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Vom Winde verweht

Wetterprognosen sind für die Wahl der passenden Kleidung wichtig, doch präzise Warnungen vor Sturm oder schwerem Hagel können auch Leben retten. Die Prognose von Extremwetterlagen steht daher im Mittelpunkt eines internationalen Forschungsprogramms in Schwarzwald und Vogesen.

Von Thomas Wagner | 21.09.2011
    "Da kommen wir also weg von Standardaussagen wie: Morgen wird's heiter und wolkig und morgen wird's irgendwo regnen "

    Denn gerade bei der Voraussage von Extremwetterlagen, so Professor Volker Wulfmeyer, Leiter des Institutes für Physik und Meteorologie an der Universität Hohenheim, wären erheblich präzisere Informationen wichtig: Wo genau wird es wie heftig regnen? Und um wie viel Uhr wann? Ist möglicherweise sogar Hagelschlag zu erwarten? Das Ziel sind Prognosen wie diese:

    "Morgen zwischen 12 und 14 Uhr regnet es mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit, sagen wir mal 60 Prozent, in der Region um Freudenstadt-Schwarzwald."

    Und zwar äußerst heftig: Je präziser die Vorhersagen von Extremwetterlagen werden, desto effektiver lassen sich Vorsichtsmaßnahmen ergreifen. Das Forschungsprojekt "Cops", an dem neben Wissenschaftler der Uni Hohenheim auch die Experten des Karlsruher Institutes für Technologie mitgearbeitet haben, beschäftigte sich mit solchen Verbesserungen der Vorhersage. Dabei verwandelte sich der Schwarzwald in das größte meteorologische Freiluftlabor der Welt: Die Wissenschaftler ließen zehn Forschungsflugzeuge über dem Testgebiet kreisen, schickten Dutzende von Wetterballons mit kleinen Funksendern in die Atmosphäre, bepflasterten Wälder und Wiesen mit vielen Hundert kleiner Bodenstationen; sogar der Forschungszeppelin aus Friedrichshafen kam zum Einsatz. Wichtigstes Ergebnis: Für bessere Voraussagen von Starkwetterlagen muss das Netz der meteorologischen Messstationen deutlich dichter geknüpft werden. Und außerdem müssen Daten einfließen, die bislang in der klassischen Wettervorhersage noch keine Rolle spielen - beispielsweise Daten über die Entwicklung der Vegetation, erklärt Volker Wulfmeyer von der Uni Hohenheim:

    "Denn es ist ja so: Wenn die Sonne einstrahlt in einem gewissen Gebiet, in einem Gebirge, dann erwärmt es sich auf dem Berg unterschiedlich als im Tal. Und das Maß der Erwärmung hängt davon ab, welche Landoberflächen man da geschaffen hat. Wie viel verdunstet die Pflanze, die sich in der Gegend befindet? Um wie viel wärmt sich der Boden auf? Das hängt eindeutig von den Pflanzeneigenschaften ab. Und es stellte sich heraus: Wenn also dort die Eigenschaften der Verdunstung und des Wärmetransportes besser simuliert werden, dann bekommen wir auch die Strömungsverhältnisse besser hin. Und die Strömungsverhältnisse sind entscheidend, um die auslösenden Faktoren zu beschreiben, wie und ob ein Gewitter entsteht."

    Daneben haben die Forscher neue Messverfahren erprobt. Dabei nutzen sie GPS-Satelliten, die jedes handelsübliche Navi mit Daten versorgen.

    "Die Ausbreitung solcher elektromagnetischer Signale durch die GPS-Satelliten wird aber sehr stark beeinflusst durch den Wasserdampfgehalt der Atmosphäre. Also den eigentlichen Störeffekt, den man gar nicht so gerne hat, führt dazu, dass man auf der anderen Seite aus dem Störeffekt eine Information gewinnen kann. Und das geschieht so, dass man einfach einen GPS-Empfänger aufstellt und die Rohdaten aufzeichnet und aus den Laufzeitunterschieden daraus schließt, wie viel Wasserdampf in der Atmosphäre ist."

    Eine Information, die die Qualität von Extremwettervorhersagen ganz entscheidend verbessert, erklärt Professor Christoph Kottmeier vom Karlsruher Institut für Technologie. Und wie viele Hundert Teile eines Puzzles ein Ganzes ergeben, sind es beim Forschungsprojekt "Cops" viele kleine Segmente, die die Vorhersage verbessern: Da werden Lichtblitze durch die Atmosphäre geschickt, aus deren Reflexion sich der Gehalt an Aerosolen ablesen lässt; da werden Sensoren für Verkehrsflugzeuge entwickelt, die aus großer Höhe wichtige Daten zur Erde funken. Aus all den gewonnenen Daten entwickelten die Experten in Hohenheim und in Karlsruhe in jahrelanger Kleinarbeit Simulationsmodelle der neuen Generation - mit Erfolg. So gelang es beispielsweise, ein Gewitter über einer bestimmten Stadt 14 Stunden vorab zu prognostizieren; mit herkömmlichen Modellen ist dies nur zwei bis drei Stunden vorher möglich - und das auch noch mit großer örtlicher Unschärfe. Nun liegt es an den Wetterdiensten, die Ergebnisse und Simulationsmodelle in den praktischen Vorhersagealltag umzusetzen. Das Projektteam arbeitet dabei bereits mit dem Deutschen Wetterdienst zusammen. Denn es geht dabei um viel, meint Volker Wulfmeyer:

    "Es gibt ja auch ein extremes Schadenspotenzial durch extreme Ereignisse. Sie können Schäden in Millionenhöhe verursachen. Dann gibt es die Hochwasservorhersage natürlich, Überschwemmungen, ein riesiges Desaster, die auch viel Schaden für die Betroffenen darstellen können. Hier möchten wir darauf hinweisen, und zwar mit guter Wahrscheinlichkeit, frühzeitig: Dort könnte ein Hochwasser auftreten. Der Katastrophenschutz wird davon überzeugt sein, Leute rauszuschicken, sodass wir auch Vorlaufzeit haben in einer gewissen Region, um gewisse Werte, aber auch die Bevölkerung schützen zu können."