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Von A bis Z - Letter, die Geschichten erzählen

Schöne Schriften haben oft eine eigene Ästhetik. Anja Schulze und Barbara Dechant sammeln besondere Buchstaben, die Geschichten über Gebäude, Firmen und Menschen erzählen. Gezeigt werden die Letter nach zwei Provisorien nun in einem hellen Berliner Showroom in der Nähe der Spree.

Von Dirk Fuhrig | 08.08.2013
    Die neue Heimat der Buchstaben ist eine glänzend weiß gestrichene Blechkiste, direkt an einer riesigen Kreuzung.

    "Es ist sehr urban. Wir sind direkt am U-Bahnhof Jannowitzbrücke, nur fünf Minuten vom Alexanderplatz entfernt, mitten in Berlin."

    Gegenüber ein gigantisches Autowasch-Paradies, daneben ein Discounter, um die Ecke das rosa Monster Alexa, Europas hässlichstes Einkaufszentrum – das Areal rund um den Alexanderplatz kann schöne Dinge wie dieses Museum für Schriftdesign, für das eine alte DDR-Kaufhalle, ein HO-Laden, auf Hochglanz poliert wurde, durchaus gebrauchen.

    "Auf der einen Seite vielleicht ein bisschen ungewöhnlich, aber irgendeiner muss ja auch anfangen mit ungewöhnlichen Dingen. Das ist ja auch so typisch für Berlin, dass einer anfängt und irgendwann zieht das nach."

    Barbara Dechant und Anja Schulze haben schon vor vielen Jahren angefangen, Buchstaben zu sammeln. Von A bis Z. Möglichst Große, Gerade und Geschwungene. Manche mit Neonröhren. Solche, die an Wänden hängen oder auf Dächern stehen. Oder über Schaufenstern. Wie der wunderbare Schriftzug im Stil der 50er-Jahre an einem Laden für Aquariumfreunde:

    "Wir haben jetzt hier die Zierfische und ganz neu bekommen den 'Tagesspiegel'-Schriftzug von der Potsdamer Straße. Ansonsten alte Bekannte wie Deutschlandhalle, Rathauspassagen – querbeet."

    Ausgediente Schriftzüge. Überwiegend aus Berlin. Aber nicht nur. Ein in die Jahre gekommenes Logo der Marke Blaupunkt zum Beispiel zählt zu den Preziosen im Archiv. Ebenso das vom Kaufhaus Wertheim. Oder die drei Buchstaben des früheren deutschen Vorzeigekonzerns AEG.

    "Das sind unsere Größten. Das sind die Original-Buchstaben, die auf der Hauptzentrale in Frankfurt waren. Man unterschätzt das, die sind nämlich drei Meter hoch. Man muss sich mal danebenstellen, damit man hoch schauen kann und die dicke Serife von dem A überhaupt sieht."

    Die Schriften, die in der neuen hellen, auch von außen einsehbaren Halle ausgestellt sind, erzählen Geschichten. Von der Stadt, den Menschen und Geschäften, vom Untergang von Kaufhaus-Dynastien, vom Lebensgefühl einer Epoche.

    "Bei mir ist es eher der museale Hintergrund. Dass die Sachen einfach gerettet werden müssen. Also, sie verschwinden aus dem Stadtbild. Durch die Vereinheitlichung verändert sich so eine Stadt. Wenn man in anderen europäischen Städten unterwegs ist, sieht man überall die gleichen Geschäfte. Das macht keinen Reiz mehr aus. Und das ist das, was für Berlin so typisch ist."

    Mehrmals mussten die beiden Designerinnen mit ihrem Museum schon umziehen. Die vielen Buchstaben brauchen Platz, die Sammlung wird immer größer. Die Kaufhalle aus DDR-Zeiten, die jetzt ganz in Design-Weiß erstrahlt, ist schon ziemlich gut. Ein cooler Ort, dessen Zukunft aber ungewiss ist. In ein paar Jahren soll er womöglich abgerissen werden. Noch immer ist kein Mäzen in Sicht, der dem Buchstabenmuseum ein großes und endgültiges Domizil finanziert. Dabei können Buchstaben doch eine so ungeheure Leidenschaft sein:

    "Bei mir geht’s schon vorwiegen um die Formen und Proportionen und Schwünge. Ich fand Buchstaben schon toll, da konnte ich noch nicht lesen. Deshalb fahre ich auch gerne in Länder, wo ich die Zeichen nicht lesen kann. Das ist meine Leidenschaft, ja."

    Große Gefühle für Buchstaben von A bis Z. Barbara Dechant und Anja Schulze zeigen in ihrem ungewöhnlichen Museum, wie emotional bedeutsam so scheinbar vertraute Dinge wie Schriften im öffentlichen Raum sein können. Design im Alltag – dafür gibt es dieses schöne Buchstabenmuseum.