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Vom Winde verweht

Ökologie. - Pro Jahr verschwindet wegen Trockenheit eine bis zu einem Zentimeter dicke Bodenschicht von Schleswig-Holsteins Äckern. Deshalb untersuchen Geographen und Bodenkundler der Uni Kiel in einem speziellen Windkanal, wie Windbewegungen im hohen Norden zu Bodenerosion führen.

Von Michael Wieczorek |
    Eine Halle auf dem Gelände der Universität Kiel. Auf dem Boden breitet Michaela Bach eine große Plastikplane aus. Zuvor war darin eine Erdprobe luftdicht eingepackt. Mit einem Spaten zerteilt sie die Erdklumpen in kleinere Portionen. Dann hört man, wie eine Turbine eingeschaltet wird:

    Nur langsam dreht sich der alte Motor und braucht scheinbar etwas länger, um auf die gewünschte Drehzahl zu kommen. Wie ein eckiger Schornstein, der auf der Seite liegt, schließt sich ein zwölf Meter langer Windkanal an die Turbine an.

    " Der Windkanal saugt über eine große Turbine halt die Raumluft an und drückt sie mit einer definierten Geschwindigkeit durch den Windkanal durch. "

    Und erzeugt dabei bis zu zwölf Windstärken, erklärt die Doktorandin vom Geographischen Institut der Universität Kiel. Der künstlich erzeugte Wind bläst in diesem Tunnel über die Bodenproben hinweg und trocknet sie aus. Dabei nimmt er jedes Mal winzige Staubkörner mit. Am anderen Ende des Windkanals hängen in sechs unterschiedlichen Höhen Auffangbehälter, die die aufgewirbelten Bodenpartikel einfangen:

    " Uns interessiert zum Einen der Transport, also Teilchen welcher Größe werden in welchen Höhen transportiert und dann schauen wir uns an, woraus dieses material in den unterschiedlichen Höhen zusammengesetzt ist: Wie viel mineralische Substanz, wie viel organische Substanz, wie viel Nährstoffe sind in unterschiedlichen Höhen an dieses Material gebunden und vor allem, Partikel welcher Größe finden wir wieder. "

    Besonders im April und Mai, wenn auf den Feldern noch wenig wächst, ist dieses Phänomen immer wieder zu beobachten. Der Wind fegt über die kahlen Schollen und wirbelt die knochentrockenen Partikel auf. In dem Kieler Forschungsprojekt wird das simuliert, was so manchem Landwirt schon heute Kopfzerbrechen bereitet. Kristine Fruhner vom Kieler Institut für Pflanzenernährung und Bodenkunde:

    " Also, wenn Wind über die Bodenoberfläche streicht, dann trocknet der halt oberflächennah den Boden stärker aus als mit zunehmender Tiefe. Da ist vergleichbar wie wenn man sich den Föhn einmal zwei Meter vom Kopf weg hält - die Haare werden trocken, aber es dauert eine Stunde - oder irgendwie so zwei Zentimeter vor dem Kopf. "

    An rund elf bis dreizehn Tagen im Jahr fegt ein heftiger Wind über Schleswig-Holsteins Äcker, der scheinbar nur hauchdünne Bodenschichten verweht. Auf Dauer jedoch werden Böden langsam aber sicher unfruchtbar. Ist der Boden zu trocken, hat der Wind gerade mit winzigen Staubkörnern ein leichtes Spiel. Dabei sind ausgerechnet die Äcker von Erosion bedroht, auf denen man zunehmend auf Bioenergie-Lieferanten setzt wie zum Beispiel auf den Mais, so Fruhner:

    " Mais ist halt die Frucht, die den Boden am meisten der Erosionsgefährdung preisgibt, weil es einfach spätbedeckend ist, das heißt es wird erst im Mai bestellt, also gedrillt, das Saatkorn wird ausgesät und dann wächst die Pflanze auf. Und im April, Mai, Juni ist der Boden nur spärlich bewachsen und da weht halt viel Wind und potentiell auch viel Material mit weg. "

    Abgetragen wird dann nicht nur der Ackerboden, sondern auch Nährstoffe, Düngemittel oder auch Pestizide und Blütenstaub. Sie alle gelangen später in die Gewässer oder in die Atemwege. Eine schnelle Lösung gegen die Erosion gibt es schon rein von Natur aus nicht. Das sagt auch der Leiter der Studie, Professor Rainer Horn vom Institut für Pflanzenernährung und Bodenkunde:

    " Man sieht es weltweit natürlich sehr heftig, dass diese Winderosionen durchaus zunehmen und von daher ist die Frage, wieweit kann der Bodenwasserhaushalt überhaupt dazu beitragen, Winderosionen zu reduzieren. Wir müssen davon ausgehen, dass wir nur über eine stärkere Bedeckung - und zwar eine ganzjährige Bodenbedeckung - versuchen könne, die Bodenpartikel festzuhalten. Ohne dem wird es nicht gehen. "

    Dennoch gibt es einige Mittel und Wege, um der Bodenerosion entgegenzusteuern. Maisstoppeln zum Beispiel könnte man bis zur neuen Aussaat stehen lassen oder generell häufiger mit Festmist düngen. Kristine Fruhner:

    " Das Strip-Farming gibt es noch, da werden Streifen an Vegetation stehen gelassen, die halt sinnigerweise senkrecht zur Windrichtung stehen. Kontur-Pflügen -kann man auch machen, das ist eine andere Art, ein Muster irgendwo in diesen Ackerschlag rein zu bringen und so die Windgeschwindigkeit abzubremsen. "

    Zu dem wichtigen Thema des Bodenabtrags und der Nährstoffverluste gibt es bislang kaum Untersuchungen. Doch schon im Herbst diesen Jahres wollen die beiden Doktorandinnen die Versuchsreihe im Kieler Windkanal abschließen und erste Ergebnisse liefern.