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Vom Tabak zum Wein

Biologie.- Bis in einigen Wochen die ersten Trauben geerntet werden, hat noch mancher Weinbauer mit Ungeziefer, Pilzen und Viren zu kämpfen. Auch das sogenannte "Grapvine fanleaf virus" beschert den Bauern herbe Ernteverluste. Aachener Biologen wollen Abhilfe schaffen.

Von Tomma Schröder |
    "Was wir hier in den Gläsern sehen, sind Tabakpflanzen, die unter sterilen Bedingungen gehalten werden. Auf dem Boden befindet sich so ein Nährmedium – sieht so ein bisschen aus wie Wackelpudding."

    Stefan Schillberg nimmt einen der weckglasähnlichen Behälter aus den Laborregalen: Auf der glibberigen grauen Masse am Boden des Glases wächst eine normale Tabakpflanze. Wie die Artgenossen, die weiter unten im Regal stehen, soll aber auch diese Pflanze noch gentechnisch verändert werden. Denn die Forscher vom Fraunhofer Institut für Mikrobiologie und Angewandte Oekologie wollen den Tabak resistent machen gegen das sogenannte "Grapevine fanleaf virus". Aber: Warum eigentlich Tabakpflanzen – ging es nicht um Wein?

    "Der Tabak ist sehr einfach zu handhaben. Man kann ihn sehr leicht gentechnisch verändern. Und deswegen testen wir viele Sachen erst einmal in Tabak. Und da dieses Virus auch bestimmte Tabaksorten befällt, ist das ein ideales Testsystem, das wir sehr schnell durchführen können."

    "Dieses Virus" ist einer der wichtigsten und verbreitetsten Krankheitserreger von Weinreben. "Grapevine fanleaf virus" heißt zu deutsch etwa so viel wie "Weinstock-Fächerblatt-Virus", weil er unter anderem die Blätter des Weines so deformiert, dass sie ein fächerartiges Aussehen bekommen. Viel schlimmer aber ist: Wenn der Wein erst einmal infiziert ist, verkümmert er jahrelang, hat weniger und kleinere Beeren – manchmal kommt es sogar zum Absterben der Rebe. Durch Fadenwürmer wird das Virus zudem meist kreisförmig von Rebe zu Rebe übertragen. Weltweit entsteht so jedes Jahr ein erheblicher wirtschaftlicher Schaden.

    Um das zu verhindern, wollen die Forscher aus Aachen ein Gen in den Wein einschleusen, das die Produktion von Anitkörpern gegen das Virus veranlasst. Dafür wählen sie eine alt bewährte Methode der Gentechnik: Sie wollen das Anitkörper-Gen in ein Bakterium einführen, das dieses Gen wiederum auf die Pflanze überträgt.

    "Das Bakterium ist für mich nur ein Helfer. Praktisch ein Taxi, das diese neue Information dann in die Pflanzenzelle hineinbringt. Wenn ich die Information reinbringe: ‚Produziere einen Antikörper’ – dann macht die Pflanze das."

    Einige der Tabakpflanzen im Labor des Aachener Fraunhofer-Instituts machen das mittlerweile tatsächlich. Sie verfügen über das Antikörper-Gen und sind virusresistent. Doch: Die Taxi-Methode funktioniert bei diesen Pflanzen eben auch sehr gut – anders als beim Wein.

    "Also wir gehen davon aus, dass der Antikörper funktional ist und nicht nur in Tabak funktioniert, sondern auch bei Wein. Die Herausforderung ist da wirklich, den Wein gentechnisch zu verändern. Weil die Pflanzen unterschiedliche Pflanzen sind, unterschiedlich einfach zu transformieren. Und Wein ist halt eine Gehölzpflanze, die etwas schwerer zu handhaben ist."

    Stefan Schillberg rechnet damit, dass es noch einige Zeit dauern wird, bis die ersten virusresistenten Weinreben gezüchtet werden können. Und selbst dann werden noch drei, vier Jahre vergehen, bis diese Rebe überhaupt trägt. Sind schließlich die ersten Trauben geerntet und die ersten Flaschen des gentechnisch veränderten Weines abgefüllt, stellt sich immer noch die Frage: Verkauft sich dieser Wein überhaupt?

    "Das ist eine sehr wichtige Frage, die sich auch der Weinanbauer stellen muss. Natürlich wird der sich verschiedene Technologien ansehen, mit denen er am besten den Wein kultivieren kann. Aber dazu zählt auch: Kann ich den Wein am Markt platzieren? Und im Moment ist die Akzeptanz in der Bevölkerung für gentechnisch veränderte Pflanzen sehr gering. Also in naher Zukunft sehe ich da doch einige Schwierigkeiten, entsprechende Produkte wirklich auf dem Markt zu platzieren."

    Viel Aufwand also für wenig Ertrag? Nein, meint Stefan Schillberg. Er will mit seinen Forschungsregebnissen, die Chancen und Möglichkeiten von gentechnisch veränderten Pflanzen deutlich machen.

    "Also, grundsätzlich muss man das mal zeigen, dass das funktioniert. Und da reicht nicht nur ein Beispiel aus, sondern da müssen mehrere Beispiele her – und auch bei verschiedenen Krankheitserregern, ob das jetzt nun Viren oder Pilze sind, bei verschiedenen Pflanzenspezies, um zu zeigen, dass dieser Ansatz funktioniert. Aber wir wollen schon in Richtung Anwendung – ganz klar. Wir wollen nicht nur den Prozess besser verstehen, sondern auch Werkzeuge bereitstellen, um die Pflanzen besser zu machen, resistenter zu machen gegen verschiedene Krankheitserreger."