Nieder mit Japan! Lang lebe China! und: Koizumi ist ein Schwein! skandierten die Pekinger Demonstranten im größten Massenprotest, den die chinesische Hauptstadt seit Jahren gesehen hat. Etwa zwanzigtausend Jugendliche belagerten japanische Supermärkte, Restaurants und warfen die Fensterscheiben der japanischen Botschaft ein, während chinesische Sicherheitskräfte tatenlos zusahen. Kurz darauf das gleiche Bild auch in anderen Städten. Es schien, als ob sich lange aufgestaute Emotionen in blinder Zerstörungswut entluden. Vor allem unter Chinas Studenten fanden die Aufrufe zu anti-japanischen Protesten großen Widerhall:
"Ich hasse die Japaner! "
"Ich finde es ärgerlich, wie sie die Geschichte verdrehen! "
"Der Krieg ist 60 Jahre zu Ende, aber Japan hat sich nie bei China entschuldigt. Darauf warten viele Chinesen bis heute. Erst wenn Japan endlich seine Geschichte aufarbeitet, können beide Länder in Frieden leben. "
Über das Internet und SMS-Botschaften waren Aufrufe zu Demonstrationen in ganz China verbreitet worden. Erst als die Stimmung zwischen Tokio und Peking nahe am Gefrierpunkt lag, pfiff Chinas Regierung ihre Bevölkerung zurück. Der Politikwissenschafter Joseph Cheng von der Hongkonger City University sieht dahinter ein klares politisches Kalkül:
"Die chinesische Regierung duldete die Proteste, weil sie damit ein starkes Signal an Japan aussenden wollte. Und sie wusste, dass sie sich mit einer Unterbindung der Proteste sehr unbeliebt gemacht hätte. So schien es ihr klüger, der Bevölkerung eine kurzzeitige Möglichkeit einzuräumen, ihrem Ärger Luft zu machen. Obwohl sie genau weiß, dass die Förderung des Nationalismus ein zweischneidiges Schwert sein kann: heute marschieren die Menschen gegen Japan und morgen gegen die eigene Regierung. Deshalb war sie sehr darauf bedacht, dass die Situation nicht außer Kontrolle geriet. "
Dem Pekinger Regime steckt die Angst in den Knochen, dass sich eine Situation wie 1989 wiederholen könnte, als wochenlange Studentenproteste die Autorität der kommunistischen Regierung bedrohten. Damals begannen die Unruhen mit Demonstrationen gegen die Korruption. Diesmal war der Auslöser ein Streit um neu aufgelegte japanische Schulbücher, die Gräueltaten japanischer Truppen in China während des Zweiten Weltkriegs verharmlosen. Den meisten Chinesen ist nicht bewusst, dass sich bereits vor 10 Jahren Japans damaliger Ministerpräsident Murayama bei China für die Kriegsverbrechen entschuldigt hat. Sie sind aufgewachsen mit einer kommunistischen Propaganda, die Chinesen ausschließlich als Opfer und Japaner als unbeugsames Tätervolk darstellt, sagt Geschichtsprofessor Zhang Xuefeng:
"Die Filme und Romane über die Zeit des anti-japanischen Krieges haben die Meinung chinesischer Jugendlicher stark beeinflusst. Die Frage ist, ob China solche Filme produzieren sollte. Aus Japans Sicht natürlich nicht. Aber für China ist der Anti-Japanische Krieg ein unerschöpfliches Thema, das die Regierung nie aufgeben wird. "
Zhang lehrt Geschichte an der Universität von Nanjing, die Stadt, die als Symbol für eines der schlimmsten Massaker an Zivilisten in die Geschichte eingegangen ist. 1931 hatten die Japaner die Mandschurei in Nordchina besetzt und dort ein Marionetten-Regime unter der Herrschaft des letzten chinesischen Kaisers Pu Yi installiert. Doch ihr eigentlicher Invasions-Feldzug in China begann 1937, als sie von Peking aus nach Süden vorstießen. Zuerst fiel Shanghai, am 13. Dezember kapitulierte das weiter westlich am Yangtse-Strom gelegene Nanjing, damals noch Nanking genannt. Innerhalb von 6 Wochen wurden dort 300-tausend Zivilisten und gefangene Soldaten von den japanischen Invasoren regelrecht abgeschlachtet. Zhang Xuefeng wurde zwar erst 25 Jahre später geboren, doch Eltern und Großeltern hielten die Erinnerung lebendig:
"Auch meine Familie litt unter den japanischen Invasoren, immer wieder haben mir meine Großeltern davon erzählt. (...) Alle Kinder in meinem Alter kannten die Geschichte dieser Kriegsjahre schon ab der Grundschule. Sie wird von Generation zu Generation weiter getragen, deswegen kennen sie auch die heutigen Studenten, die erst in den 80er Jahren geboren sind. "
Der 82jährige Mu Xifu ist einer der letzten Überlebenden des Nanjing-Massakers. 14 Jahre alt war er, als die japanischen Truppen anrückten, ein Junge voller Angst, aber auch unbezähmbarer Neugier. Obwohl es ihm die Eltern verboten hatten, schlich er in einer Nacht im Dezember 1937 durch Nanjings Straßen und sah das Grauen mit eigenen Augen:
"Alles war mit Leichen übersät, die Straßen, selbst die Flüsse. (..) ich habe gesehen, wie Menschen wahllos erstochen wurden, auch viele Kinder. Ich hörte die Schreie derjenigen, die man lebendig begraben hatte. Viele Familien hatten unterirdische Höhlen gegraben, um sich zu verstecken. Die wurden zur Falle, weil die Japaner sie dort hineinstießen und mit Erde zuschütteten. (..) Seitdem hasse ich die Japaner, heute noch so stark wie vor 60 Jahren. "
Mu’s gesamte Familie überlebte die Invasion in einer von Ausländern errichteten Sicherheitszone in Nanjing. Sie fanden Zuflucht im Hof ihres Nachbarn, eines deutschen Geschäftsmannes namens John Rabe, der sie und Tausende anderer Flüchtlinge gegen die marodierenden japanischen Truppen verteidigte:
"Die japanischen Tiefflieger wagten es nicht, den Hof zu bombardieren, weil dort deutsche Fahnen wehten. (..) Einmal kletterte ein japanischer Soldat über die Mauer in den Garten. Er hat nicht geschossen, sondern sich nur umgesehen. Rabe brüllte ihn an und zwang ihn, auf demselben Weg wieder abzuhauen. "
Andere überlebten, weil sie sich bei Massen-Erschießungen tot stellten, viele Frauen, weil sie in japanischen Soldaten-Bordellen als Zwangsprostituierte dienen mussten. Dank ihrer Zeugen-Aussagen vor dem Tokioter Kriegsverbrecher-Tribunal wurden einige der Täter überführt und verurteilt. Doch eine Entschädigung haben die Opfer nie bekommen. Das war auch die Schuld der chinesischen Regierung. Mao Zedong hatte im Friedensvertrag von 1952 auf Reparationen von Japan verzichtet und jede Forderung an Tokio jahrzehntelang aus politischen Gründen hintangestellt. Selbst nachdem die einstigen Kriegsgegner ihre Beziehungen wieder normalisierten, dauerte es noch 20 Jahre, bis die ersten Opfer vor japanischen Gerichten wegen erlittener Verletzungen und Demütigungen klagten. Der Nanjinger Anwalt Liu Huiming hat 87 chinesische "Trostfrauen" vertreten, ein zynische Beschönigung für die von japanischen Truppen Zwangs-Prostituierten:
"Selbst nach der Unterzeichnung des Friedensvertrags mit Japan 1978 wussten viele Chinesen nicht, dass man vor ein japanisches Gericht ziehen konnte, um auf Entschädigung zu klagen. Bis heute ist China in dieser Frage rückständig. Und ehrlich gesagt, wenn das jemand noch vor 20 Jahren versucht hätte, wäre die chinesische Regierung eingeschritten, weil sie das bilaterale Verhältnis nicht belasten wollte. Erst Anfang der 90er Jahre regten einige Volkskongress-Abgeordnete solche Klagen an. "
Keine einzige dieser Klagen war bisher erfolgreich. Japanische Gerichte lehnten sie unter Hinweis auf die Nachkriegsverträge und Chinas damaligen Verzicht ab. Das wird sich nicht ändern, solange Japan seine Kriegsvergangenheit nicht vollständig aufarbeitet, fürchtet Anwalt Liu. Deshalb sieht er seine ehrenamtliche Arbeit auch als politisches Druckmittel:
"Die Entschädigung ist eine Sache, aber wir können zumindest die Tatsache in den Köpfen verankern, dass China unter der japanischen Besatzung entsetzlich gelitten hat. Durch Sammelklagen können wir Regierung und Gesellschaft in Japan unter Druck setzen, und sie daran erinnern, dass viele historische Probleme nicht gelöst sind. "
Befremdlich wirkt, dass China gerade jetzt diese Kriegsvergangenheit ans Licht zerrt, noch dazu, wo es sich mit seinen eigenen historischen Problemen nie auseinandergesetzt hat. So wird weder an die Opfer der Unruhen von 1989 erinnert, noch an jene der kommunistischen Kulturrevolution Ende der 60er Jahre, die in die Millionen gingen. Erst ein halbes Jahrhundert nach dem Massaker von Nanjing wurde in der Stadt eine Gedenkstätte für die Opfer der japanischen Invasion errichtet.
Täglich werden hier 10- bis 20-tausend Besucher durchgeschleust, darunter viele chinesische und auch japanische Schülergruppen. Die Ausstellung ist erfrischend sachlich und informativ gestaltet, keine Indoktrination mit dem kommunistischen Holzhammer. Aber das Ziel einer nationalistischen Erziehung ist doch unverkennbar, wenn Direktor Zhu Chengshan erklärt, welche Absicht hinter dem Museum steckt:
"Unser Leitmotiv lautet: "die richtige Erinnerung ist eine gute Lehre für die Zukunft." (..) Wir sollten die Geschichte als Spiegel betrachten. Die Besucher hier erfahren von einer Zeit, als unser Land schwach war und von den Japanern gedemütigt wurde. Wir müssen daraus lernen, um China stark zu machen. "
Japan hat zwar keine Reparationen gezahlt, aber durch 300 Millionen Euro Entwicklungshilfe zum Wiederaufbau Chinas beigetragen. 1972 nahmen beide Länder wieder diplomatische Beziehungen auf, sechs Jahre später schlossen sie einen Freundschaftsvertrag und Chinas Regierung warb um das Geld japanischer Investoren. Damals ein wirtschaftlicher Zwerg, stellte sie Japans Vorherrschaft in Asien nicht in Frage, doch gut 30 Jahre später hat sich das Verhältnis umgekehrt. Mit dem chinesischen Wirtschaftsboom ist auch ein neues politisches Selbstbewusstsein erwacht, das Studenten wie Lu Yunfei zu glühenden Patrioten und Aktivisten geformt hat:
"Ich bin 1975 geboren, mitten hinein in eine Zeit, die wir als Flitterwochen der chinesisch-japanischen Annäherung bezeichnen. Als Kind liebte ich japanische Filme und Filmstars, und auch japanische Cartoons. Damals hatten weder ich noch meine Freunde irgendwelche anti-japanischen Gefühle. Doch mit Beginn der 90er Jahre verzeichnete Chinas Wirtschaft einen unglaublichen Aufschwung, während Japan gleichzeitig mit einer Rezession kämpfte. Leider zogen viele Konservative in Japan daraus den Schluss, dass dies Chinas Schuld war. Lächerlich! Aber daraus entstand unsere anti-japanische Bewegung. "
Lu Yunfei ist Mitbegründer der so genannten "Patriotischen Allianz zur Verteidigung der Diaoyu-Inseln", einer anti-japanischen Pekinger Bürgerinitiative mit diffusem Rechts-Status. Ere E hat zahlreiche Proteste und Unterschriften-Aktionen organisiert, gegen Japans Bemühen um einen Ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat, gegen den Kauf des Shinkansen für die Eisenbahn-Strecke Peking-Shanghai sowie für Entschädigungszahlungen an die Opfer japanischer Giftgas-Bomben aus dem Zweiten Weltkrieg. Mehr als eine Million Sympathisanten hätten unterschrieben, brüstete sich der 30jährige, man habe vor der japanischen Botschaft einen Papierstapel abgelegt, der einen Meter hoch gewesen sei. Als größten Erfolg bezeichnet er jedoch die Landung von sieben chinesischen Aktivisten auf den unbewohnten Diaoyu-Inseln, auf japanisch Senkaku genannt. Beim ersten Versuch im Jahr 1996 war ein Hongkonger Aktivist ertrunken. Anfang 2004 setzten Lu und seine Mitstreiter Peking und Tokio erneut unter Zugzwang:
"Wir starteten einen Überraschungs-Angriff. Im Internet hatten wir verbreitet, dass es am 28.März losgehen sollte. Tatsächlich aber starteten wir 6 Tage früher von Zhejiang aus, und so waren unsere Boote nur noch drei Seemeilen von den Inseln entfernt, als uns die Küstenwache entdeckte. (..) Die Japaner versuchten, uns mit einem Leichtboot nachzusetzen, aber wir hielten sie mit simplen, 4-Meter langen Stäben auf Distanz. Dann teilten wir uns auf mehrere Boote auf, so dass sie nicht wussten, wen sie zuerst verfolgen sollten. So landeten unsere zwei Schlauchboote mit 7 Aktivisten auf einer der Diaoyu-Inseln. Die Nachricht schlug im Internet wie eine Bombe ein, und bis zum Morgen des 24. März 2004 war die Landung unserer Truppe ein Ereignis von historischer Bedeutung geworden. "
Die China-Aktivisten wurden festgenommen und nach Tokio gebracht, nach einigem politischen Geplänkel aber wieder freigelassen. Noch 1978 hatte Chinas Parteichef Deng Xiaoping angeregt, die Klärung der Inselfrage künftigen Generationen zu überlassen. Jetzt nutzte Pekings Regime die eigenmächtige Aktion, um seinen Anspruch auf den unwirtlichen Archipel zu untermauern: 5,3 Quadratkilometer nackte Felsen ohne Trinkwasserquellen, 160 Kilometer nordöstlich von Taiwan, und etwa 400 Kilometer westlich von Okinawa. Sie hatten so lange niemanden interessiert, bis man dort umfangreiche Öl- und Gasvorkommen entdeckte, erklärt Historiker Zhang Xuefeng:
"Der Streit um die Diaoyu-Inseln ist erst vor etwa 10 Jahren neu entbrannt. Grundlage war ein internationales Gesetz, das die Grenzziehung von Wirtschaftszonen auf Hoher See regelt. Von der Souveränität hängt ab, wer die umliegenden Gewässer wirtschaftlich nutzen darf. Ab da war es nicht mehr nur eine unbewohnte Inselgruppe, sondern betraf die wirtschaftlichen Interessen beider Länder. "
Japan beansprucht die Diaoyu-Inseln seit einem Sieg über China im Krieg von 1895. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Territorium von den USA verwaltet und 1972 an Tokio zurückgegeben. Damit kontrolliert es auch die Transportwege zu den umstrittenen Energie-Vorkommen im ostchinesischen Meer. Japanische Experten vermuten dort etwa 200 Milliarden Kubikmeter Gas, was den eigenen Bedarf für über zwei Jahre stillen würde. Die Regierung in Tokio zählt das Gebiet zu ihrer Wirtschaftszone, hat Peking aber angeboten, die Quellen gemeinsam zu erschließen. China hat auf solche Angebote bisher nicht reagiert, weil es die von Japan festgelegte territoriale Grenze im Meer nicht anerkennt. Da Dass der schwelende Konflikt zwischen ihnen eskaliert war, lag jedoch weder an Territorialstreitigkeiten noch an der Nutzung von Energiequellen oder an der Geschichtsklitterung in einigen Schulbüchern. Das waren altbekannte Probleme im Vergleich zu einem viel wichtigeren, das plötzlich an Brisanz gewann: Japans Taiwan-Politik. Die japanische Regierung änderte im Februar ihre Verteidigungs-Doktrin und formulierte eigene Interessen in Bezug auf Taiwan. Das, so meint der Hongkonger Politikprofessor Joseph Cheng, ließ in Peking bei der kommunistischen Führung die Alarmglocken schrillen:
"Vor zwei Monaten gaben Japan und die USA im Zuge einer gemeinsamen Sicherheits-Konferenz eine Erklärung über strategische Interessen heraus. Darin bekundeten sie ihren Wunsch, dass die Taiwan-Frage friedlich gelöst werden sollte. In den Augen Pekings war dies eine alarmierende Entwicklung, denn es war das erste Mal, dass beide Seiten Taiwan ausdrücklich als Teil ihrer politischen Strategie erwähnten. Ich gehe davon aus, dass dies der entscheidende Grund war, weswegen China eine so harte Linie gegenüber Japan einschlug und die anti-japanischen Proteste im eigenen Land tolerierte. "
Chinas Jugend wurde zum Erfüllungsgehilfen der nationalistischen Politik Pekings. Mit demselben Eifer, mit dem sie jahrelang japanische Vorbilder kopiert hatte, skandierte sie nun Schmähparolen gegen Japan. Wie aus dem Lehrbuch der kommunistischen Propaganda und ohne viel nachzudenken, so wie die 23jährige Geschichts-Studentin Jing:
"Ich hege starke Abneigung gegen die Japaner. Ich weiß zwar nicht viel über japanische Geschichte. Aber ich habe auch kein Interesse nach Japan zu fahren. "
Etwas geschichtsbewusster gab sich ihr Mitstudent Song Minyao:
"Ihr Deutschen wart so vorbildlich! Ihr habt Eure historischen Fehler und Eure Verantwortung dafür nicht verleugnet. "
Obwohl der Vergleich mit Deutschland etwas hinkt – schließlich konnte man Japan nicht systematischen Völkermord vorwerfen, sondern die Gräueltaten seiner Armee – fiel er immer wieder im Zusammenhang mit der Forderung nach einer echten Vergangenheits-Bewältigung. Die Deutschen hätten nicht nur bereut, schrieb das Pekinger Parteiorgan Volkszeitung, sondern auch ihre Jugend in diesem Sinne erzogen. Rechtsextreme Aktionen seien gesellschaftlich verpönt, das müssten sich die Japaner zum Vorbild nehmen. Professor Cheng aus Hongkong findet den Vergleich richtig, aber aus einem viel wichtigeren Grund:
"Das deutsche Beispiel ist deshalb so wichtig, weil die Haltung der Deutschen den Weg bereitet hat für die europäische Integration, durch bessere Beziehungen zu Frankreich etwa. Dagegen finden Sie bis heute keine bedeutenden regionalen oder internationalen Partnerschaften in Ostasien, schon gar nicht zwischen China und Japan. Selbst in deren Politik gegenüber ASEAN, der Organisation Südostasiatischer Staaten, ist mehr Wettbewerb als Zusammenarbeit erkennbar. "
Jenseits aller Rhetorik betrachtet China seinen wichtigsten Nachbarn zuerst als Rivalen denn als Partner. Obwohl die Wirtschafts-Beziehungen zwischen beiden Ländern florieren. Mit einem Handelsvolumen von 165 Milliarden Euro ist China zum wichtigsten Handelspartner Japans geworden, erst im vergangenen Jahr hat es den USA diesen Rang abgelaufen. 100-tausend Japaner leben im Reich der Mitte und 16-tausend japanische Unternehmen machen dort gute Geschäfte. Ihre Produkte genießen unter jungen Chinesen einen guten Ruf, ungeachtet der jüngsten Boykott-Drohungen. Sowohl Tokio als auch Peking haben betont, dass sie diese Beziehung nicht aufs Spiel setzen wollen. Dafür sind nach Ansicht von Joseph Cheng jedoch stärkere politische Anstrengungen nötig. China dürfe Japan nicht weiterhin die Rolle des Buhmannes zuschanzen, wann immer es ins nationalistische Kalkül passt:
"Ich denke, beide wissen, dass eine politische Partnerschaft unverzichtbar ist, sonst fehlt der wirtschaftlichen Beziehung jede Grundlage.(..) Beide wollen ihren internationalen Einfluss allmählich vergrößern. Das könnte ihnen gelingen, indem sie wie Deutschland und Frankreich zusammen arbeiten, statt gegeneinander. Japan muss seinerseits erkennen, dass es nichts gewinnen kann, wenn es sich nur auf die USA stützt, schon gar nicht das Vertrauen anderer Länder in der Region."
"Ich hasse die Japaner! "
"Ich finde es ärgerlich, wie sie die Geschichte verdrehen! "
"Der Krieg ist 60 Jahre zu Ende, aber Japan hat sich nie bei China entschuldigt. Darauf warten viele Chinesen bis heute. Erst wenn Japan endlich seine Geschichte aufarbeitet, können beide Länder in Frieden leben. "
Über das Internet und SMS-Botschaften waren Aufrufe zu Demonstrationen in ganz China verbreitet worden. Erst als die Stimmung zwischen Tokio und Peking nahe am Gefrierpunkt lag, pfiff Chinas Regierung ihre Bevölkerung zurück. Der Politikwissenschafter Joseph Cheng von der Hongkonger City University sieht dahinter ein klares politisches Kalkül:
"Die chinesische Regierung duldete die Proteste, weil sie damit ein starkes Signal an Japan aussenden wollte. Und sie wusste, dass sie sich mit einer Unterbindung der Proteste sehr unbeliebt gemacht hätte. So schien es ihr klüger, der Bevölkerung eine kurzzeitige Möglichkeit einzuräumen, ihrem Ärger Luft zu machen. Obwohl sie genau weiß, dass die Förderung des Nationalismus ein zweischneidiges Schwert sein kann: heute marschieren die Menschen gegen Japan und morgen gegen die eigene Regierung. Deshalb war sie sehr darauf bedacht, dass die Situation nicht außer Kontrolle geriet. "
Dem Pekinger Regime steckt die Angst in den Knochen, dass sich eine Situation wie 1989 wiederholen könnte, als wochenlange Studentenproteste die Autorität der kommunistischen Regierung bedrohten. Damals begannen die Unruhen mit Demonstrationen gegen die Korruption. Diesmal war der Auslöser ein Streit um neu aufgelegte japanische Schulbücher, die Gräueltaten japanischer Truppen in China während des Zweiten Weltkriegs verharmlosen. Den meisten Chinesen ist nicht bewusst, dass sich bereits vor 10 Jahren Japans damaliger Ministerpräsident Murayama bei China für die Kriegsverbrechen entschuldigt hat. Sie sind aufgewachsen mit einer kommunistischen Propaganda, die Chinesen ausschließlich als Opfer und Japaner als unbeugsames Tätervolk darstellt, sagt Geschichtsprofessor Zhang Xuefeng:
"Die Filme und Romane über die Zeit des anti-japanischen Krieges haben die Meinung chinesischer Jugendlicher stark beeinflusst. Die Frage ist, ob China solche Filme produzieren sollte. Aus Japans Sicht natürlich nicht. Aber für China ist der Anti-Japanische Krieg ein unerschöpfliches Thema, das die Regierung nie aufgeben wird. "
Zhang lehrt Geschichte an der Universität von Nanjing, die Stadt, die als Symbol für eines der schlimmsten Massaker an Zivilisten in die Geschichte eingegangen ist. 1931 hatten die Japaner die Mandschurei in Nordchina besetzt und dort ein Marionetten-Regime unter der Herrschaft des letzten chinesischen Kaisers Pu Yi installiert. Doch ihr eigentlicher Invasions-Feldzug in China begann 1937, als sie von Peking aus nach Süden vorstießen. Zuerst fiel Shanghai, am 13. Dezember kapitulierte das weiter westlich am Yangtse-Strom gelegene Nanjing, damals noch Nanking genannt. Innerhalb von 6 Wochen wurden dort 300-tausend Zivilisten und gefangene Soldaten von den japanischen Invasoren regelrecht abgeschlachtet. Zhang Xuefeng wurde zwar erst 25 Jahre später geboren, doch Eltern und Großeltern hielten die Erinnerung lebendig:
"Auch meine Familie litt unter den japanischen Invasoren, immer wieder haben mir meine Großeltern davon erzählt. (...) Alle Kinder in meinem Alter kannten die Geschichte dieser Kriegsjahre schon ab der Grundschule. Sie wird von Generation zu Generation weiter getragen, deswegen kennen sie auch die heutigen Studenten, die erst in den 80er Jahren geboren sind. "
Der 82jährige Mu Xifu ist einer der letzten Überlebenden des Nanjing-Massakers. 14 Jahre alt war er, als die japanischen Truppen anrückten, ein Junge voller Angst, aber auch unbezähmbarer Neugier. Obwohl es ihm die Eltern verboten hatten, schlich er in einer Nacht im Dezember 1937 durch Nanjings Straßen und sah das Grauen mit eigenen Augen:
"Alles war mit Leichen übersät, die Straßen, selbst die Flüsse. (..) ich habe gesehen, wie Menschen wahllos erstochen wurden, auch viele Kinder. Ich hörte die Schreie derjenigen, die man lebendig begraben hatte. Viele Familien hatten unterirdische Höhlen gegraben, um sich zu verstecken. Die wurden zur Falle, weil die Japaner sie dort hineinstießen und mit Erde zuschütteten. (..) Seitdem hasse ich die Japaner, heute noch so stark wie vor 60 Jahren. "
Mu’s gesamte Familie überlebte die Invasion in einer von Ausländern errichteten Sicherheitszone in Nanjing. Sie fanden Zuflucht im Hof ihres Nachbarn, eines deutschen Geschäftsmannes namens John Rabe, der sie und Tausende anderer Flüchtlinge gegen die marodierenden japanischen Truppen verteidigte:
"Die japanischen Tiefflieger wagten es nicht, den Hof zu bombardieren, weil dort deutsche Fahnen wehten. (..) Einmal kletterte ein japanischer Soldat über die Mauer in den Garten. Er hat nicht geschossen, sondern sich nur umgesehen. Rabe brüllte ihn an und zwang ihn, auf demselben Weg wieder abzuhauen. "
Andere überlebten, weil sie sich bei Massen-Erschießungen tot stellten, viele Frauen, weil sie in japanischen Soldaten-Bordellen als Zwangsprostituierte dienen mussten. Dank ihrer Zeugen-Aussagen vor dem Tokioter Kriegsverbrecher-Tribunal wurden einige der Täter überführt und verurteilt. Doch eine Entschädigung haben die Opfer nie bekommen. Das war auch die Schuld der chinesischen Regierung. Mao Zedong hatte im Friedensvertrag von 1952 auf Reparationen von Japan verzichtet und jede Forderung an Tokio jahrzehntelang aus politischen Gründen hintangestellt. Selbst nachdem die einstigen Kriegsgegner ihre Beziehungen wieder normalisierten, dauerte es noch 20 Jahre, bis die ersten Opfer vor japanischen Gerichten wegen erlittener Verletzungen und Demütigungen klagten. Der Nanjinger Anwalt Liu Huiming hat 87 chinesische "Trostfrauen" vertreten, ein zynische Beschönigung für die von japanischen Truppen Zwangs-Prostituierten:
"Selbst nach der Unterzeichnung des Friedensvertrags mit Japan 1978 wussten viele Chinesen nicht, dass man vor ein japanisches Gericht ziehen konnte, um auf Entschädigung zu klagen. Bis heute ist China in dieser Frage rückständig. Und ehrlich gesagt, wenn das jemand noch vor 20 Jahren versucht hätte, wäre die chinesische Regierung eingeschritten, weil sie das bilaterale Verhältnis nicht belasten wollte. Erst Anfang der 90er Jahre regten einige Volkskongress-Abgeordnete solche Klagen an. "
Keine einzige dieser Klagen war bisher erfolgreich. Japanische Gerichte lehnten sie unter Hinweis auf die Nachkriegsverträge und Chinas damaligen Verzicht ab. Das wird sich nicht ändern, solange Japan seine Kriegsvergangenheit nicht vollständig aufarbeitet, fürchtet Anwalt Liu. Deshalb sieht er seine ehrenamtliche Arbeit auch als politisches Druckmittel:
"Die Entschädigung ist eine Sache, aber wir können zumindest die Tatsache in den Köpfen verankern, dass China unter der japanischen Besatzung entsetzlich gelitten hat. Durch Sammelklagen können wir Regierung und Gesellschaft in Japan unter Druck setzen, und sie daran erinnern, dass viele historische Probleme nicht gelöst sind. "
Befremdlich wirkt, dass China gerade jetzt diese Kriegsvergangenheit ans Licht zerrt, noch dazu, wo es sich mit seinen eigenen historischen Problemen nie auseinandergesetzt hat. So wird weder an die Opfer der Unruhen von 1989 erinnert, noch an jene der kommunistischen Kulturrevolution Ende der 60er Jahre, die in die Millionen gingen. Erst ein halbes Jahrhundert nach dem Massaker von Nanjing wurde in der Stadt eine Gedenkstätte für die Opfer der japanischen Invasion errichtet.
Täglich werden hier 10- bis 20-tausend Besucher durchgeschleust, darunter viele chinesische und auch japanische Schülergruppen. Die Ausstellung ist erfrischend sachlich und informativ gestaltet, keine Indoktrination mit dem kommunistischen Holzhammer. Aber das Ziel einer nationalistischen Erziehung ist doch unverkennbar, wenn Direktor Zhu Chengshan erklärt, welche Absicht hinter dem Museum steckt:
"Unser Leitmotiv lautet: "die richtige Erinnerung ist eine gute Lehre für die Zukunft." (..) Wir sollten die Geschichte als Spiegel betrachten. Die Besucher hier erfahren von einer Zeit, als unser Land schwach war und von den Japanern gedemütigt wurde. Wir müssen daraus lernen, um China stark zu machen. "
Japan hat zwar keine Reparationen gezahlt, aber durch 300 Millionen Euro Entwicklungshilfe zum Wiederaufbau Chinas beigetragen. 1972 nahmen beide Länder wieder diplomatische Beziehungen auf, sechs Jahre später schlossen sie einen Freundschaftsvertrag und Chinas Regierung warb um das Geld japanischer Investoren. Damals ein wirtschaftlicher Zwerg, stellte sie Japans Vorherrschaft in Asien nicht in Frage, doch gut 30 Jahre später hat sich das Verhältnis umgekehrt. Mit dem chinesischen Wirtschaftsboom ist auch ein neues politisches Selbstbewusstsein erwacht, das Studenten wie Lu Yunfei zu glühenden Patrioten und Aktivisten geformt hat:
"Ich bin 1975 geboren, mitten hinein in eine Zeit, die wir als Flitterwochen der chinesisch-japanischen Annäherung bezeichnen. Als Kind liebte ich japanische Filme und Filmstars, und auch japanische Cartoons. Damals hatten weder ich noch meine Freunde irgendwelche anti-japanischen Gefühle. Doch mit Beginn der 90er Jahre verzeichnete Chinas Wirtschaft einen unglaublichen Aufschwung, während Japan gleichzeitig mit einer Rezession kämpfte. Leider zogen viele Konservative in Japan daraus den Schluss, dass dies Chinas Schuld war. Lächerlich! Aber daraus entstand unsere anti-japanische Bewegung. "
Lu Yunfei ist Mitbegründer der so genannten "Patriotischen Allianz zur Verteidigung der Diaoyu-Inseln", einer anti-japanischen Pekinger Bürgerinitiative mit diffusem Rechts-Status. Ere E hat zahlreiche Proteste und Unterschriften-Aktionen organisiert, gegen Japans Bemühen um einen Ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat, gegen den Kauf des Shinkansen für die Eisenbahn-Strecke Peking-Shanghai sowie für Entschädigungszahlungen an die Opfer japanischer Giftgas-Bomben aus dem Zweiten Weltkrieg. Mehr als eine Million Sympathisanten hätten unterschrieben, brüstete sich der 30jährige, man habe vor der japanischen Botschaft einen Papierstapel abgelegt, der einen Meter hoch gewesen sei. Als größten Erfolg bezeichnet er jedoch die Landung von sieben chinesischen Aktivisten auf den unbewohnten Diaoyu-Inseln, auf japanisch Senkaku genannt. Beim ersten Versuch im Jahr 1996 war ein Hongkonger Aktivist ertrunken. Anfang 2004 setzten Lu und seine Mitstreiter Peking und Tokio erneut unter Zugzwang:
"Wir starteten einen Überraschungs-Angriff. Im Internet hatten wir verbreitet, dass es am 28.März losgehen sollte. Tatsächlich aber starteten wir 6 Tage früher von Zhejiang aus, und so waren unsere Boote nur noch drei Seemeilen von den Inseln entfernt, als uns die Küstenwache entdeckte. (..) Die Japaner versuchten, uns mit einem Leichtboot nachzusetzen, aber wir hielten sie mit simplen, 4-Meter langen Stäben auf Distanz. Dann teilten wir uns auf mehrere Boote auf, so dass sie nicht wussten, wen sie zuerst verfolgen sollten. So landeten unsere zwei Schlauchboote mit 7 Aktivisten auf einer der Diaoyu-Inseln. Die Nachricht schlug im Internet wie eine Bombe ein, und bis zum Morgen des 24. März 2004 war die Landung unserer Truppe ein Ereignis von historischer Bedeutung geworden. "
Die China-Aktivisten wurden festgenommen und nach Tokio gebracht, nach einigem politischen Geplänkel aber wieder freigelassen. Noch 1978 hatte Chinas Parteichef Deng Xiaoping angeregt, die Klärung der Inselfrage künftigen Generationen zu überlassen. Jetzt nutzte Pekings Regime die eigenmächtige Aktion, um seinen Anspruch auf den unwirtlichen Archipel zu untermauern: 5,3 Quadratkilometer nackte Felsen ohne Trinkwasserquellen, 160 Kilometer nordöstlich von Taiwan, und etwa 400 Kilometer westlich von Okinawa. Sie hatten so lange niemanden interessiert, bis man dort umfangreiche Öl- und Gasvorkommen entdeckte, erklärt Historiker Zhang Xuefeng:
"Der Streit um die Diaoyu-Inseln ist erst vor etwa 10 Jahren neu entbrannt. Grundlage war ein internationales Gesetz, das die Grenzziehung von Wirtschaftszonen auf Hoher See regelt. Von der Souveränität hängt ab, wer die umliegenden Gewässer wirtschaftlich nutzen darf. Ab da war es nicht mehr nur eine unbewohnte Inselgruppe, sondern betraf die wirtschaftlichen Interessen beider Länder. "
Japan beansprucht die Diaoyu-Inseln seit einem Sieg über China im Krieg von 1895. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Territorium von den USA verwaltet und 1972 an Tokio zurückgegeben. Damit kontrolliert es auch die Transportwege zu den umstrittenen Energie-Vorkommen im ostchinesischen Meer. Japanische Experten vermuten dort etwa 200 Milliarden Kubikmeter Gas, was den eigenen Bedarf für über zwei Jahre stillen würde. Die Regierung in Tokio zählt das Gebiet zu ihrer Wirtschaftszone, hat Peking aber angeboten, die Quellen gemeinsam zu erschließen. China hat auf solche Angebote bisher nicht reagiert, weil es die von Japan festgelegte territoriale Grenze im Meer nicht anerkennt. Da Dass der schwelende Konflikt zwischen ihnen eskaliert war, lag jedoch weder an Territorialstreitigkeiten noch an der Nutzung von Energiequellen oder an der Geschichtsklitterung in einigen Schulbüchern. Das waren altbekannte Probleme im Vergleich zu einem viel wichtigeren, das plötzlich an Brisanz gewann: Japans Taiwan-Politik. Die japanische Regierung änderte im Februar ihre Verteidigungs-Doktrin und formulierte eigene Interessen in Bezug auf Taiwan. Das, so meint der Hongkonger Politikprofessor Joseph Cheng, ließ in Peking bei der kommunistischen Führung die Alarmglocken schrillen:
"Vor zwei Monaten gaben Japan und die USA im Zuge einer gemeinsamen Sicherheits-Konferenz eine Erklärung über strategische Interessen heraus. Darin bekundeten sie ihren Wunsch, dass die Taiwan-Frage friedlich gelöst werden sollte. In den Augen Pekings war dies eine alarmierende Entwicklung, denn es war das erste Mal, dass beide Seiten Taiwan ausdrücklich als Teil ihrer politischen Strategie erwähnten. Ich gehe davon aus, dass dies der entscheidende Grund war, weswegen China eine so harte Linie gegenüber Japan einschlug und die anti-japanischen Proteste im eigenen Land tolerierte. "
Chinas Jugend wurde zum Erfüllungsgehilfen der nationalistischen Politik Pekings. Mit demselben Eifer, mit dem sie jahrelang japanische Vorbilder kopiert hatte, skandierte sie nun Schmähparolen gegen Japan. Wie aus dem Lehrbuch der kommunistischen Propaganda und ohne viel nachzudenken, so wie die 23jährige Geschichts-Studentin Jing:
"Ich hege starke Abneigung gegen die Japaner. Ich weiß zwar nicht viel über japanische Geschichte. Aber ich habe auch kein Interesse nach Japan zu fahren. "
Etwas geschichtsbewusster gab sich ihr Mitstudent Song Minyao:
"Ihr Deutschen wart so vorbildlich! Ihr habt Eure historischen Fehler und Eure Verantwortung dafür nicht verleugnet. "
Obwohl der Vergleich mit Deutschland etwas hinkt – schließlich konnte man Japan nicht systematischen Völkermord vorwerfen, sondern die Gräueltaten seiner Armee – fiel er immer wieder im Zusammenhang mit der Forderung nach einer echten Vergangenheits-Bewältigung. Die Deutschen hätten nicht nur bereut, schrieb das Pekinger Parteiorgan Volkszeitung, sondern auch ihre Jugend in diesem Sinne erzogen. Rechtsextreme Aktionen seien gesellschaftlich verpönt, das müssten sich die Japaner zum Vorbild nehmen. Professor Cheng aus Hongkong findet den Vergleich richtig, aber aus einem viel wichtigeren Grund:
"Das deutsche Beispiel ist deshalb so wichtig, weil die Haltung der Deutschen den Weg bereitet hat für die europäische Integration, durch bessere Beziehungen zu Frankreich etwa. Dagegen finden Sie bis heute keine bedeutenden regionalen oder internationalen Partnerschaften in Ostasien, schon gar nicht zwischen China und Japan. Selbst in deren Politik gegenüber ASEAN, der Organisation Südostasiatischer Staaten, ist mehr Wettbewerb als Zusammenarbeit erkennbar. "
Jenseits aller Rhetorik betrachtet China seinen wichtigsten Nachbarn zuerst als Rivalen denn als Partner. Obwohl die Wirtschafts-Beziehungen zwischen beiden Ländern florieren. Mit einem Handelsvolumen von 165 Milliarden Euro ist China zum wichtigsten Handelspartner Japans geworden, erst im vergangenen Jahr hat es den USA diesen Rang abgelaufen. 100-tausend Japaner leben im Reich der Mitte und 16-tausend japanische Unternehmen machen dort gute Geschäfte. Ihre Produkte genießen unter jungen Chinesen einen guten Ruf, ungeachtet der jüngsten Boykott-Drohungen. Sowohl Tokio als auch Peking haben betont, dass sie diese Beziehung nicht aufs Spiel setzen wollen. Dafür sind nach Ansicht von Joseph Cheng jedoch stärkere politische Anstrengungen nötig. China dürfe Japan nicht weiterhin die Rolle des Buhmannes zuschanzen, wann immer es ins nationalistische Kalkül passt:
"Ich denke, beide wissen, dass eine politische Partnerschaft unverzichtbar ist, sonst fehlt der wirtschaftlichen Beziehung jede Grundlage.(..) Beide wollen ihren internationalen Einfluss allmählich vergrößern. Das könnte ihnen gelingen, indem sie wie Deutschland und Frankreich zusammen arbeiten, statt gegeneinander. Japan muss seinerseits erkennen, dass es nichts gewinnen kann, wenn es sich nur auf die USA stützt, schon gar nicht das Vertrauen anderer Länder in der Region."