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Vom Winde verweht

Biologie. - Jedes Jahr tragen interkontinentale Staubstürme fünf Milliarden Tonnen Erde von Kontinent zu Kontinent. Das globale Windsystem könnte jedoch nicht nur Staub mit sich tragen, sondern auch Mikroorganismen, etwa Krankheitserreger.

Von Dagmar Röhrlich | 17.03.2005
    Ihre Ausdehnung kann riesig sein: Manchmal fegen Sandwolken von der Größe Spaniens über den Atlantik. Wenn das passiert, tragen gewaltige Stürme in Nordafrika Sand bis hinauf in 5.000 Meter Höhe: Von da aus besorgen dann die Windsysteme den Transport über den Atlantik. Dabei reisen da nicht nur Staub und Sand durch die Luft. Vielmehr nehmen auch Mikroben die Gelegenheit wahr - etwa für einen Mitflug in die Karibik.

    "Wir konnten dort im Saharastaub viele verschiedene Mikroorganismen identifizieren. Sie werden zusammen mit den Mineralkörnchen aufgewirbelt oder sie kleben direkt daran. Etliche der Mikroben konnten wir im Labor kultivieren. Und immerhin ein Drittel sind Pathogene, könnten also Pflanzen, Tiere oder Menschen krank machen."

    Christina Kellogg vom Amerikanischen Geologischen Dienst USGS in St. Petersburg, Florida. Fünf bis sieben Tage dauert die Luftfracht aus dem nordafrikanischen Mali zum Golf von Mexiko. Währenddessen dient der Staub den Bakterien, Viren und Pilzsporen nicht nur als Transportmedium. Er bietet ihnen auch Lebensraum, schützt sie ganz gut vor der gefährlichen UV-Strahlung der Sonne. An "Staubtagen" landen in den karibischen Messstationen vier- bis zehnmal mehr Mikroben als normal.

    "Einige der Pathogene könnten Getreide- oder Obstbaumkrankheiten verursachen. Wir finden Staphylokokken, die den vom Aussterben bedrohten Meeresschildkröten gefährlich werden. Andere Erreger könnten Infektionen bei immungeschwächten Patienten hervorrufen."
    Dass die Staubwolken mehr als eine Belästigung sind, dämmerte den USGS-Forschern beim Blick auf eine Zeittafel: 1983 trafen starke Staubstürme aus der Sahara zeitlich mit einem großen Korallen- und Seeigelsterben in der Karibik zusammen. Ökologen vermuteten einen unbekannten Erreger, konnten aber seine blitzartige Verbreitung nicht erklären. Kellogg:

    "Das Korallen- und Seeigelsterben passierte gleichzeitig in der gesamten Karibik. Bei weiteren Untersuchungen sahen wir, dass in der Karibik seit den 60er Jahren Krankheiten wie die Korallenbleiche immer dann auftreten, wenn sehr große Staubmengen aus Afrika angeweht werden."
    Bald darauf entdeckten die Forscher, dass ein Bodenpilz das Riffsterben im Golf von Mexiko verursacht hatte. Weil sich der Pilz aber nicht im Meerwasser vermehren kann, musste er in großen Mengen vom Festland ins Meer transportiert werden. Da passt es, dass die Forscher genau ihn im Saharastaub isolieren. Kellogg:

    "Zwar hat es Staubstürme schon immer gegeben, aber der Mensch verändert ihre Fracht. Heute weht durch die lang andauernde Dürre im Sahel oder der Sahara mehr Staub herüber als früher. Die Böden trocknen aus, werden vom Wind abgeschliffen und die Partikelchen samt Bakterien aufgewirbelt. Weil heute mehr Menschen und Tierherden dort leben, steigt der Gehalt an Fäkalbakterien. Außerdem ist der Staub chemisch belastet, etwa durch Pestizide. Dann wird in Afrika der Müll meist verbrannt, auch Plastik oder Reifen. Die Verbindungen, die dabei entstehen, finden wir im Staub. Das alles kann den chemischen Unterschied zu früher ausmachen."

    Die Chemikalien im Staub-Cocktail verringern die Widerstandskraft der Meerestiere – sie werden anfälliger für Krankheitserreger. Die haben dann leichtes Spiel. Vielleicht birgt dieser Cocktail auch eine Bedrohung für die menschliche Gesundheit. Christina Kellogg:

    "Wir atmen die Partikel ein – und damit auch die Bakterien oder Pilzsporen. Manche können Asthma oder allergische Reaktionen hervorrufen – und die Karibik gehört zu den Gebieten mit der höchsten Asthmarate weltweit. Wir arbeiten mit Medizinern zusammen und die konnten inzwischen einen Zusammenhang zwischen akuten Asthmaanfällen und dem Eintreffen von afrikanischem Staub herstellen. Ob und wie oft dabei Krankheitserreger eine Rolle spielen, muss sich erst noch herausstellen."

    Um wirklich Schaden anrichten zu können, muss jedoch die Dichte der Erreger hoch genug sein. Das ist anscheinend nur bei wenigen der Fall – wie etwa dem Bodenpilz aus Nordafrika.