Im platten Abbildungstheater Freiburger Provenienz aber sitzen nun zehn Schauspieler und zwei Statisten in einer superteuren Raumbühne herum, auf einem Rasenteppich, spielen Manager-Seminar und Ehekrise, Oberschichts-Party und Reformschule, sie reden über Regeln des Wirtschaftslebens, Kündigungsschreiben, die drohende Hausdurchsuchung wegen Steuerhinterziehung und den Gang ins Gefängnis. Ein Arbeiter im Blaumann notiert an einer Wand die auf den Nullpunkt fallenden Börsendaten, und dazu wird dann das Verdi-Requiem eingespielt. Solch grauenvolle 1:1-Bebilderungen zeigen die ganze Impotenz des Unternehmens, das die Zuschauer zwei Stunden lang müde spielt.
Es lohnt nicht, die Produkte der einzelnen Autoren gesondert zu betrachten. Die in einem dickleibigen Textbuch überreichten Szenen und Monologe sind zumeist im Versuchsstadium oder auch im Rauskotz-Stadium stehengeblieben; sie können den Leser wirklich in Depression verfallen lassen ob des Vermögens neuerer deutscher Dramatik. Der Regisseur David Mouchtar-Samorai, der auch schon bessere Tage gesehen hat, hatte das Projekt angestoßen und hat nun einen Teil der Lieferung auf die Bühne gebracht; aber je mehr die bedauernswerten Schauspieler in hysterische Betriebsamkeit verfallen, greinen und aufgesetzt lachen, überagieren und wüst durcheinanderreden, desto deutlicher wird die Bodenlosigkeit des ganzen Projekts.
Da er nichts zu erzählen hat, rettet sich Mouchtar-Samorai immer wieder in Schaubilder: eine spärlich bekleidete Statistin, eine Schärpe mit der Aufschrift "Fortuna" überm BH, wird von den Oberschichtlern roulette-artig hin- und hergeschleudert. Ein alter Unternehmer lässt mitten im Fachgespräch die Hosen runter, um etwas Salbe aufs Bein aufzutragen – obwohl eher das Publikum der Linderung bedürfte. Monströs aufgeblasene Schulkinder im Plastikanzug, wahrscheinlich die Kinder der Kohl-Ära, agieren als Kuriositätenschau geklonter Wohlstandsbürger; einige von diesen Fettleibigen müssen durch ein sogenanntes Reform-Rohr kriechen oder in eine, das steht zum besseren Verständnis gleich dran, "DGB-Fresse" schlagen.
"Hans im Glück" heißt das ganze Projekt. Im Grimmschen Märchen hat Hans am Anfang einen Klumpen Gold und am Ende nichts. In Freiburg hatte man am Anfang nichts, und jetzt hat man einen Haufen Schulden beim Publikum. Um bei der Ökonomie zu bleiben: die Intendantin wird sicher noch mitteilen, was dieser abgestandene Quark gekostet hat.