Dienstag, 21. Mai 2024

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Von Berlin nach Bogotá

Gut anderthalb Jahre ist es her, da brach der promovierte Mineraloge Thomas Cramer in Berlin alle Zelte ab und zog nach Bogotá, nach Kolumbien. Das hatte private Gründe, denn seine Frau ist Kolumbianerin und er nun Professor, denn die Universidad Nacional de Colombia schrieb damals 300 Professorenstellen aus.

Moderation: Kate Maleike | 18.08.2006
    Kate Maleike: Wissenschaftlich gesehen ist er also inzwischen in Bogotá verankert, nur fehlt es an der Uni an einigem. Thomas Cramer sammelt deshalb derzeit kräftig Sachspenden. Schönen guten Tag, Herr Cramer.

    Thomas Cramer: Einen schönen guten Tag, Frau Maleike.

    Maleike: Bevor wir über Ihre Spendenaktion als solches sprechen, erzählen Sie uns doch erst einmal etwas über Ihre Uni. Ich denke, viele Leute in Deutschland können sich gar nicht so recht vorstellen, wie das Unileben bei Ihnen aussieht.

    Cramer.: Ja, ich konnte mir das auch nicht vorstellen, zunächst. Aber ich war doch sehr angenehm und positiv überrascht, und musste feststellen, dass das sehr wenig zu tun hat mit Vorstellungen, die in Deutschland verbreitet sind, die auch ich selbst hatte. Die Universidad Nacional de Colombia in Bogotá ist die größte Universität des Landes. Sie ist zugleich eine der relativ wenigen staatlichen Universitäten. Ein Großteil der Universitäten in Kolumbien waren privat, umso bemerkenswerter ist, dass tatsächlich diese staatliche Universität sich nicht nur große Mühe gibt, sondern auch eine der besten Universitäten des Landes ist und vorhat, auch zu einer der besten Universitäten Lateinamerikas aufzusteigen, den Anschluss zu finden an die internationale Forschung. Aber dazu bedarf es natürlich einiger Dinge. Wir haben ungefähr 30 bis 40.000 Studierende, etwa 3000 Professoren, wobei da eingeschlossen sind, was man bei uns in Deutschland als wissenschaftliche Mitarbeiter, auch Teilzeitkräfte in Forschung und Lehre, bezeichnen würde. Wir haben also im Prinzip eine recht gute Personalsituation, auch hochqualifiziertes Personal. Aber ich musste hier zum Beispiel feststellen, dass wir, sagen wir mal für 50 Studierende der Geowissenschaften nur 10 Mikroskope zur Verfügung haben, von denen ein Teil nicht funktioniert. Wir haben zum Beispiel - wer sich da etwas auskennt, weiß, dass für Geowissenschaften ein Röntgendiffraktometergerät essentiell ist um Mineralien zu bestimmen. So etwas gibt es hier nicht. Und Bücher, Mineralproben - es ist sehr schwer, etwas über Lagerstätten und Rohstoffe weltweit zu erzählen, wenn man nicht entsprechende Belegstücke hat, so dass die Leute das anfassen, riechen können und so weiter. Und das sind natürlich einfach elementare Sachen, wo ich mir gesagt habe, da kann man tatsächlich konkret schon etwas tun, ohne große Projekte anzuleiern. Um einfach bessere Voraussetzungen zu schaffen, dass dann eben auch die wissenschaftliche Kooperation, der Austausch von Studierenden, von Professoren, in beide Richtungen gut voran geht und auf einer etwa gleichen Grundlage stattfindet.

    Maleike: Dazu wollen Sie ja jetzt auch einiges beitragen. Für Sie ist es ja schon fast ein bisschen wie Welt verkehrt, also jetzt weniger Instrumente, dafür mehr Personal - anders als das manchmal in Deutschland der Fall ist. Ganz konkret: Was benötigen Sie im Moment am dringendsten?

    Cramer: Ja, das könnte eine unendliche Liste sein. Aber dringend wären zum Beispiel eben Mikroskope, das heißt, Durchlicht- und Auflichtmikroskope, einschließlich von Zubehör. Im Prinzip ist zunächst einmal für uns all das brauchbar, was in Deutschland nicht kaputt ist, aber was ersetzt wird. Also es ist jetzt nicht so, dass wir sozusagen die Sachen haben wollen, die man in Deutschland nicht mehr braucht, aber wir wissen ja auch, dass einige Institute dort geschlossen werden oder reduziert werden. Und es hat sich einfach gezeigt, dass es da Geräte gibt, die überaus brauchbar sind.

    Maleike: Sie waren in dieser Sache, in Ihrer Sache muss man ja fast sagen, im Juni in Deutschland unterwegs. Unter anderem um auch schon den ersten Spendencontainer auf den Weg zu bringen. Was sagen denn Ihre Kollegen in Bogotá dazu und auch die Studierenden?

    Cramer: Die sind natürlich hellauf begeistert und auch sehr neugierig, was denn da tatsächlich ankommt. Weil, alleine diese zwei Mikroskope, die ich schon bekommen habe, die sind hier ganz dringend gebraucht. Die Mineralproben, man wartet schon allgemein und man freut sich einfach sehr, dass wir jetzt vielleicht die Möglichkeit haben, keine qualitativen Sprünge zu machen, aber doch peu à peu Verbesserungen hinzubekommen.

    Maleike: Jetzt steht Kolumbien ja politisch immer mal wieder in den Schlagzeilen, muss man sagen. Nach 40 Jahren Bürgerkrieg müht sich der amtierende Präsident Uribe gerade wieder mit Paramilitärs um den Friedensvertrag. Was bekommen Sie denn davon an der Uni mit? Bestimmt das auch ein bisschen Ihr Arbeiten?

    Cramer: Es beeinflusst insofern, als ich in Deutschland gerade gesehen habe, als ich den Leuten erzählt hatte, ich lebe und arbeite in Kolumbien, dann habe ich doch relativ entsetzte Gesichter gesehen. Wie kann man nur und das ist doch alles sehr gefährlich. Und ich will ja die Probleme in diesem Land, und die Probleme mit der offiziellen Politik und all das, nicht beschönigen. Aber es gibt doch trotzdem ein sehr großes Arbeiten. Und all diese Dinge sind, sagen wir einmal kein Grund, um uns - das heißt, die große Mehrheit der Menschen, die wirklich arbeiten möchte, die wirklich etwas produzieren möchte, die wirklich für Gerechtigkeit, auch soziale Gerechtigkeit sorgen möchte, die die Mehrheit in diesem Land ist - sozusagen zu boykottieren, mit diesen negativen Meldungen. Natürlich gibt es Gegenden, in die ich gerne fahren würde, zum Beispiel ein Projekt in El Naveno, ein sehr interessantes Projekt zur Untersuchung der dortigen Vulkane. Da kann ich im Moment nicht hin, es wurde einfach gesagt, es ist besser, wenn ich da nicht hinfahre. Und es gibt 50, 60, 70 Prozent des Landes, wo ich ohne weiteres hingehen kann. Kolumbien ist viermal so groß, wie Deutschland und es gibt hier sehr viel zu tun, sehr viel zu entdecken. Und es ist auf der anderen Seite eine sehr große Herausforderung; das ist etwas, was sehr viel Spaß macht, wie gesagt, ohne die Probleme im Land beschönigen zu wollen.

    Maleike: Das heißt also, Ihre Spendeaktion wird irgendwann auch, hoffentlich einmal, in eine wissenschaftlich-akademische Zusammenarbeit dann vielleicht mit der ein oder anderen deutschen Universität, oder auch einer anderen europäischen münden. Ist das Ihr Ziel?

    Cramer: Das ist eigentlich das zentrale Ziel. Wir hatten einige informelle Gespräche. Zum Beispiel gibt es auch Unterstützung vom Alfred-Wegner-Institut, vom Geoforschungszentrum in Potsdam im Prinzip, von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe. Das heißt, wir versuchen schon, in dieser Richtung, und gerne auch mit anderen Universitäten, zusammenzuarbeiten.

    Maleike: Ganz viel Glück, und vor allen Dingen natürlich auch viel Erfolg, wünschen wir Ihnen für Ihre Sammlung. Und für alles Weitere natürlich auch. Ich denke, der ein oder andere Spender wird vielleicht zugehört haben.

    Infos zur Spendenaktion
    Dr. rer. nat. Thomas Cramer
    Profesor Departamento de Geociencias, Of.
    Universidad Nacional de Colombia Ciudad Universitaria
    Apartado Aéreo 14490 Bogotá D.C. - Colombia
    thCramer@unal.edu.co