bei der Suche nach dem besseren Leben.
Bei Calis und mit Christoph Franken überlebt, wer erzählt und sich im Sprechen neu erfindet. Der sprachkarge reiche Magista und der arme Rapper Grönsbeck sind die Pole, zwischen denen Calis seine Neuversion aufspannt. Er hat die sozialen Verhältnisse umgedreht, hat den Vergewaltiger zum Liebenden gemacht und das bürgerliche Opfer der sexuellen Nachstellungen eines adeligen Offiziers zur in komplexen Traumata gefangenen Managertochter.
Calis hat 30 Prozent seiner literarischen Vorlage sehr kunstvoll in die Neudichtung eingebaut und den Hyperrealismus eines Abwasserkanals mit Visionen, Albträumen und Erinnerungsfetzen zu poetischen Bildern fusioniert. Die wie toten Augen einer ins Unendliche blickenden Olivia Gräser, dieses Schattenkind und Mutter eines Schattenkinds, werden in Erinnerung bleiben, auch wenn es nur die Bilder sind, die in dieser Aufführung die auseinanderdriftenden Motive und Themen des Stücks überzeugend bündeln.