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Von Abramovic bis Warhol

Zu den großen künstlerischen Grenzüberschreitungen gehören die zwischen Bildender Kunst und Kino, Filmkunst und Kunstfilm, Museum und Lichtspieltheater. Dies ist auch zentrales Thema der diesjährigen KunstFilmBiennale in Köln und Bonn. Was derzeit filmisch in der Kunst und künstlerisch im Film passiert, wird dort alljährlich abgebildet.

Von Klaus Gronenborn |
    Der Film ist heute nicht mehr nur auf der Kinoleinwand präsent. Das Medium hat seinen Ort längst auch im Museum gefunden. Die Grenzen zwischen bildender Kunst und Film sind fliessend. Was den Kunstfilm, Filmarbeiten bildender Künstler oder Filme über Kunstwerke von der Filmkunst, von Filmen, für die sich ab den späten 1960er Jahren der Begriff Autorenfilm eingebürgert hat, unterscheidet, ist heute eine Frage des Präsentationskontextes. Im Kino und auf Festivals tote Genres wie der klassische Experimentalfilm erleben gegenwärtig eine Renaissance im Kunstkontext der Museen.

    Kunstfilm oder Filmkunst: Je nachdem welches der Wortbestandteile an die erste Stelle dieses Begriffs rückt, ergibt sich ein neuer Kontext. Die black Box des Kinoraums oder der white Cube des Museums gibt den Wirkungsrahmen vor. Filmemacher wie etwa Harun Farocki haben sich mit ihren Arbeiten weitgehend aus dem Kino in den Museumsraum verabschiedet. Umgekehrt können heute Klassiker der Filmgeschichte im Museumskontext, der mit anderen Zeit- und Raumdimensionen arbeitet, ganz anders neu entdeckt werden. Prominentes Beispiel dafür ist etwa Douglas Gordons 24-Stunden-Projektion des Hitchcock-Filmklassikers "Psycho" als Rauminstallation.

    Ob der klassische Autorenfilm, die Filmkunst jenseits der Eventkultur der Festivals endgültig aus dem Kino auf das Medium der DVD verschwinden, und nur dort in üppigen Editionen als "Director's Cut" mit Bonusmaterial überleben wird, sei dahingestellt. Der Zuschauerschwund der Programmkinos deutet jedenfalls darauf hin.

    Die Wechselwirkung zwischen Kunstfilm und Filmkunst, die insgesamt wachsende Schnittmenge von Museum und Kino als Orten des nicht narrativen Films jenseits des Mainstream-Kinos konnte auf der diesjährigen Köln Bonner KunstFilmBiennale facettenreich besichtigt werden. Klassiker der Performance fanden sich neben rasanten Streifzügen durch Genreklischees der Filmgeschichte. So etwa in dem Film "Palms" von John Bock. Der Berliner Künstler inszenierte seinen Gangsterfilm, der zwei von den karnevalesken Mutations-Plastiken Bocks bedrohte Killer aus Los Angeles in die kalifornische Wüste schickt, als groteske Mixtur zwischen Architekturphantasie und Road-Movie.

    Es gab Animationsfilme im Programm, die die Welt der Dinge auf musikalisch höchst vergnügliche Art und Weise zum Tanzen brachten wie Laurie Simmons' dreiaktiges Musical "The Music of Regret", dem Meryl Streep ihre Stimme lieh.

    Die Entfaltung des dreidimensionalen Raumes auf der zweidimensionalen Fläche inszenierte " Das Modell" von Florian Gwinner. Das auf der KunstFilmBiennale mit dem Förderpreis der VG Bildkunst ausgezeichnete, an der Bauhaus-Universität Weimar entstandene Digitalvideo zeigt eine sechsminütige, sich aus dem Fluchtpunkt der Bildmitte entfernende Kamerarückfahrt. Sie führt von einem zu Beginn nur sparsam imaginierten, dann zunehmend mit dreidimensionalen Alltagsobjekten bestückten, zuletzt realen Raum. Die mit einer weißen Fläche beginnende Miniatur über Bild, Raum und Zeit besticht durch ihre ebenso einfache wie visuell überzeugende Transformation der Zweidimensionalität in die Dreidimensionalität: Ein Kunstfilm, der wie ein visueller Kommentar zur Bandbreite der Arbeiten auf der diesjährigen KunstFilmBiennale gesehen werden konnte.

    Der amerikanischen Malerin Sarah Morris war eine Werkschau ihrer Filme über amerikanische Metropolen gewidmet. Morris' Städteporträts sind Passagen durch die Geometrie urbaner Landschaften. Sie verdichtet diese zu abstrakten Mustern. In ihrem Film über Washington erkundet Morris die Inszenierungs-Geometrie politischer Macht. Ihr Film über Los Angeles zeigt die Choreographie des Film- und Showbusiness auf ganz neue Weise.

    Zu den beeindruckendsten Präsentationen der KunstFilmBiennale zählte Babette Mangoltes "Seven Easy Pieces". Aus der gleichbetitelten siebenstündigen, auf sieben Tage verteilten Performance der Künstlerin Marina Abramovic in der Rotunda des New Yorker Guggenheim Museums destilliert Babette Mangolte ein neunzigminütiges Kunstfilmwerk. Kameraperspektive und Montage versetzen Marina Abramovics Performance in einen intensiven Dialog der Blickwechsel zwischen der Künstlerin und dem Publikum in der Guggenheim-Rotunda. Der wie eine musikalische Partitur aufgeführte Kunstfilm konnte auf der Kino-Leinwand des Filmforums im Kölner Museum Ludwig die Suggestivkraft eines Filmkunstwerks entfalten.