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Von Abzockern und Akrobaten

Die jährlichen Einnahmeausfälle durch Steuerhinterziehung bewegen sich in Deutschland mindestens im zweistelligen Milliarden-Bereich. Betrachtet man die gesamte Schattenwirtschaft, haben Wissenschaftler des Instituts für angewandte Wirtschaftsforschung in Tübingen ein Volumen von knapp 350 Milliarden Euro jährlich errechnet.

Von Constanze Hacke und Tonia Koch |
    "Ich ließ gegenüber dem Stadttor einen Turm bauen, alle Hauptmeuterer schinden und überzog das Gerüst mit ihren Häuten; einige mauerte ich innerhalb des Turmes ein, andere pfählte ich auf Stangen über dem Turm, weitere band ich an Pfähle um den Turm."

    Steuerverweigerung - ein tödliches Vergehen unter der Herrschaft Assurnasirpals in Assyrien im 9. Jahrhundert vor Christus. Das mächtige Land in Vorderasien ist inzwischen untergegangen - samt der drakonischen Steuerstrafen, wie sie damals auch anderswo üblich waren. Gemessen daran sind die Geld- und Haftstrafen unserer Tage vergleichsweise moderate Sanktionen. Dennoch gilt auch heute: Eine Steuer, die nicht eingetrieben wird, ist keine Steuer - und damit keine Einnahme für den Staat. Der Fall Zumwinkel hat das Thema wieder ins Rampenlicht gerückt: Immer wieder gibt es nicht nur in den Boulevardzeitungen Debatten über die Steuermoral von bekannten Größen aus Wirtschaft, Showbiz oder dem Sport. Doch hinter diesen populistischen Titelgeschichten verbirgt sich ein Problem, das nicht nur Prominente betrifft: In unserer Gesellschaft gibt es zahlreiche Steuerakrobaten. Steuern sparen um jeden Preis ist zum Volkssport geworden.

    Steuerhinterziehung und Steuermoral
    Das Ausmaß der Steuerhinterziehung ist naturgemäß schwer zu beziffern. Ähnlich wie bei der Schwarzarbeit sind die Experten hier auf die Kombination aufgedeckter Fälle und auf Schätzungen angewiesen. Sicher ist nur so viel: Die jährlichen Einnahmeausfälle durch Steuerhinterziehung bewegen sich mindestens im zweistelligen Milliarden-Bereich. Betrachtet man die gesamte Schattenwirtschaft, haben Wissenschaftler des Instituts für angewandte Wirtschaftsforschung in Tübingen (IaW) ein Volumen von knapp 350 Milliarden Euro jährlich errechnet. Andere Schätzungen gehen davon aus, dass darüber hinaus etwa 400 Milliarden Euro unversteuertes Vermögen im Ausland geparkt wird. Die fiskalische Bedeutung, die Auswirkung auf die öffentlichen Haushalte, liegt auf der Hand. Das Bundesfinanzministerium wollte es daher vor einiger Zeit genau wissen und beauftragte das IaW herauszufinden, wie es um die Steuermoral in Deutschland bestellt ist. Das Ergebnis ist vielschichtig, wie IaW-Geschäftsführer Günther Klee erläutert:

    "Das Paradoxe ist: Wenn man nur der Theorie des homo oeconomicus folgen würde, müsste das Ausmaß der Steuerhinterziehung eigentlich höher sein, als es der Fall ist. Für diese Diskrepanz macht man die Steuermoral verantwortlich, die Einstellung in der Bevölkerung, seinen steuerlichen Pflichten mehr oder minder getreu nachzukommen. Diese Einstellung hängt von einer Reihe von Faktoren ab, die auch zum Teil von staatlicher oder politischer Seite zu beeinflussen sind. Wenn man so will, ist Steuermoral auch ein Ausdruck der staatlichen Legitimität, die in einer bestimmten Gesellschaft herrscht."

    So fällt die Steuermoral der Bürger im OECD-Vergleich umso besser aus, je größer die Bedeutung direkt-demokratischer Elemente ist. Mit anderen Worten: Haben die Steuerzahler Einflussmöglichkeiten auf einzelne Gesetze, also auf das, was mit ihren Steuern gemacht wird, sind sie eher bereit, die geltenden Steuernormen zu akzeptieren. Dazu kommt: Je dezentraler ein Staat aufgebaut ist, desto höher ist im Durchschnitt die Steuermoral seiner Bürger. Mit seiner Stadt, seiner Gemeinde, seinem Bezirk kann sich der Steuerzahler eher identifizieren und sieht vor Ort, wofür seine Steuergelder ausgegeben werden. Dagegen verwundert es kaum, dass die Steuermoral negativ beeinflusst wird durch eine andere entscheidende Größe: die steigende wirtschaftliche Gesamtbelastung. Wobei die Bürger kaum zwischen Steuern und anderen Abgaben unterscheiden: Der Unterschied zwischen einer Steuer, über deren Verwendung der Steuerzahler nicht mitbestimmen kann, und einer Sozialabgabe, die für eine zunehmend unsicherer werdende Absicherung geleistet wird, spielt keine Rolle. Der Steuerzahler fühlt sich insgesamt unfair behandelt und verhält sich entsprechend. Der Bochumer Steuerrechtler Roman Seer weist dem Staat hierfür eine Mitverantwortung zu:

    "Einmal liegt es an einem ziemlich schlechten Steuerrecht, das ziemlich undurchschaubar ist. Und jeder meint, es sei ein Recht, das einzelne Gruppen begünstigt, und jeder möchte sich gern selbst bedienen in irgendeiner Form. Gleichzeitig zeigt natürlich jeder gerne mit dem Finger auf den anderen, dass dieser die Steuermoral nicht ernst nehmen würde. Das zieht sich glaube ich durch alle Bevölkerungsschichten. Wir vermissen auf der einen Seite eine Besteuerungsmoral des Staates, indem er keine guten Steuergesetze macht, zum anderen muss man sagen, haben wir innerhalb der Bevölkerung eine schlechte Steuermoral, wo man eben Steuerhinterziehung, so ähnlich wie ein Versicherungsbetrug, als Sport, als Cleverness und Ähnliches ansieht."

    Das bestätigen auch die Untersuchungen des IaW: Wer davon ausgeht, dass andere Steuerzahler ihren Pflichten nicht nachkommen, wird darüber nachdenken, ebenfalls nicht alles wahrheitsgemäß beim Finanzamt anzugeben. Fast zwei Drittel der Deutschen sind der Meinung, dass so gut wie alle anderen oder zumindest viele andere Steuern hinterziehen würden, hätten sie die Möglichkeit dazu. Und manch einer fühlt sich dabei sogar im Recht, wie Steuerprofessor Seer erklärt:

    "Bei der Besteuerung von Zinsen sind viele der Auffassung, dass die Besteuerung von Zinsen ungerecht ist, weil sie ja aus einem Vermögen stammen, was sich in seiner Ansammlung bereits versteuert worden ist - nämlich über die Einkommensteuer. So gibt es dann eben, wenn man in das Detail kommt, unterschiedliche Gerechtigkeitsempfinden. Und dann fühlt sich auch derjenige zum Beispiel bei der Zinsbesteuerung in so einer Art Notwehrsituation vermeintlich für sich selbst, und er meint, diese Erträgnisse bei seiner Einkommensteuererklärung verschweigen zu können."

    Steuerhinterziehung also ein Kavaliersdelikt? Untersuchungen belegen dies seit Jahren. Steuerhinterziehung rangiert in aller Regel weiter hinter Delikten wie Alkohol am Steuer oder Diebstahl. Im Auge des Betrachters jedoch steigt die Verwerflichkeit der Tat mit der absoluten Höhe des hinterzogenen Betrags.

    "Von daher ist es schon ein bisschen Ausdruck von einer gewissen Doppelmoral, im kleinen und bescheidenen Umfang wird es irgendwie toleriert und praktiziert, und man empfindet es eben nur als ungerecht und empört sich darüber, weil es auch Leute aus Einkommensklassen tun, die es eigentlich nicht nötig hätten."

    An der deutsch-luxemburgischen Grenze ist das mobile Zollkommando ausgerückt, um Barmittel- und Bargeldkontrollen durchzuführen. Zollfahnder Franz-Josef Fries zuckt die Achseln:

    "Früher war es noch mehr, aber seitdem die Medien über diese ganzen Kontrollen berichten, da gehen die Aufgriffe schon zurück."

    Die Beamten suchen sich zunächst einen Grenzübergang an einer Landstraße aus. Rechtsbelehrung vor geöffneter Wagentür.

    "Bitte melden Sie mir alles mitgebrachte Bargeld an, das Sie mit sich führen, das den Wert von 10.000 Euro hat beziehungsweise übersteigt. Das gleiche gilt für Aktien, Wertpapiere, Edelmetalle und Edelsteine. Ich mache Sie auch jetzt gleichzeitig darauf aufmerksam, dass eine Nichtanmeldung oder eine Falschanmeldung diesbezüglich eine Ordnungswidrigkeit darstellt und dass eventuell der Verdacht der Geldwäsche gegen Sie erhoben werden kann."

    Dieses Mal werden die Beamten nicht fündig. Und die kontrollierten Personen, deren Jackentaschen gewendet und deren Fahrzeuge durchsucht wurden, nehmen die Aktion gelassen.

    "Wenn das nicht gemacht wird, dann haben wir noch mehr Wust in Deutschland. Wir haben grad genug. Es ist gut, dass Kontrollen gemacht werden. Der Fall Zumwinkel weißt ja darauf hin, und ich denke halt, Luxemburg ist auch so ein Pflaster, wo man was unterbringen könnte."

    Seit vor vier Jahren das letzte Teilstück der Autobahn 8 - die Moselquerung bei Perl/Schengen - fertiggestellt wurde, ist es für die Fahnder schwieriger geworden, die deutschen Mittel- und Oberklassefahrzeuge ins Visier zu nehmen, die aus Richtung Luxemburg auf sie zurollen. Ein großes Aufgebot ist nötig, um ein engmaschiges Kontrollnetz zu knüpfen. Autos müssen auf Autobahnparkplätze geleitet werden. Eine der kontrollierten Personen meldet auf Nachfrage 10.000 Euro. Für den erfahrenen Zollkontrolleur Franz-Josef Fries eine klare Sache.

    "Ja, also ich bin hundertprozentig davon überzeugt, dass dieser Mann auf einer Bank in Luxemburg war. Ich konnte es ihm nur nicht nachweisen. Ich habe Pläne gefunden von der Stadt Luxemburg, Stadtpläne, die er sich am Computer ausgedruckt hat, ich habe einen Parkschein gefunden, dass er in der Stadt Luxemburg geparkt hat, und ich gehe also davon aus, dass er in Luxemburg war. Er hat genau 10.000 Euro dabei, und da 1. 000 Euro ja die anmeldungspflichtige Grenze ist, bin ich mir auch hundertprozentig sicher, dass er auf einer Bank war."

    Wenn Geldsummen in Häppchen von luxemburgischen Geldinstituten abgehoben und nach Deutschland zurück transportiert werden, die 10.000 Euro-Grenze also nicht überschritten wird, gibt es nichts zu beanstanden. Größere Beträge indes müssen Reisende bei den Behörden anzeigen. Übersteigt die Summe die gesetzlich festgelegte Obergrenze, ist ein Reisender überdies gut beraten nachzuweisen, woher das Geld stammt.

    Das Steuerzahlerrätsel
    Nicht nur für Besserverdienende gilt: Die Steuerbelastung wird als Opfer ohne Gegenleistung empfunden oder sogar als Einschränkung der individuellen Freiheit. Deutsche Steuerzahler sind jedoch ehrlicher, als die aktuelle Debatte glauben macht: International liegt die Steuermoral in Deutschland im Mittelfeld. Zwar sind beispielsweise die dänischen oder kanadischen Steuerzahler ehrlicher, jedoch rangiert die Steuermoral der Deutschen weit vor der von Briten, Spaniern und Holländern. In vielen Fällen gibt es jedoch auch kaum eine Möglichkeit, im großen Stil Steuern zu hinterziehen. Die Steuerberaterin Susanne Günter hat eine Kanzlei in Köln und leitet außerdem einen Lohnsteuerhilfeverein. Ihrer Erfahrung nach ist es die Gelegenheit, die über die Verlockung entscheidet:

    " Man muss sich das auch betragsmäßig vorstellen. Beispielsweise ein Arbeitnehmer, dessen Einnahmen sind ja klar, da ist ja auch gar nichts dran zu machen. Im Bereich der Werbungskosten, da geht es in der Regel ja um ganz geringe Beträge. Wenn ich jetzt zum Beispiel überlege, ob ich statt 150 Euro Fachliteratur 300 Euro Fachliteratur angebe, da haben wir eine Differenz von 150 Euro, das multipliziert mit dem individuellen Steuersatz, da kommt ja gar nicht so eine hohe Steuerersparnis raus. Das ist natürlich bei Beträgen von mehreren 1000 Euro schon eine ganz andere Sache. Also ich denke, da ist die Verlockung dann auch größer, da noch irgendwas zu machen oder zu versuchen."

    Gelegenheit macht Diebe - das gilt auch für Steuerhinterziehung. Während Arbeitnehmer dafür nur sehr begrenzte Möglichkeiten haben, sieht das für selbstständige Unternehmer schon anders aus. Denn sie können ihren Gewinn selbst ermitteln und diesen über die Höhe der Betriebsausgaben steuern. Da wird dann ein privates Essen zum Geschäftsessen, abzugsfähig als Bewirtungskosten. oder die neuen Regale fürs heimische Wohnzimmer zur Lagerausstattung, abzugsfähig als Büromöbel. Die Forschungen des Tübinger Instituts für angewandte Wirtschaftsforschung ergeben noch andere Gelegenheiten - auch für den normalen Gehaltsempfänger, wie der IaW-Soziologe Günther Klee beschreibt:

    "Die Variante, die am ehesten in Frage kommt, Steuern zu hinterziehen, ist, das in Form der Schwarzarbeit zu tun - sei es, indem man in Schwarzarbeit erbrachte Leistungen bezieht, oder indem man selber Schwarzarbeit anbietet. Die zweite attraktive Steuervermeidungsstrategie ist das Verschweigen von ausländischen Kapitalerträgen, was jetzt offenbar im Falle von Herrn Zumwinkel der Fall ist, das Verschweigen von Spekulationsgewinnen und, sofern man Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung hat, ist es durchaus üblich, überhöhte Werbungskosten anzusetzen."

    Um Steuern zu vermeiden, gehen Kapitalanleger gerne europäische Wege. Kein Wunder, dass in der deutschen Politik der Ruf nach Europa laut wird. Die EU-Finanzminister werden sich auf ihrer nächsten Sitzung Anfang März darum kümmern, wie Steuerschlupflöcher besser gestopft werden können. Bundesfinanzminister Peer Steinbrück will vor allem erreichen, die EU-Richtlinie zur Zinsbesteuerung von 2005 zu verschärfen. Bislang gilt, dass Zinseinkünfte, die von Anlegern im Ausland erzielt werden, von den Banken direkt an die Finanzbehörden des Heimatlandes gemeldet werden müssen. Die Banken sind gehalten, sogenannte Kontrollmitteilungen zu verschicken. Aber Europa wäre nicht Europa, gäbe es nicht Ausnahmen von dieser Regel. Und die bestehen für Österreich, Belgien und für Luxemburg. Ähnliche Regeln gelten für assoziierte Staaten wie die Schweiz, Liechtenstein, Monaco, Andorra oder San Marino - sehr zum Leidwesen des Finanzministers.

    "Wir haben Probleme nicht nur mit Liechtenstein, das ist richtig, wir haben Probleme in der Frage auch mit der Schweiz, und wir haben auch Probleme mit zwei EU-Mitgliedstaaten, sie haben völlig Recht, mit Luxemburg und mit Österreich. Die bieten Rahmenbedingungen an, die dazu einladen können, in Deutschland Steuerhinterziehungen zu betreiben."

    Die Grenzen zwischen Steuerakrobatik, Trickserei und strafbarer Handlung verschwimmen. Vielen Bürgern ist offenbar nicht bewusst, was alles Steuerhinterziehung ist - und damit eine Straftat.

    "Paragraf 370 Abgabenordnung:
    Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

    1. den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht,
    2. die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt oder
    3. pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstempeln unterlässt
    und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt. Der Versuch ist strafbar. In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren."

    Reuige Steuersünder können sich nur noch mit einer Selbstanzeige behelfen, um der Härte des Gesetzes zu entgehen. Aber selbst das nutzt nicht jedem: Denn straffrei bleibt nur der, der sich anzeigt, bevor seine Tat entdeckt ist. Sind die Betriebsprüfer bereits beim Steuerberater, die Steuerfahnder schon auf dem Grundstück, oder hat das Finanzamt die Steuerhinterziehung bemerkt, bringt eine Selbstanzeige nicht mehr viel. Und die entgangenen Steuern müssen in jedem Fall nachgezahlt werden. Auch derjenige, der nicht vorsätzlich handelt, muss mit einem saftigen Bußgeld rechnen, wenn die Finanzbeamten ihm auf die Schliche kommen: Leichtfertige Steuerverkürzung - wie es im Amtsdeutsch heißt - kann mit einer Geldbuße von bis zu 50.000 Euro geahndet werden. Hier sind nach Ansicht von Susanne Günter auch die Steuerberater in der Pflicht:

    "Aus meiner Erfahrung gibt es natürlich Mandanten, die das nicht so genau nehmen, die also nicht so besonders ordentlich Buch darüber führen, wie hoch jetzt tatsächlich die Einnahmen sind. Das wird natürlich auch ein bisschen erleichtert durch Steuerberater, die diese Zahlen übernehmen, ohne sich vielleicht auch mal die Bankkonten geben zu lassen, um Stichproben zu nehmen, ob wirklich alle Einnahmen angegeben sind. Ob das dann in jedem Fall ein bewusstes Handeln ist, das vermag ich nicht zu beurteilen."

    Mehr Gemeinsinn, bitte!
    Steuern sind für alle da. Sie sind die Grundlage eines politischen Systems. Steuern verschaffen dem Staat Geld, damit er seine Aufgaben erfüllen kann: Bildung, öffentliche Infrastruktur, Gesundheitswesen, soziale Absicherung oder die innere und äußere Sicherheit zählen zu diesen Bereichen. Schulen, Straßen, Krankenhäuser und Kindergärten müssen ebenso bezahlt werden wie der Umweltschutz, die Gerichte oder die Polizei. Unser Steuersystem soll diese Lasten fair verteilen, die Steuerzahler gleich behandeln und ihnen gemäß ihrer Leistungsfähigkeit Steuern abverlangen. Dieser Spagat gelingt aber nach Auffassung des Steuerrechtlers Seer immer weniger:

    "Ein Idealzustand, dass alle Bürger freiwillig ihre Steuern zahlen, ist, glaube ich, eine Utopie. Man sollte das Steuerzahlen möglichst vereinfachen, und man sollte die Tatbestände nicht hypertroph kompliziert werden lassen. Und dann, glaube ich, braucht man aus Sicht des Staates auch positive Botschaften. Man muss wahrscheinlich auch dafür werben, was eben Gutes mit den Steuern getan wird. Was wir leider dauernd hören, ist irgendetwas über Steuerverschwendung, das heißt über den Missbrauch mit den Steuergeldern, der betrieben wird, und den mag es im Einzelfall auch geben, man hört aber wenig über die guten Dinge, die auch notwendig sind, die mit den Steuern gemacht werden."

    Wichtig scheint also vor allem eines: den Sinn des Steuerzahlens zu verdeutlichen und klar zu machen, dass es fair zugeht im Steuerzahlerland Deutschland, damit der Ehrliche am Ende nicht doch der Dumme bleibt.