Von Alaska nach Neuseeland

Ich habe noch nie so tiefe Temperaturen erlebt, wie hier in Anchorage. Ich sitze bibbernd in meinem Hostelzimmer, während der Wind durch die Fensterritzen pfeift und meine Zehen auf der bullernden Heizung nur langsam auftauen.

Von Monika Seynsche |
    Heute habe ich noch drei Interviews vor mir. Da das Erste laut Stadtplan keine drei Blocks entfernt ist, beschließe ich zu laufen. Nach dem ersten Block merke ich, das das keine kluge Idee war. Während ich mich noch frage, wie lange es wohl dauert, bis die ersten Erfrierungserscheinungen einsetzen, biege ich aus Versehen falsch ab. Als meine Oberschenkel langsam ihr Gefühl verlieren, fällt mir der Fehler auf und ich kehre um. Zehn Minuten später bin ich endlich da.

    Joe Banta organisiert das Umweltmonitoring beim "Prince William Sound Regional Citizens Advisory Council", einer unabhängigen Forschungseinrichtung, die nach dem Ölunfall eingerichtet wurde, um den Bürgern der Region Rede und Antwort zu stehen. Die Forscher hier untersuchen unter anderem in regelmäßigen Abständen die Muscheln im Sund auf ihren Gehalt an Ölrückständen.

    Als ich ihm nach dem Interview erzähle, wie ich hergekommen bin, steht er auf und fragt wo mein nächstes Interview sei, er würde mich hinfahren. Das Thermometer in seinem Auto zeigt umgerechnet minus 11 Grad Celsius. Ein eisiger Sturm aber wirbelt Schnee über die Straße und lässt die Temperatur wie minus 30 Grad wirken. Ich bin ihm sehr dankbar. Er setzt mich vor der Tür des US Geologischen Dienstes ab. Dort erwartet mich Dan Monson. Der Biologe erforscht, wie sich der Ölunfall der Exxon Valdez auf die Seeotter im Prinz William Sund auswirkt. Ähnlich wie die Heringe haben die sich bis heute nicht völlig erholt. Sie seien so etwas wie die unfreiwilligen Reinigungsteams, erzählt Dan Monson. Dadurch dass sie in den Ufersedimenten nach Muscheln und anderer Nahrung grüben, kämen sie immer wieder in Kontakt mit frischen Öl das sich dort noch findet. Auch wenn sie sich selbst damit gefährdeten, sei ihre Arbeit für den Rest des Ökosystems sehr hilfreich. Denn das von den Seeottern freigelegte Öl verwittere leichter und verliere so schneller einen Teil seiner Giftigkeit.

    Kurioserweise fragt auch er mich am Ende des Gesprächs wie ich hergekommen sei. Als ich es ihm sage, erklärt er, er müsse sowieso jetzt seine Tochter aus dem Kindergarten abholen, da liege das Büro des US Fish and Wildlife Service auf dem Weg. Ich muss einen wirklich sehr verfrorenen Eindruck machen. Dort angekommen treffe ich auf Kathy Kuletz und David Irons, zwei Biologen, die das Schicksal der Vögel im Prinz-William-Sund untersuchen.

    Abends mache ich mich auf den Weg nach Australien. Der Flughafen von Anchorage ist neu und hübsch. Ungewöhnlicherweise haben die Innenarchitekten davon abgesehen, die im Rest Amerikas sehr beliebte wildgemusterte Meterware zu verlegen. Dafür stolpere ich über drei ausgestopfte Grizzlys und zwei ebenfalls tote Eisbären.

    Am nächsten Nachmittag und etwa 3000 Kilometer weiter südlich sind es angenehme 15 Grad am Flughafen von San Francisco. Die Neuseeländischen Sicherheitsbeamten scheinen kein großes Vertrauen in ihre US-amerikanischen Kollegen zu haben. Jedenfalls muss ich noch einmal von Neuem durch die Security. Dabei begegne ich meinem ersten Körperscanner. Ich versuche nicht zu lachen, als ich mit erhobenen Händen in dem Glaskasten stehe und mir etwas albern vorkomme. Das benutzte Papiertaschentuch in meiner Hosentasche ist so verdächtig, dass ich nach dem Glaskasten noch abgetastet werde und meine Hände auf Sprengstoffspuren untersucht werden. Die Kabel, Batterien und Mikrofone in meinem Rucksack dagegen interessieren niemanden.

    Die weiteren Tagebucheinträge von Monika Seynsche finden Sie unter:
    Wunden der Erde - Ein Reisetagebuch

    Die Recherchereise wurde mit Mitteln der Robert Bosch Stiftung im Rahmen der Initiative Wissenschaftsjournalismus gefördert.
    Am Flughafen wimmelt es von ausgestopften Bären
    Am Flughafen wimmelt es von ausgestopften Bären (Monika Seynsche)
    Von San Francisco aus geht der Flieger nach Neuseeland
    Von San Francisco aus geht der Flieger nach Neuseeland (Monika Seynsche)