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Vom Umgang mit der Gentechnik

"Wenn sich die Pflanzen erst einmal mischen, dann bekommt man sie nie wieder auseinander", so die Agrarkommissarin der Europäischen Union, Mariann Fischer Boel, auf der "Grünen Woche" in Berlin zum Nebeneinander von traditionellem Ackerbau und gentechnisch veränderten Sorten. Deshalb plane sie ein EU-Rahmengesetz, in dem das Mit- und Nebeneinander genau geregelt werde. Bisher hatte Brüssel den einzelnen Mitgliedsstaaten bei der Regelung freie Hand gelassen. Die Verbände, die den Einsatz der Gentechnik in der Landwirtschaft befürworten, sind mit den deutschen Bestimmungen gar nicht einverstanden. Das sei eindeutig ein Anbau-Verhinderungsgesetz. Und sie verweisen dabei immer wieder auf die vorbildlichen Regeln in den Niederlanden.

Von Kerstin Schweighöfer |
    Stolz zeigt Digni van den Dries eines seiner Felder, auf denen er Kohl anbaut, Zwiebeln, Kartoffeln und Winterrüben. Insgesamt stehen dem 48jährigen im Nordosten der Niederlande 55 Hektar Grund zur Verfügung, das sind gut 20 Hektar mehr als ein Durchschnitts-Biobauer in den Niederlanden.

    Van den Dries hat sich 1990 vom konventionellen auf den biologischen Landbau umgestellt. Auf seinem Hof hat er eigentlich alle Hände voll, doch in den letzten Monaten muss er viel Zeit opfern für Sitzungen und zähe Verhandlungen mit Vertretern aus der Wirtschaft und dem Landwirtschaftsministerium, mit konventionellen und mit Biotechnik-Bauern.
    Denn Van den Dries vertritt die niederländischen Biobauern in einer Kommission, die den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen regeln soll. Im Gegensatz zu anderen EU-Länder wie etwa Deutschland hat die niederländische Regierung beschlossen, deswegen nicht das Gesetz zu bemühen. Statt dessen wurden alle Beteiligten aufgefordert, sich nach traditionell holländischer Sitte - auch Poldermodell genannt - an einen Tisch zu setzen und solange zu verhandeln, bis ein Kompromiss gefunden werden konnte.
    "Es war ganz schön schwierig", erinnert sich van den Dries:

    Zum Glück gelang es uns, nicht persönlich zu werden und Privates und Geschäftliches zu trennen. Denn wir Biobauern sind natürlich vehement gegen den Gentechnik-Anbau, aber wir kommen nicht darum herum, es ist eine Realität in Europa, und da ist es besser, gemeinsam etwas zu regeln.

    Der Kompromiss sieht vor, unter einer ganzen Reihe von Sicherheitsmassnahmen den Anbau von drei gentechnisch veränderten Pflanzen zu ermöglichen: Kartoffeln, Mais und Zuckerrüben. So etwa müssen Erntemaschinen gründlich gesäubert und Gentechnik-Ernten strikt getrennt aufbewahrt werden. Außerdem gelten Mindestabstände beim Anbau: Bei Mais sind es 250 Meter, bei Kartoffeln zehn und bei Zuckerrüben fünf, erklärt der Vorsitzende dieser Kommission Jaap van Dijk:

    Auf diese Weise, davon sind wir überzeugt, ist Auskreuzung unmöglich. Aber kein Mensch ist perfekt, trotz alledem könnte es zu Schäden kommen. Darunter jedoch darf niemand leiden. Deshalb wollen wir einen Schadensfonds einrichten, in den alle Beteiligten einzahlen, also auch konventionelle und Biobauern. Immerhin sorgen unsere Regeln dafür, dass hier nicht Zustände herrschen wie im Wilden Westen und gerade die Biobauern geschützt werden.

    Im Ausland werde das oft nicht verstanden, weiß van Dijk. Aber das sei eben typisch für das niederländische Poldermodell:

    Wir müssen Solidarität zeigen, wir tragen gemeinsam Verantwortung. Deshalb sind wir zu dieser Konstruktion gekommen.

    Die Biobauern allerdings sehen das etwas anders. Von Poldermodell könne keine Rede sein, so Digni van den Dries:

    Wir hatten keine andere Wahl! 'Wenn ihr nicht mitspielt', so bekamen wir zu hören, 'dann wird eben überhaupt nichts geregelt, dann kommt es zu ungeregeltem Gentechnik-Anbau'. Also, eigentlich wurde uns die Pistole auf die Brust gedrückt oder, anders gesagt, das Messer an die Kehle.

    Und was den Schadensfonds betreffe: Die Biobauern seien zwar bereit einzuzahlen, aber nur, um administrative Kosten zu decken - keinesfalls, um den Schaden zu finanzieren, den die Gentechnik-Bauern anrichten könnten:

    Prinzipiell ist es gut, dass ein solcher Fonds geschaffen wird, denn wir leben in einem offenen Land, in dem es weht und stürmt und regnet, und wir Biobauern müssen die Möglichkeit haben, unbürokratisch Schadenersatz zu bekommen, ohne vor Gericht ziehen zu müssen. Aber wir lassen uns nicht zwingen, diesen von uns nicht verursachten Schaden mitzufinanzieren. Dann spielen wir nicht länger mit, dann steigen wir aus.

    Ob es soweit kommt, bleibt abzuwarten, Details zum Schadensfonds müssen noch ausgearbeitet werden. Derzeit liegt der Abschlussbericht der Kommission beim Landwirtschaftsminister, der aller Voraussicht nach grünes Licht erteilen will.
    Damit, so freut sich Kommissionsvorsitzender van Dijk, wären die Niederlande das einzige EU-Land, dem es gelungen sei, diesen außergewöhnlichen Weg einzuschlagen. Biobauer van den Dries hingegen träumt derweil davon, in einem Land wie Deutschland zu leben:

    Da ist das alles sehr viel besser geregelt als bei uns! Wirklich wahr, ich wollte, ich wäre ein deutscher Biobauer, der hat es sehr viel leichter als wir hier in Holland!